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Die frische Luft half nicht, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. Egal, wie oft sie sich sagte, dass Ben keinerlei Hintergedanken gehabt hatte, es wallte nur immer neuer Zorn in ihr auf, der durch sie jagte und ihr Blut zum Kochen brachte.

Auch die Tatsache, dass sie auf der Einfahrt hin und her stapfte, erzielte keine Erleichterung. Das muss ich aber irgendwie hinbekommen. Kein Drama. Nicht heute, wo bisher alles so gelungen gewesen ist. Obwohl sie sich das ebenfalls immer wieder sagte, zitterten ihre Hände weiterhin. Was bildete sich Ben überhaupt ein?

Sie fuhr herum, als sie hörte, dass jemand den Deckel einer Mülltonne zuschnappen ließ und sofort brannte erneut eine Feuerwalze durch sie. Da konnte Ben noch so verwirrt dreinsehen und mit seinen Händen in den Hosentaschen zu ihr gehen. „Hey."

„Es ist besser, du lässt mich allein." Schon diese Warnung auszusprechen, kostete sie fast mehr Selbstbeherrschung, als sie aufbringen konnte. Doch anstatt auf dem Absatz kehrtzumachen, schüttelte Ben lediglich den Kopf und stellte sich neben sie. Das erinnerte sie so sehr an Tobi, dass erneut eine Walze Wut durch sie jagte.

Reg dich bloß ab! Aber es war zu spät. Der Fakt, dass er wirkte, als würde ihre Wut an ihm abperlen, brachte genau die noch mehr in Wallung. Ihre Sicht verschwamm jede Sekunde mehr. Nebel senkte sich über sie, ohne, dass sie sich dagegen wehren konnte. „Ich kann selbst die Wünsche meiner Kinder erfüllen, dafür brauch ich dich nicht! Wie viel bekommst du?"

Sie zog ihr Handy hervor und öffnete ihre Bankapp. Sie würde nicht dulden, dass er das übernahm. „Deine Bankdaten und den Betrag!"

Da er nicht antwortete, schaute sie ihm ins Gesicht: Er hatte die Stirn gerunzelt und sah sie ungläubig an. Nochmals versuchte sie sich zusammenzureißen. Sich zu erinnern, wo sie war. Doch ... Da ist auch etwas Missbilligung und Milde in seinem Blick. „Wie viel? Spuck es aus! Ich werde nicht zulassen, dass du für meine Kinder aufkommst!"

Seine ganze Körperhaltung erklärte, dass er nicht einverstanden war. Sein Unverständnis ging in Wellen von ihm aus und ihre Hände zitterten noch mehr, während ihr immer mehr die Gegenwart entglitt. Sie wusste es. Doch es lag außerhalb ihrer Kontrolle. „Oh, wow. Das ist es. Ich weiß ja, dass du ein Problem damit hast, dass ich nicht am Hungertuch nage, aber dachte nicht, dass wir einen Konkurrenzkampf führen." Sein lockerer Ton täuschte sie nicht über den Unwillen darin hinweg und bewirkte, dass augenblicklich ihr Nacken kribbelte und sich die Härchen auf ihren Armen aufstellten.

Doch bevor der Schauer sich über ihren Rücken ausbreiten konnte, schob sie ihr Kinn trotzig vor und starrte ihn an. Braune Augen blitzten sie vorwurfsvoll an und sie versteifte sich noch mehr. Falsch. Grün. Sie müssen grün sein. Doch diese Erkenntnis sickerte nicht zu ihr durch, obwohl sie sie wahrnahm. „Das hat nichts damit zu tun!"

„Ach nein?! Ich denke doch. Ich glaube, du fühlst dich minderwertig, weil ich die Sachen kaufen konnte, während du sie immer wieder aus dem Warenkorb gelöscht hast." Jetzt entglitt ihr für eine Millisekunde die Mimik, ehe sie hastig mit dem Kopf schüttelte. Verliererin. Du bekommst nichts gebacken.

„Nein. Ich will nur nicht, dass du dir die Zuneigung der Kinder erschleichst, indem du ihnen solche Geschenke machst, nur weil du es nicht anders kannst!" Die Worte waren draußen, ehe sie es verhindern konnte. Sie wusste, dass sich dabei etwas falsch dabei anfühlte und schüttelte den Kopf, um klar zu werden. Doch die Selbstgefälligkeit in seinen Worten stieß ihr bitter auf und sie straffte die Schultern noch ein bisschen mehr.

„Er... Wie bitte? Spinnst du? Entschuldige, ich habe es nicht nötig, mich bei irgendwem mit Geschenken einzuschmeicheln!" Jetzt klang unverhohlen Wut durch seine Worte und sie hob ihr Kinn noch mehr. Urplötzlich war ihr, als würde sie neben sich stehen und sich beobachten. Verwirrt blinzelte sie, während sich das Gefühl verstärkte, die Atmosphäre würde sich verdicken und sie zur Einsicht bewegen wollen. „Ich wollte dir eine Freude machen! Weil du die Sachen offenbar gerne verschenkt hättest, aber sie anscheinend nicht in deinem Budget waren!"

„Oh, vielen Dank, dass du mich retten kommst!" Ihr Schnauben hatte den gewünschten Effekt. ER wich von ihr zurück und starrte sie nur noch an. „Ich bin aber nicht daran interessiert, von dir gerettet zu werden. Ich brauch dich nicht, um meine Kinder glücklich zu machen. Das kann ich ganz gut allein. Sie wollen deine Geschenke ebenso wenig, wie ich ein beschissenes Ticket für ein Konzert!"

„Oh, achso! Dann muss ich mich wohl dafür entschuldigen, dass ich dir eine Freude machen wollte. Offenbar hatte ich da Hintergedanken, die mir so fremd sind, dass ich nicht mal an sowas gedacht habe! Weißt du was, Ella? Du spinnst. Komplett. Wenn das deine Art ist, eine Beziehung zu führen, bin ich raus." Mit einem vernichtenden Blick drehte er sich um und Ella dachte, sie würde explodieren. Wie konnte er sie jetzt ignorieren? Das Thema war noch nicht durch!

„Wir haben keine Beziehung!" Sie beobachtete, wie er mitten in der Bewegung innehielt und sich langsam umwandte. Als sie sah, was in seinem Blick lag, lief ihr endgültig ein Schauer über den Rücken, weil sich schlagartig der Nebel löste und sie sich Ben gegenübersah nicht Tobi. Sie schluckte hektisch. Ihr Puls beschleunigte sich nochmal sprunghaft und sie verstand. Fassungslos schaute sie Ben ins Gesicht und entdeckte Resignation. Ihre Wangen fingen an zu brennen.

„Fick dich, Ella. Echt. Ich weiß, du trägst einen Haufen Altlasten mit dir herum und es geht dir nicht gut. Aber das ist keine Entschuldigung dafür, sich wie eine Axt im Wald zu verhalten und unvermittelt Scheiße abzusondern. Womöglich hat Tobi hier ebenfalls seine Finger im Spiel, warum auch immer. Aber das ist egal. Ich bin nicht er und ich muss mich für meine Gutmütigkeit nicht so behandeln lassen. Ich geh jetzt nach drinnen und bringe den Nachmittag über mich. Lust drauf hab ich keine mehr."

Ihr stockte der Atem und ihre Hände wurden schwitzig, als sie begriff, dass sie ihn gerade wirklich vergrault hatte. Dass er sie verlassen und sein Licht mit sich nehmen würde. Sie hatte doch... „Ben."

„Nein, Ella. Du hast deinen Standpunkt klar gemacht. Der lautet offenbar, dass ich zwar deine Stütze sein soll, wenn es dir gerade dreckig geht, doch Freude zu schenken oder eine Beziehung zu deinen Kindern aufzubauen, das möchtest du nicht. Es gibt nicht nur dich. Da sind auch deine Kids. Die ich, wie dich, verwöhnen möchte. Wenn das nicht gewollt ist und wir deswegen in Konkurrenz treten ... Darauf kann ich verzichten. Aber hey! Wir haben doch gar keine Beziehung, also kann mir dein Nachwuchs auch am Arsch vorbei gehen, oder?!"

Damit machte er endgültig kehrt und sie blieb allein zurück. Schlagartig nahm sie die kühler gewordene Luft wahr, die sie mit einem Frösteln überzog und ihren Atem vor dem Mund kondensieren ließ. War das vorher ebenso gewesen und sie hatte es nur nicht wahrgenommen? Sie konnte diese Frage nicht beantworten. Plötzlich machte sich wieder Erschöpfung in ihr breit und sie strich sich über die Stirn. Tränen sammelten sich hinter ihren Lidern, als sie diese schloss.

Was hatte sie getan? Wie hatte das passieren können? War sie nicht inzwischen darüber weg? Offenbar nicht. Scheiße, ich hab verkackt. So richtig. Sie schlug die Augen nieder und strich sich über die Stirn, ehe sie die Lider wieder öffnete. Das Zittern in ihr wollte nicht nachlassen. Fassungslos starrte sie zu Boden und die Pflastersteine der Auffahrt kamen ihr jetzt noch trostloser vor als schon zuvor. Sie mochte den Winter nicht. Zumindest nicht, wenn sie sich in der jetzigen Stimmung befand. Dann machte ihr dessen Dunkelheit zu schaffen.

Lenk nicht ab! Wenn du nicht sofort in die Gänge kommst, wirst du Ben verlieren! Die Worte, die sie ihm entgegengeschleudert hatte, blinkten wie eine Alarmlampe in ihrem Hirn und schmeckten bitter auf ihrer Zunge. Immer wieder baute sich sein Gesichtsausdruck vor ihren Augen auf und sie ließ sich auf einen niedrigen Stapel Brennholz sinken, ehe sie ihr Gesicht hinter ihren Händen verbarg. „Das hab ich doch schon. Was soll es noch bringen, ihn zu besänftigen? Er hat seine Entscheidung getroffen."

„Ach ja? Ich hätte nicht gedacht, dass du dich so schnell von Ben abbringen lässt." Ihr Kopf ruckte herum und sie sah Mo knapp neben ihr stehen. Sie schluckte trocken und merkte, wie sie sich verkrampfte. Hitze schoss ihr abermals ins Gesicht, während er die wenigen Schritte überbrückte, die sie trennten.

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Rainbow Clouds - Weil Sonne und Regen sich vereinenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt