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Er spürte, wie sich Ella an ihm festkrallte und zog sie fester in seine Arme. Sie fühlte sich so gut an und er wollte ihr schenken, was sie sich wünschte. Gleichwohl es bedeutete, dass er sein Wort brach und eine kleine Stimme in ihm flüsterte, dass es ein Fehler war.

Er verdrängte sie. Ella hatte ihn darum gebeten und er hatte sich ebenso nach ihr gesehnt wie sie sich nach ihm. Sein Herz schlug hart gegen seine Rippen und er versuchte, sich auf die Empfindungen zu konzentrieren, die ihn fluten wollten. Er wollte sich in ihr verlieren, so wie er das schon unzählige Male bei anderen Frauen getan hatte. Nur nicht bei Ella. Sie ist jemand Besonderes.

Jetzt gerade funkelten ihre Augen ihn an und er schluckte. Sie war so schön und er wünschte sich, er könne ihr zeigen wie sehr. Eine neue Welle Lust wogte durch ihn, als er den Winkel kaum veränderte und Ellas Reaktion darauf hörte. Doch auch sie half nicht, die Zweifel auszuräumen, die ihn in ihrem Bann hatten. Dieser kleine Laut der Verwunderung, gefolgt von ihrem kurzen Aufglühen konnte ihn nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie einen Fehler begingen.

Es fiel ihm immer schwerer, sich darauf zu konzentrieren, was sie sich wünschten. Stattdessen wurde das Wispern in seinem Kopf lauter, das ihm sagte, dass sie sich nicht beieinander verlieren konnten, weil sie wussten, dass dieser Schritt zu voreilig war. Ella folgte ihrer bewährten Strategie, den Tumult in sich zu beruhigen, und er spielte mit. Hör auf! Zeig ihr, dass du sie liebst. Das ist, was sie braucht! Und du kannst nicht abstreiten, dass dir der warme Körper einer Frau gefehlt hat!

Alles in ihm verkrampfte sich zusehends. Leider hatte das nichts mit Leidenschaft zu tun. Sondern eher damit, dass ihm schlagartig bewusst wurde, das nicht zu Ende führen zu können. Bedauern schlug über ihm zusammen, als er Ella anschaute und den gleichen stillen Kampf in ihrem Blick wahrnahm, den er ebenfalls ausfocht. Mit zittrigen Händen umfasste er ihr Gesicht und lehnte seine Stirn an seine. „Ich kann das nicht, Ella. Es tut mir leid. Ich dachte, ich könnte... aber... ich sehne mich so nach dir. Doch das ist falsch."

Das Schluchzen, das aus ihrem Mund drang, schnitt ihm in die Gedärme und er beeilte sich, sie zu sich zu ziehen und seine Wange in ihr Haar zu schmiegen. Auch der Kloß in seinem Hals platzte und er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme rau klang. „Ich liebe dich, Ella. Du bist mehr wert. Du bist alles. Es fühlt sich falsch an. Wir sind nicht bereit für das hier. Du weißt es."

Er musste nicht sehen, dass sie lautlos weinte. Das Beben ihres Körpers erzählte es ihm ebenso wie die Tropfen, die auf seine Schulter trafen und daran hinunter perlten. Gequält schloss er die Augen und zog sie noch tiefer an seine Arme. So weit er konnte. Er musste nicht wie Ella hypersensibel sein, um den Schmerz zu erahnen, der durch sie tobte. Er hallte in ihm wider, füllte jede Zelle seines Körpers und brannte sich in sein Bewusstsein.

Während sich ihre Nägel in seinen Rücken krallten, brach ihre Qual mit Lauten hervor, die ihm durch Mark und Bein gingen. Er wusste nicht, wie er ihr den Druck nehmen sollte, der ihm den Atem stocken ließ und seine Innereien miteinander verknotete. Die kleinen Küsse, die er ihr ins Ohr hauchte, waren genauso unzulänglich wie die Worte, die er raunte. Er wusste es.

„Ich hasse mich. Ich hasse mich so sehr." Schnell schüttelte er den Kopf. Ihre Feststellung fiel über ihn her wie ein Rudel Wölfe auf Beutefang, die ihre spitzen Fangzähne in seine Haut bohrten.

„Nicht, Ella. Du hast nichts falsch gemacht. Es ist ok." Ihr Körper versteifte sich unter ihm und bäumte sich vor Widerstand auf. Obwohl er wusste, dass diese Reaktion nicht auf ihn bezogen war, gab er instinktiv nach und rollte sich von ihr. Sofort wollte er sie wieder an seiner Brust bergen, doch Ella griff hastig nach der Wohndecke neben ihnen und rückte von ihm ab. Ihr Gesicht verschloss sich und sein Herz pochte wild gegen seinen Brustkorb. „Ella."

„Nein." Kurz schloss er die Augen, um den Schmerz kontrollieren zu können, der sich in ihm ausbreitete. Er hatte es verkackt. Seine Zustimmung hatte Hoffnung geweckt, die er ihr sofort wieder genommen hatte. Er hatte ihr nicht den Frieden geschenkt, den sie gebraucht hätte.

„Bitte." Er zuckte selbst zusammen, weil seine Stimme so brüchig klang. Doch darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen. Sie musste verstehen, dass er sie zu sehr liebte, um sich in einem kurzweiligen Moment zu ergehen, nur, um dann sie zu verlieren. Und meine Selbstachtung, weil ich meine Bedürfnisse mit ihrer Verletzlichkeit stille. „Ich liebe dich, ok?"

„Offenbar nicht genug, um mich zu ficken." Seine Gesichtszüge entglitten ihm, als ihre Worte wie ein Peitschenhieb durch sein Hirn knallten. Fassungslos starrte er sie an und versuchte, irgendwas zu finden, was er darauf erwidern konnte. Doch sein Kopf blieb still, während Ella ihn mit weitaufgerissenen Augen anstarrte. Irgendwo registrierte er, dass sie nicht mehr weinte. Aber die Spuren ihrer Tränen klebten noch auf ihren Wangen.

Gerade als sich langsam dieser wabernde Nebel in seinem Kopf lichtete, schloss Ella kurz die Augen und seufzte schwer. „Ich sollte ins Bad gehen. Ist eh alles egal."

„Nein, nichts ist egal." Er griff automatisch nach ihrem Handgelenk, während sie sich über die Kante des Sofas schob und sich noch enger in die Wohndecke wickelte. Doch Ella schüttelte seine Finger ab. „Wir müssen darüber reden, Sunny."

„Es gibt nichts zu reden. Nicht jetzt. Nicht irgendwann. Es ist alles klar." Ihr Flüstern klang so hoffnungslos, dass sich seine Brust noch enger zusammenschnürte. Er hatte nicht geahnt, dass das überhaupt möglich war. Hilflos schaute er ihr zu, wie sie sich nach ihren Klamotten bückte und aus dem Zimmer rauschte. Als könnte sie nicht schnell genug weg von mir.

Er vergrub sein Gesicht hinter seinen Händen und holte tief Luft. Doch so wirklich wollte sein Atem nicht seine Lunge füllen. Zumindest fühlte es sich nicht so an. Vor allem, weil er jetzt hörte, dass Ella im Badezimmer weinte. Erst als es sich verstärkte, merkte er, dass er weiterhin zitterte. Sofort drängte es ihn, zu ihr zu laufen und sie in seine Arme zu ziehen. Doch er war nicht erwünscht, das wusste er.

Er würde sie verlieren, oder? Sagten das ihre Worte nicht aus? Ein Seufzen drang über seine Lippen und er schüttelte den Kopf. Sie würde ein Einsehen haben. Bestimmt. Doch die letzten Minuten hallten genauso durch ihn wie das durchdringende Schluchzen, das durch die ansonsten stille Wohnung hallte.

Jeder Muskel schien sich bei jedem ihrer Töne zu versteinern. Nur sein Herz nicht. Das raste und schlug gewaltvoll gegen seinen Brustkorb, der mit Schmerz sowie Betroffenheit gefüllt war. Wie hatte dieser Tag nur so schiefgehen können? Er ließ die Luft aus seiner Lunge entweichen und wünschte sich, sie würde das Unbehagen mitnehmen, das sich in seinem Innersten breitgemacht hatte.

Doch es blieb. Er strich sich nochmal über sein Gesicht und stellte fest, dass seine Wangen wohl mit Bartstoppeln übersät waren, ehe er die bleierne Schwere seiner Glieder endgültig abschüttelte und sich mit stockender Motorik erhob.

Wie nebenbei bemerkte er, dass die Luft noch angereichert war von dem Geruch ihrer beider Lust und wieder krampfte sich alles in ihm zusammen. Mühselig überwand er die Starre, die ihn befallen hatte, und sah sich nach seiner Kleidung um. Er sammelte sie auf und zog sich an. Wieso waren seine Knie weiterhin wie Kaugummi? Jede Bewegung kostete ihn unfassbar viel Kraft, obwohl er hörte, dass Ella sich nun wohl beruhigt hatte. Zumindest drang nun kein Schluchzen mehr zu ihm, stattdessen war Wasserrauschen zu hören.

Dennoch besänftigte ihn diese Tatsache nicht sonderlich. Als er sich angezogen hatte, blieb er unschlüssig auf der Stelle inmitten von Sofa und Couchtisch stehen. Seine Augen wanderten über die Tischplatte, auf der sich die Ringe von Kaffeetassen befanden. Zumindest dachte er, dass es Kaffee sein musste, was sich zwischen den halbgefüllten Bechern abbildete. Die Milch darin zog schon helle Schlieren in dem hellbraun des Inhalts. Warum hatte er verdrängt, wie es in ihr aussah, fragte er sich, ehe er sich wieder setzte und seinen Kopf in seinen Händen vergrub. Wie soll ich ihr begreiflich machen, was sie mir bedeutet, wenn sie jetzt wirklich daran zweifelt?

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Rainbow Clouds - Weil Sonne und Regen sich vereinenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt