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Ella konnte Ben nur anstarren, während er offenbar versuchte, sich auf den Beinen zu halten. Es war ihm so wichtig gewesen, ihr das zu sagen, dass er völlig hinüber bei ihr aufkreuzte? Sofort machte ihr Herz einen Hüpfer in ihrer Brust. „Scheiße. Die Kälte hat mich gekillt. Vorher war's nich' so schlimm."

„Hm, ja. Du gehörst ins Bett, Stormy."

„Jaaaa. Also ..." verwundert beobachtete sie, wie Ben mit umständlichen Bewegungen sein Telefon aus seiner Jeanstasche fingerte und Anstalten machte, auf dem Display herumzudrücken. Erneut pochte ihr Herz einen Tacken schneller. Er war offenbar nicht davon ausgegangen, dass sie ihn übernachten lassen würde. Als sie automatisch den Kopf schüttelte, hielt Ben inne und schaute sie an.

„Komm rein, Stormy. Du schläfst hier, ok?" Jetzt breitete sich ein schiefes, seliges Lächeln auf seinem Gesicht aus und überrascht stellte sie fest, dass sich auch ihre Mundwinkel anhoben. In ihrem Bauch begann es zu summen und sie beeilte sich, den Arm um seine Mitte zu schlingen und ihn in den Schlafbereich ihres Wohnzimmers zu führen. „So war das nich' geplant. Aber jets' is' besser als gedacht."

„Hm. Möchtest du mehr ausziehen als die Stiefel?" Die Grübchen auf seinen Wangen vertieften sich, ehe er die Lippen schürzte und verneinte. Doch dann nickte er und schob sich mit fahrigen Bewegungen seine Jacke von den Schultern, die mit einem Donk auf den Boden traf. Anschließend plumpste er schwerfällig auf die Kante ihres Bettes und Ella bückte sich, um die Schnürsenkel seiner Schuhe aufzumachen, nachdem er diese kritisch musterte. Als habe er überlegen müssen, wie er die Knoten lösen kann.

Als sie den Blick hob, bemerkte sie, wie er sie anschaute. Kurz war ihr, als würden sich in ihrem Kopf die Bilder bilden, die wohl durch seinen schwirrten und sie schluckte. Ja, das würde sie sich auch wünschen. Dass alles gut wäre. Dass sie sich gleich in seine Arme kuscheln könnte und das Gefühl hätte, sie würde ankommen. Weil sie sich sicher fühlen könnte. Sie hatte die vage Ahnung, dass sie bei ihm auch Geborgenheit finden könnte.

Ihr Herz pochte wild in ihrer Brust und sie zwang sich, in der Realität zu bleiben. Und da war sie nicht die Frau, die ihm diese Wünsche erfüllen konnte. Eilig richtete sie sich auf und versuchte, die Wehmut abzuschütteln, die bereits wieder die Zähne in ihr Bewusstsein schlug. „So, du kannst dich hinlegen."

„Hm." Sie beobachtete, wie er in die Mitte des Bettes rutschte und nochmal wünschte sie sich, sich einfach an seinem Brustkorb verlieren zu können. Doch sie hatten sich auf Freundschaft geeinigt, unberücksichtigt, welche Worte vorher aus seinem Mund gedrungen waren und was sein Blick ihr erzählte.

Sie fischte nach ihrer Decke und breitete sie auf ihm aus, während er sie nicht aus den Augen ließ. „Du bis' das besaubernste Wesen, das ich kenne. Ich will nie wieder ohne dich sein."

Gänsehaut lief ihr über den Körper, als die Worte die wunde Stelle in ihr berührten und damit verschmolzen. Die Tränen, die sofort in ihr aufstiegen, schluckte sie hastig hinunter und Ella setzte ein Lächeln auf. „Ok. Schlaf jetzt, Ben."

„Ohne dich?" Er sah sie so flehentlich an, dass sich ihre Brust zusammenschnürte. Wie nebenbei bemerkte sie, dass der Mond ihn plötzlich in silbriges Licht tauchte, als offenbar die Wolke vor dem Erdtrabanten vom Wind fortgeschoben worden war. Sie konnte ihm doch nicht widerstehen, egal wie vernünftig es war. Also nickte sie nur und versuchte, dem Kloß in ihrem Hals Herr zu werden.

Mit ungelenken Bewegungen krabbelte sie zu ihm und hörte sein Seufzen, als er seine Arme um sie schlang. Nach jedem Heben seines Brustkorbs an ihrem nahm sie einen Hauch von Whiskey in seinem Atem wahr und sie schloss die Augen. „So isses schön."

Sie konnte nicht antworten. Nur nicken. Ihr Herz pochte unfassbar schnell gegen ihre Rippen. Obwohl ihre Rechte nur auf seiner Brust ruhte, wurde sie schwitziger, als ihr klar wurde, dass sie am liebsten jede Nacht so einschlafen würde. Gleichwohl augenblicklich die Alarmglocke in ihr losging, registrierte sie fasziniert, dass der kurze Anflug von Panik sofort wieder verpuffte, als Ben den Arm hob, auf dem sie lag und durch ihr verschwitztes Haar strich.

„Jets' isses richtig." Sein schläfriges Nuscheln rührte Ella noch mehr. Sie wollte erwidern, dass er recht hatte. Stattdessen biss sie sich auf die Unterlippe. Sonst würden ihre Gefühle an die Oberfläche purzeln. Das war nicht gut, solange sie nicht wusste, ob ihr Entschluss vom Vormittag kein Fehler war.

Doch Ben schien keine Antwort zu erwarten. Er seufzte nochmals und hörte sich dabei zufrieden an, was irritierenderweise den Tumult in ihrem Innersten etwas. Um sich abzulenken, konzentrierte sie sich auf das sachte Pochen, das in regelmäßigen Abständen an ihr Ohr drang. Das leise Heben seiner Brust, das auf jedes Sinken folgte. Das zarte Prickeln an ihrer Kopfhaut, wenn er mit seinen Fingern durch eine Haarsträhne streichelte. Die Wärme, die sich in ihr ausbreitete. Der Balsam, der sich auf die offene Wunde in ihr legte.

Augenblicklich riss sie die Lider auf und starrte mit weitaufgerissenen Augen auf Bens Gesicht. Hatte sie das wirklich gerade gedacht? Sie schluckte hart gegen den sich unvermittelt bildenden Kloß in ihrem Hals an und verlangsamte bewusst ihre Atmung, um nicht erneut in Panik auszubrechen. Nie wieder sollte ein anderer Mensch diese Macht über sie haben. Und doch war es Ben gelungen, sie zu erhaschen.

Lautlos sagte sie sich, dass er sie nicht ausnutzen würde. Aber der fade Beigeschmack blieb, obwohl ihr klar wurde, dass sie nicht mehr ohne ihn sein wollte. Er gehörte zu ihrem Leben, damit hatte er bei ihrem Gespräch auf dem Balkon recht gehabt. Also kann ich mich dem genauso gut fügen, statt weiterhin dagegen anzukämpfen.

Plötzlich ließ der Druck auf ihrer Brust wieder nach, als sie automatisch seufzte. Augenblicklich hatte sie das Gefühl, als könne sie spüren, wie sich der Sauerstoff in ihren Zellen anreicherte und sie runzelte die Stirn. Sie war wirklich total irre. Sie unterdrückte ein Kopfschütteln und nahm Bens seliges Lächeln wahr, das sein friedliches Gesicht zierte. Er hatte die Augenlider geschlossen und schien vollkommen in sich zu ruhen. Bewundernswert.

Still betrachtete sie ihn und bemerkte, wie sich seine Lippen leicht öffneten. Als kurz darauf ein leises Schnarchen zu hören war, biss sie sich auf die Unterlippe, um das unerwartet aufsteigende Kichern zu unterdrücken. Ich bin echt verloren, wenn ich sogar das süß finde.

Jetzt schüttelte sie doch den Kopf, ehe sie ihn zurück auf Bens Brust legte. Gestern noch war ein echtes Lachen fast unvorstellbar gewesen. Also brachte er wirklich Licht in die Dunkelheit ihres Dschungels, so unfassbar das war. Irgendwie beruhigte sie der Gedanke. Sie war nicht verloren.

Sie lauschte in die Stille, die nur unterbrochen wurde vom Ticken der Wanduhr und Bens sanften Schnorcheln, das in seinem Brustkorb widerhallte. Je länger sie zuhörte, umso schwerer fiel es ihr, die Augen offenzuhalten. Immer mehr Wärme sickerte in sie und breitete sich in ihr aus. Wohlige Wärme, die sie lang vermisst hatte. Sie hatte dieses Gefühl nicht erwartet, dachte sie, als sich ihre Atemzüge allmählich verlangsamten. Geborgenheit statt Sicherheit.

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Rainbow Clouds - Weil Sonne und Regen sich vereinenWhere stories live. Discover now