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Der Kloß in ihrem Hals verdickte sich wieder. Sie liebte ihn auch. Doch sie war sich nicht sicher, ob sie wirklich bereit war, sich auf mehr einzulassen. „Zurück zum Thema. Ich bin die Altstadt entlanggegangen und wollte zum Taxistand. Plötzlich bog Becca aus eine der Seitengassen."

Ben wich ihrem Blick nun aus und Ella lief ein Schauer über den Rücken. Seine Stimme klang nun zittrig und sie griff intuitiv wieder nach seinen Fingern. Daraufhin wanderten seine Augen zurück zu ihrem Gesicht, ehe sie sich auf ihre Hände senkten. „Versteh mich nicht falsch, ich bin mit dem Thema durch, weißt du? Becca gehört der Vergangenheit an. Doch an diesem Abend war sie sehr präsent für mich. Oder eher das Ende unserer Beziehung. Warum es nicht geklappt hat mit ihr und mir. Und dann watschelt sie mir mit Babybauch entgegen..."

Für einen Sekundenbruchteil entglitt ihr die Kinnlade und ihre Brust zog sich erneut vor Mitleid zusammen, während sie seine Finger drückte. Sie spürte, dass seine nun etwas heftiger zitterten und schluckte. Auch seine Stimme bebte, als er erklärte: „Ich freu mich für sie. Wirklich, Ella, das kannst du mir glauben. Trotzdem war es ein harter Schlag an dem Abend. Ihr Neuer war mit dabei und die beiden strahlten und das allein war fast mehr, als ich in dem Moment ertragen konnte."

Sie nickte automatisch und merkte, wie ihre Finger kalt wurden, als er ihr seine Hand entzog, um sich durch seine Haare zu streichen. „Ich war neidisch. Auf ihr Glück. Weil ich – ich wollte glücklich sein. Aber ..."

„Aber sie hat dir deutlich vor Augen geführt, dass du das nie haben wirst." Er warf ihr einen bedauernden Blick zu und murmelte eine leise Zustimmung, ehe er sich etwas zu fangen schien und nach ihrer Hand griff. Sofort strömte wieder Wärme durch ihre Fingerspitzen und der Druck auf ihrer Brust ließ nach.

„Ella, das heißt nicht, dass ich nicht drüber hinweg bin. Die Sache mit Becca ist durch. Auch gefühlsmäßig. Ich ... ich kam nur an dem Abend überhaupt nicht mehr klar. Also wollte ich sie ignorieren. Ihr höchstens einen Gruß zuwerfen und weiterlaufen. Doch sie hat mich entdeckt und ist auf mich zu gekommen. Sie ist neben mir stehen geblieben und ich wollte einfach nur weg. Aber ich hab wie hypnotisiert auf ihren Bauch gesehen, danach wieder in das Gesicht ihres neuen Freundes, der mich argwöhnisch angesehen hat, dann zurück zu Beccas, die so stolz war..." Sie hörte, wie er schluckte und sah, wie er den Kopf schüttelte, als könne er damit verhindern, dass sich die Bilder erneut hinter seinen Augen festsetzten.

Ihr Mund war ganz ausgedörrt, weil sein Schmerz in Wellen von ihm ausging und sich in seinem Blick und seinen eingesunkenen Schultern manifestiert hatte. „Ich freue mich für sie. Wirklich. Sie wirkte unfassbar glücklich, hat mir ihren Freund vorgestellt – oder besser den neuen Verlobten. Sie wollen noch heiraten, bevor ihr Baby kommt – ein Sohn. Das hat sie mir alles erzählt wie ein Wasserfall..."

Er zuckte mit den Schultern und seine Augen wanderten ein weiteres Mal zum hellerleuchteten Weihnachtsbaum, um sich darin zu verfangen. „Zum Ende kam die Frage, wie es bei mir läuft. Ob ich jemand Neues hätte."

„Was du nicht bejahen konntest..." Jetzt flog sein Gesicht zurück zu ihr und er schüttelte den Kopf, ehe er mit den Schultern zuckte. Danach legte er ihn schief.

„Na ja, nicht ganz jedenfalls. Ich hab ihr erzählt, dass ich jemanden kennengelernt habe, aber da das Ende noch offen ist. Sie hat mir ihre Hand auf den Unterarm gelegt und mich so komisch angesehen. Ich kann dir nicht sagen, wie genau. Es war eine Mischung aus Mitleid und ... und ... ich weiß es nicht..." Offensichtlich kam nun die Stelle, die ihm so zusetzte, denn er entzog ihr seine Hand und sprang vom Sofa.

Sie beobachtete, wie er neben der Sofalehne auf und ab ging und sich dabei immer wieder durch sein Haar strich. Sein Unwohlsein schwappte zu ihr über und sie knetete automatisch ihre Hände. Plötzlich blieb er jedoch so abrupt stehen, dass sie instinktiv zusammenzuckte, weil er sich drohend vor ihr aufbaute. „Weißt du, was sie gesagt hat?"

„Nein. Was?" Er wirkte so betroffen und entrüstet, dass sich ihre Brust wieder fester zusammenzog. Er starrte sie mit gerunzelter Stirn an und sie bemerkte wie nebenbei, dass er seine Fäuste geballt hatte.

„Sie hat mich mit diesem Blick angesehen und gemeint: ‚Ach Ben. Ich wünsche dir so sehr, dass du irgendwann zu dem Punkt kommst, an dem du dich deinen Gefühlen öffnen und so eine Frau nah genug an dich heranlassen kannst, um eine richtige Liebesbeziehung zu führen.' Ich habe alles gegeben, was ich konnte!"

Ella nickte instinktiv und bemerkte, wie seine Augen blitzten. Sie verkniff es sich, zu sagen, was sie dachte. Wenn Ben zum Zeitpunkt seiner Diagnose so verletzt vom Schicksal gewesen war, wie sie vermutete, hatte er das in sich verborgen. Das hätte bedeutet, dass er sich Becca nicht geöffnet und ihr vielleicht das Gefühl gegeben hatte, mit der Enttäuschung alleine zu sein. Doch so weit war Ben noch nicht, das verriet seine Körperhaltung. Also schwieg sie.

„Ich meine – ok. Ich hab ... ich wusste nicht, wie ich damit umgehen soll. Es war mir zu viel zu der Zeit. Ich hab wie blöd an dieser App gebaut, mich darum gekümmert, dass sie verkauft wird, weil ich unbedingt wollte, dass unser Kind dann in einer schönen Umgebung aufwächst. Ich wollte meiner Mutter endlich irgendwas zurückgeben. Nebenbei die Tests, die Behandlungsversuche – nichts hat geklappt. Aber nicht ich hab die Hoffnung aufgegeben! Sie war das! Kaum, dass ich zumindest die Basis für unser künftiges Leben geschaffen und dieses Haus bauen lassen habe, dachte ich ... ich dachte ..."

Plötzlich schien jede Energie aus ihm herauszufließen und seine Schultern sackten nach vorne. Offenbar hatten ihn seine eigenen Gedanken erschrocken, denn er hatte die Augen kurz aufgerissen und biss sich nun auf die Unterlippe. Dann schlossen sich für einen Sekundenbruchteil seine Augenlider. „Scheiße."

Ein Zittern lief durch Ella und sie wollte vom Sofa springen und ihn in ihre Arme ziehen. Dennoch blieb sie einfach sitzen. Da musste Ben allein durch. Sie war nur stille Beobachterin. So lange, wie er das Wort nicht an sie richtete, hatte ihre Meinung keine Bedeutung. „Sie hatte Recht, oder? Ich hab mich darin irgendwie verloren. Und damit den Zugang zu ihr."

Als er die Augenlider öffnete, nickte Ella verhalten, ehe sie mit den Schultern zuckte. „Es ist verständlich. Du wusstest nicht damit umzugehen, dass etwas so vermeintlich Selbstverständliches für dich nicht gegolten hat. Ich glaube, es hat dir zusätzlich zugesetzt, Beccas Enttäuschung jedes Mal noch hautnah mitzubekommen, sodass du dich abgeschottet hast. Um dich nicht mit ihren Gefühlen belasten zu müssen und um über deine hinweggehen zu können."

Sie sah, wie er trocken schluckte und sich durch sein Haar strich, ehe sein Blick sich auf den Boden senkte. „Dann hatte sie recht. Es war meine Schuld, dass es nicht mehr geklappt hat."

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Rainbow Clouds - Weil Sonne und Regen sich vereinenKde žijí příběhy. Začni objevovat