zwölf

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Am nächsten Tag bin ich nach der Schule zu Hause und sitze allein in meinem Zimmer an meinen Hausaufgaben, als es an der Tür klingelt. Ich laufe die Treppe herunter und schaue durch das Fenster – Josh steht erwartungsvoll |vor der Haustür. Ich seufze genervt auf, bevor ich die Tür öffne. „Hi.", sage ich mit einem fragenden Unterton.

„Hey.", antwortet er. Als ich mich nicht rege, zieht er fragend eine Augenbraue hoch. „Darf ich reinkommen?"

„Äh, ja.", sage ich und trete einen Schritt beiseite. „Theo ist allerdings noch beim Handball."

Josh seufzt, während er die Schuhe auszieht. „Wir waren eigentlich jetzt verabredet. Aber dann hat er wohl seinen Terminplan durcheinandergebracht."

„Er sollte auch eigentlich gleich kommen.", sage ich. „Spätestens in einer halben Stunde."

„Na gut. Dann muss ich so lang mit dir Vorlieb nehmen.", sagt er grinsend. „Habt ihr was zu trinken da?"

Ich nicke und laufe in die Küche. Josh folgt mir. „Was möchtest du? Wir hätten Wasser, Saft, Cola...", zähle ich auf. Dann gerate ich ins Stocken. Josh steht direkt hinter mir, nur ein paar Zentimeter entfernt. So nah, dass ich schon die Wärme seines Körpers spüren kann. Meine Hüfte lehnt an der Arbeitsplatte, ich habe absolut keinen Raum mehr, um irgendwie auszuweichen.

Josh stützt seine Arme rechts und links neben meinem Körper ab. Ich schlucke. Plötzlich kann ich nicht mehr reden oder sonst irgendwie reagieren. Wenn er mir so nah ist, bin ich mit ein4m Mal völlig handlungsunfähig. Was macht er nur mit mir?

Jetzt legt Josh seine Hände an meine Seiten, streift federleicht über meine Taille und schlingt die Arme anschließend um meinen Bauch.

„Was... machst du?", bringe ich mit zitternder Stimme hervor.

„Ich lasse dich gut fühlen.", flüstert er. Seine Lippen sind nur Zentimeter von meinem Ohr entfernt. „Oder etwa nicht?"

„Doch.", gebe ich nach einem kurzen Zögern flüsternd zu. Ich weiß, dass das hier nicht richtig ist. Und trotzdem kann ich irgendwie nicht anders, als es schön zu finden.

Als wäre das sein Zeichen, legt Josh seine Lippen federleicht auf meine nackte Schulter. Anschließend wandern sie weiter meinen Hals entlang. Ich schließe die Augen. Meine Atmung geht stoßweise. Mein Verstand hat sich ausgeschaltet.

„Du riechst gut.", sagt Josh leise. Er klingt ganz anders als sonst. Irgendwie ruhiger.

„Danke.", antworte ich. Langsam drehe ich mich in seinen Armen um, bis wir uns direkt anschauen. Seine Augen funkeln wieder grünlich. Sie sehen ehrlich aus in diesem Moment. Zögerlich hebe ich meine Hände und lege sie an Joshs Brust. Ich kann seinen Herzschlag spüren. Er kommt mir schneller vor als normal.

„Irgendetwas machst du mit, Malu.", sagt Josh. Er mustert mein Gesicht langsam und ausgiebig, als wäre ich ein großes Rätsel, das es zu lösen gilt.

„Du machst auch irgendetwas mit mir.", erwidere ich. „Du verwirrst mich vor allem."

„Du mich auch." Joshs Blick bleibt, nachdem er mein Gesicht ausgiebig gemustert hat, an meinen Lippen hängen. „Ich würde dich gerade gerne küssen."

Meine Vernunft schreit, dass ich es nicht tun sollte. Dass ich mich schnell so weit wie möglich von ihm entfernen sollte, um wieder klar denken zu können, und dass ich einen Kuss in jedem Fall bereuen würde. Vor allem, da es mein erster Kuss wäre.

Mein Herz schreit etwas anderes. Und so antworte ich, indem ich meine Lippen auf seine lege.

Josh seufzt überrascht auf und zögert eine Sekunde. Dann vergräbt er seine Hand in meinem Haar und erwidert den Kuss. Seine Lippen sind weich und warm und scheinen perfekt zu meinen zu passen. Ich habe schon viel darüber nachgedacht, wie es ist, jemanden zu küssen und wie man es am besten macht. Jetzt habe ich die Antwort. Es ist ganz einfach. Es fühlt sich natürlich an, als wüsste ich genau, was ich tun muss.

Ich kann nicht einschätzen, wie viel Zeit vergeht – es können zwei oder zwanzig Minuten sein. Josh und ich lösen uns erst voneinander, als wir den Schlüssel in der Haustür hören. Ich gehe ein paar große Schritte zur Seite. „Hallo!", höre ich Theos Stimme aus dem Flur.

„Hallo!", antworte ich und versuche, es so natürlich wie möglich klingen zu lassen. Ich bin mir jedoch ziemlich sicher, dass mir das nicht gelingt. Hektisch bringe ich Ordnung in meine Haare, die Josh ziemlich zerzaust hat.

Theo betritt die Küche. Sein Blick wandert zu Josh. „Hey. Sorry, ich bin etwas spät dran."

Josh winkt ab. „Kein Problem. Ich bin auch gerade erst da." Joshs Haare wirken ebenfalls zerzaust, seine Lippen sind verdächtig gerötet.

„Genau.", sage ich bekräftigend. „Ich wollte Josh gerade etwas zu trinken geben.", mit diesen Worten wende ich mich wieder dem Kühlschrank zu.

„Ein Saft wäre perfekt.", sagt Josh.

Während ich ihm ein großes Glas Saft einschenke, schaut Theo uns stirnrunzelnd an. „Ist was passiert? Ihr benehmt euch irgendwie komisch.", sagt er.

Ich schüttele unschuldig den Kopf. „Nö, alles bestens."

„Habt ihr euch schon wieder gestritten?", hakt Theo nach.

Josh grinst. „Wir verstehen uns hervorragend, mach dir mal keine Sorgen."

Theo schaut ihn irritiert an, verlässt dann aber ohne ein weiteres Wort die Küche, um seine Jacke aufzuhängen. Joshs und mein Blick treffen uns noch einmal. Ich laufe rot an. „Ich gehe dann auch mal hoch.", sage ich schließlich und verlasse fluchtartig die Küche.

In meinem Zimmer lasse ich mich auf mein Bett fallen und muss erst einmal durchatmen. Was war das denn bitte? Was ist da gerade passiert?

Josh und ich haben uns geküsst. Und zwar so richtig. Das komische ist, dass es nicht einmal schlecht war. Im Gegenteil, es war so gut, dass ich es beim besten Willen nicht bereuen kann. Theo würde ausrasten, wenn er davon wüsste, da bin ich mir sicher. Er versucht mich schon immer vor jedem männlichen Wesen fernzuhalten und zu beschützen. Dass ausgerechnet sein bester Freund diese Grenze überschreitet, würde Theo nicht verkraften. Er darf unter keinen Umständen davon erfahren.

Für den Rest des Tages, kann ich mich nicht mehr konzentrieren. Im Nebenzimmer sind die Stimmen von Theo und Josh zu hören. Es kommt mir vor, als könnte ich noch immer Joshs Hände an meinem Nacken und seine Lippen auf meinen spüren.

controlWhere stories live. Discover now