einundvierzig

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Hey, bevor das Kapitel losgeht - es tut mir furchtbar leid, dass ich so lange nichts geschrieben habe! Ich habe mir leider vor ein paar Wochen den Arm gebrochen und konnte deshalb ziemlich lange überhaupt nicht tippen; dann kam die Klausurenphase dazwischen... Ab jetzt kommen hoffentlich wieder etwas regelmäßigere Updates! Und jetzt viel Spaß beim Lesen <3 

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Ich schnappe mir mein Kopfkissen und halte mich daran fest, als wäre es eine Boje und ich eine Ertrinkende. Genauso fühle ich mich gerade - als würde ich ertrinken. Vielleicht tue ich das schon lange, nur dass mir jetzt gerade endgültig die Kraft ausgeht. Und dass alles, was mich vorher noch oben gehalten hat, plötzlich weg ist. Jetzt ist da nur noch die Tiefe unter mir und das ganze Gewicht, das mich unter die Oberfläche zieht.

Die Tränen rinnen stumm über mein Gesicht und versickern dann in dem Kissen. Fuck, ich bin so kaputt. Ich kann nicht mehr. Warum muss es in meinem Leben immer nur bergab gehen? Warum kann nicht einfach mal wieder etwas gut laufen? Warum kommen immer nur noch mehr Rückschläge?

Wenn ich eins in den letzten Jahren gelernt habe, dann, dass Glück nie von Dauer ist. Immer wenn ich geglaubt habe, an einem Punkt zu sein, an dem endlich wieder alles gut ist, kam etwas dazwischen - meistens meine Krankheit. Und jetzt eben meine Krankheit und Josh. Warum kann nicht irgendwann mal alles leicht sein?

Warum, verdammt, kann ich nicht einen normalen, gesunden Körper haben? Egal, wie er aussieht, Hauptsache ein Körper, der funktioniert und seinen Zweck erfüllt und nicht ständig einen Anfall bekommt. Das Leben könnte so viel einfacher sein. Stattdessen habe ich diesen Körper, dieses bekloppte Gehirn bekommen, auf das einfach kein Verlass ist. 

Ich höre, wie sich die Tür meines Zimmers öffnet. Egal wer es ist, ich will niemanden sehen. Keine Ärztin, keinen Pfleger, nicht meine Familie. Niemand ist in der Lage, es irgendwie besser zu machen. Trotzdem höre ich Schritte, die sich eilig meinem Bett nähern. Es ist Mama. 

"Bitte geh.", bringe ich hervor, doch meine Stimme ist viel zu leise, um sich irgendwie durchsetzen zu können. Mama reagiert nicht auf meine Worte, stattdessen setzt sie sich auf die Kante von meinem Bett und legt wortlos die Hand auf meinen Rücken. Auch wenn die Wärme ihrer Hand irgendwie gut tut - in diesem Moment kann sie mir nicht helfen. Und ich will nicht, dass sie mich so sieht. Ich will nicht reden, ich will keine doofen Ratschläge. Ich will einfach nur alleine sein.

"Bitte geh einfach.", sage ich noch einmal verzweifelt, doch meine Worte gehen in einem Schluchzen unter.

Mama streift ihre Schuhe ab und setzt sich vollständig aufs Bett, nur um mich dann an sich zu ziehen. Ihre Arme umschlingen mich fest. Ab diesem Moment ist es vorbei mit meiner Beherrschung und ich werde nur immer wieder von neuen Schluchzern geschüttelt. Mama streicht mir beruhigend über den Kopf.

"Es tut mir Leid.", wimmere ich atemlos. "Ich wollte dich nicht anschreien. Ich wollte mich nicht mit dir streiten. Und ich will nicht immer eine Last sein."

Mamas Hand streicht über meinen Kopf. "Hör auf. Der Streit ist längst vergessen. Und für alles andere solltest du dich niemals entschuldigen. Du bist keine Last."

Ich erwidere nichts. Eigentlich, rational und vernünftig gesehen, weiß ich das ja auch. Ich kann nichts für meine Krankheit. Aber in Momenten wie diesen, in denen ich nur voller Selbstzweifel und Selbsthass bin, fühle ich mich, als wäre es ohne mich für alle leichter. Als wären alle am Besten dran, wenn ich einfach nicht existieren würde.

"Ich kann nicht mehr.", sage ich irgendwann leise. Ich hoffe, dass Mama versteht, was ich damit meine. Das alles. Ich kann nicht mehr so tun, als würde es mir gut gehen. Ich kann nicht mehr ein normales Leben führen, trotz der Krankheit. Ich kann nicht mehr kämpfen und stark sein. Die Pause, die ich mir von diesen Schulferien so sehr erhofft hatte, wurde mir leider nicht gegönnt. 

Mama löst sich von mir und bringt etwas Platz zwischen uns. Ich liege völlig ausgelaugt auf dem Bett. Mama sieht mich ernst an und nickt dann. Sie sieht aus, als wäre sie auf dieses Gespräch vorbereitet gewesen. "Ich weiß. Es ist alles nicht leicht im Moment. Niemand würde das auf Dauer aushalten. Malu, ich glaube, du brauchst Hilfe. Professionelle Hilfe, von einem Psychotherapeuten oder einer Therapeutin."

Sobald sie diese Worte ausgesprochen hat, kullern wieder Tränen über meine Wangen. Wie kann mein Körper so viel davon produzieren? Ich wische sie mit einer Handbewegung weg. Dann nicke ich. Sie hat Recht, es gibt hier nichts zu diskutieren. Ich brauche psychologische Hilfe. Mir geht es nicht gut und ich will das alles nicht mehr völlig alleine tragen müssen.

"Es gibt Selbsthilfegruppen, die hier im Krankenhaus stattfinden.", sagt Mama ruhig. "Oder vielleicht wäre eine Einzeltherapie etwas für dich. Du kannst ja mal in Ruhe darüber nachdenken. Wir bekommen das alles hin."

Ich bin immer noch am Weinen, aber es ist ein ruhiges Weinen. Ich liege einfach nur da, lasse die Tränen über mein Gesicht kullern und warte ab, bis es vorbei ist. Ich bin wahnsinnig müde und erschöpft. Doch durch das Gespräch mit Mama habe ich das Gefühl und die Hoffnung, dass es vielleicht wenigstens ein bisschen besser werden kann. Auch wenn sich die Umstände durch eine Therapie nicht verändern werden - meine Gefühle können sich verändern. Und das wäre schon einmal sehr viel wert. Ich brauche von irgendwoher wieder neue Kraft.

controlWhere stories live. Discover now