dreizehn

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Besenkammer neben der Toilette, erste große Pause. Diese Nachricht blinkt im Unterricht auf meinem Handy auf. Ich schaue mich kurz um, aber glücklicherweise scheint sich niemand besonders für mein Handy zu interessieren. Die Nachricht stammt von Josh. Seine Nummer habe ich eingespeichert, auch wenn wir bisher nur ganz selten über belanglose Sachen geschrieben haben, bei denen es fast immer um Theo ging.

Ich zögere. Dann reagiere ich mit einem Daumen nach oben. Ich unterdrücke ein Grinsen. Bin ich verknallt? Zumindest fühle ich mich ein bisschen so. Aber ausgerechnet in einen Idioten wie Josh, das darf doch echt nicht wahr sein. Vielleicht gehen auch einfach die Hormone mit mir durch, nachdem ich gestern meinen ersten Kuss hatte.

In der Pause gehe ich betont gelassen erst zu meinem Schließfach, um meine Sachen einzuschließen. Dann mache ich mich auf den Weg zu besagter Besenkammer. Schon etliche Male bin ich hier vorbeigelaufen, ohne auch nur ansatzweise auf den Gedanken zu kommen, dass ich mich hier eines Tages zum Knutschen verabreden würde.

Der Flur ist relativ leer und niemand achtet auf mich, als ich leise die Tür zu der Kammer öffne.

Eine Hand zieht mich sanft hinein und schließt anschließend geräuschlos die Tür. Es ist stockfinster hier drin und ich kann absolut nichts sehen. Trotzdem erkenne ich Josh sofort - an der Art, wie sich seine Hand anfühlt, an seinem Geruch, an seiner Präsenz und der Wärme, die von ihm ausgeht. „Hey. Da bist du ja.", sagt er leise.

„Hi.", erwidere ich flüsternd. Meine Hände tasten nach Josh. Ich spüre seine Hände an meinem Nacken. Im nächsten Moment legt er seine Lippen auf meine. Ich erwidere den Kuss sofort, ohne dass ich darüber nachdenken könnte, was ich tue. Er fühlt sich genauso gut an wie gestern, vielleicht sogar besser. Ich fühle mich, als könnte ich nie genug davon bekommen. Wie habe ich es nur all die Jahre ohne das hier ausgehalten? Ich fahre mit meinen Händen unter Joshs T-Shirt, um seine warme Haut zu spüren. Ich will ihm so nah wie möglich sein, bis kein Blatt mehr zwischen uns passt.

„Oh Malu, wo hast du nur so verdammt gut küssen gelernt?", fragt Josh schließlich und streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Langsam haben sich meine Augen an die Dunkelheit der Kammer gewöhnt und ich kann wenigstens seine Konturen erkennen.

Ich lache leise auf. „Da kommst eigentlich nur du in Frage."

Josh verharrt in seiner Bewegung. „War ich... dein erster Kuss?"

„Wusstest du das etwas nicht?", frage ich zurück. Ich dachte eigentlich, dass das ein offenes Geheimnis wäre.

„Keine Ahnung.", sagt er stockend. „Ich hoffe bloß, ich war keine Enttäuschung. Und dass du es nicht bereust."

„Auf keinen Fall.", flüstere ich, bevor ich wieder meine Lippen auf seine lege – diesmal für einen kurzen, sanften Kuss, der weniger stürmisch ist als der davor. Josh legt seine Stirn an meine und ich schließe für einen Moment die Augen. Irgendwie schafft er es, dass ich mich gleichzeitig beflügelt und beruhigt fühle. Mein Herz will gleichzeitig rasen und zur Ruhe kommen. 

„Theo darf hiervon nie etwas erfahren. Unter keinen Umständen.", spreche ich schließlich das aus, was mich am meisten beschäftigt.

„Stimmt.", sagt Josh. „Er wäre gar nicht begeistert."

„Mhm.", mache ich. Ich versuche, nicht darüber nachzudenken, wie das auf Dauer funktionieren soll. Vermutlich wird es ohnehin nichts Langfristiges sein. Doch ich schiebe den Gedanken hastig beiseite und versuche, einfach weiter den Moment zu genießen.

„Ich will trotzdem gerne Zeit mit dir verbringen.", sagt Josh. „Mit dir allein. Kannst du morgen? Du könntest zu mir kommen."

Ich nicke, ohne lange zu zögern. „Sehr gerne. Ich habe Zeit.", sage ich.

„Okay.", sagt Josh. Auch wenn ich ihn in der Dunkelheit immer noch nicht richtig erkennen kann, kann ich das Lächeln aus seiner Stimme hören. „Ich denke, wir sollten langsam mal rausgehen. Die Pause dürfte bald rum sein."

Ich nicke schwermütig und löse mich langsam von ihm. Josh öffnet die Tür, wirft einen Blick in den Flur und nickt dann. Er sieht ein bisschen aus wie ein Geheimagent. Nacheinander verlassen wir die Besenkammer. Im Flur lächelt er mich noch einmal an und mustert mich für ein paar Sekunden. „Schön, dich zu sehen, Malu."

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