Angst am Tag der Hochzeit

1.3K 59 0
                                    

N a t h a n

»Die Hochzeit naht, schon Muffensausen?«, belustigt schnaubt mein Cousin, der sich mir Gegenüber gestellt hat und dabei zusieht, wie ich die Manschettenknöpfe an meinem Ärmel anbringe.

Sein Maßgeschneiderter Anzug lässt ihn, wie ein Geschäftsmann, aussehen und das wirkliche hinter seiner Grimasse vergessen. Nur weiß ich zu gut, was er für Hintergedanken hegt. »Nähere dich ihr und du bist tot.«, lächelnd sehe ich ihn an und richte meine Ärmel, bevor ich mich meinem Jackett widme.

»Alles klar!«, er hebt seine Hände, als ob er nicht wüsste von was ich rede. Er gibt vor nicht das zu tun, was er immer tut. Den Männern seinen Frauen stehlen. »Habt ihr den, der bei euch eingebrochen ist, längst geschnappt?«, neugierig lugt er zu mir, da ich mich ihm weggedreht habe.

Mich nervt es, dass er ausgerechnet jetzt, das Thema ansprechen muss. »Nein, aber mein Vater ist dem noch auf der Spur.«, sage ich und stoße Luft aus. Ich bin angespannter, als ich sein will und geplant habe.

Schließlich ist es nur eine arrangierte Hochzeit, der ich gezwungener Maßen einwilligen musste. Doch so schlimm klingt der Gedanke nicht mehr. Zoé raubt mir den letzten nerv und doch, verspüre ich das Verlangen sie in meiner nähe zu behalten.

»Immer noch? Das ist jetzt schon knapp 6 Monate her.«, er reibt sich sein Nasenrücken. »An eurer stelle—«

»Halt endlich die Klappe, Ramon.«, genervt seufze ich und fahre mit meinen Händen über mein Gesicht. »Heute ist eine Hochzeit und keine Konferenz, an der du zu bedenken geben kannst, dass ihr den Verräter längst gefunden hättet.«

Erneut hebt er ergeben seine Hände und grinst schelmisch. »Liebst du sie?«, überrascht über diese plötzliche Frage, wende ich mich ihm gänzlich zu. Wie kommt er plötzlich auf diesen Mist?

»Nein.«, entkommt es mir und ein seltsames Gefühl durchfährt mich, das ich schier ignoriere. »Ehrlich? Dann kann ich mir sie doch-«

»Nein.«, wiederhole ich und packe ihm an seinen kragen. »Fasse sie oder eines meiner noch ungeborenen Kinder an, dann unterschreibst du dein persönliches Todesurteil.«, drohe ich und sorge dafür, dass er zu Boden knallt.

»Und du willst mir sagen, dass du sie nicht liebst.«, er lacht rau auf und fährt durch sein unordentliches Haar, während er sich zurücklehnt und ich klar erkennen kann, wie sich Schweißperlen auf seine Stirn bilden.

»Hör auf solch ein Scheiß von dir zu geben.«, murmle ich und blicke zur Tür, hinter der ich laute Geräusche vernehme. »Bevor du behauptest, ich würde jemanden lieben, lerne es bei einer Frau zu bleiben.«, ich richte meine Fliege und stemme danach meine Arme an meinen Hüften.

»Du bist echt—«

»Mr. Fernández.«, ertönt es und plötzlich wird die Tür mit einem Ruck aufgerissen. Stirnrunzelnd starre ich ihn an. »Was gibt's?«

Heute, an dem Hochzeitstag und dem Tag des endgültigen Vollzug des Bündnis wollte ich, dass nichts dazwischen funkt. Dieser Tag ist wichtig für alle, die etwas damit zu tun haben und sollte somit reibungslos und ohne Komplikationen verlaufen, da ich sowieso für alles gesorgt habe.

»Mr. Fernández, ihre Verlobte sie—«, er atmet laut die Luft ein. »—sie ist verschwunden!«, mein Herz setzt aus, als er den letzten Satz schon fast brüllt. »Was!«, entfährt es mir und völlig aufgebracht verlasse ich den Raum, in dem ich mich die ganze Zeit aufgehalten habe um mich fertig zu machen.

»Wie kann das sein? Was ist passiert?«

»Nun rücken Sie schon mit den Informationen raus.«, mischt sich mein Cousin mit Nachdruck an. Mein Herz rast fest gegen meine Rippen und ich spüre, wie ich keine Luft mehr bekomme. Zoé ist weg?

Meine Sorgen, dass ihr etwas passiert sein könnte, wachsen samt der Panik, die in diesem Gebäude herrscht. »Sir, Ihr Vater war vorhin bei ihr und wenige Minuten später, nachdem er ihr Zimmer verlassen hat, war sie plötzlich verschwunden.«

Meine Augen weiten sich und ruckartig drehe ich mich zu ihm um. »Ihr habt es zugelassen, dass mein Vater ihr Zimmer betritt, ohne mir auch nur ein Sterbens Wörtchen zu sagen?!«, meine Stimme hallt laut durch die Flure.

Die Wut in mir droht, wie ein Fass Wasser, zu überschwappen. »Ich hatte euch ausdrücklich befohlen meinen Vater, oder sonst wen aus meiner Familie, nicht in ihrer Nähe zu lassen!«, wütend erhebe ich meine Faust, doch senke ich diese direkt, denn ich habe gerade wichtigere Prioritäten.

Den Angestellten werde ich später, wenn wir Zoé gefunden haben, deren Leviten lesen. »Sucht sie mit allen Mitteln und wehe ihr geht es nicht gut.«, er zuckt zusammen, ehe er nickt und sich weiter auf die Suche nach ihr macht.

Ich sehe mein Cousin an, dessen braunen Augen mich ebenso eindringlich ansehen. Wir wissen beide, dass mein Vater etwas in Schilde führt und etwas getan haben muss, dass Zoé plötzlich weg ist.

Doch, zum ersten mal habe ich, so richtig Angst um jemanden. Nicht einmal, als mein Vater an einer tödlichen Schusswunde litt, habe ich je solche Angst verspürt wie jetzt.

Angst ist etwas, dass mein Vater mir immer verboten hat, denn Angst ist etwas für Feiglinge. Wenn ich eins gelernt habe, dann dass man in solchen Momenten ruhe bewahren soll. Tief Luft holend versuche ich mich zu erinnern, was in diesem Moment hilfreich sein kann.

Auch nur das kleinste Detail kann mir dazu verhelfen, sie zu finden. »Ich suche mit einer Gruppe außerhalb dieses Geländes, falls sie das Gelände verlassen haben sollte, dann wird sie nicht weit gekommen sein.«

Bestätigend nicke ich, weswegen er sich kurz darauf auf den Weg nach draußen macht. Wenn ihr etwas passiert, dann bekäme nicht nur ich Probleme, sondern auch die gesamte Familie. Die Sánchez sind nicht zu unterschätzen, denn sie haben weit aus mehr Macht und Ressourcen als wir.

Dennoch sind auch wir nicht zu Unterschätzen.

Ich atme durch, bevor ich das Gebäude verlasse, um einmal tief nach frischer Luft zu schnappen. Der kühle Wind empfängt mich und lässt meine Nacken Haare aufstellen. Mein Blick fällt runter zum See des Vorgartens und auf einmal fiel ein Groschen vor meinen Augen.

Mein Herz rast, als ich die Vermutung aufstelle, dass sie unter der Trauerweide, dessen Blätter bis zum Boden herab hängen und somit ein gutes Versteck gewährleisten, weilt.

Mr. & Mrs. Sánchez 1✔️Where stories live. Discover now