Lodernde Wut

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N a t h a n

Nach der Stille, ein lauter Schuss.

Hallend durch den Saal der Kirche, erklingt der Schuss einer Waffe und dann ein weiteres, gedämpftes Geräusch. Mit dunklen Augen starre ich, auf die Leiche, vor meinen Füßen.

Sein Blut breitet sich auf den wunderbaren weißen Stoff aus, welches mit blauen Blüten geschmückt ist. Zoé sollte, nach den Blumenmädchen den Weg entlang schreiten und mich mit ihren grauen Augen ansehen.

»Krepier.«, ein weiterer Schuss fällt und der Mann zuckt, die Gäste werden unruhig, aber bleiben still. Sie wissen, wenn ihnen etwas an ihr Leben liegt, dann müssen sie leise sein.

Kinder schreien, wegen den hallenden Geräuschen der Schüsse und Personen, die scharf die Luft einatmen.

Das weiß wird zu Blut rot. Zorn steigt in mir auf, wie ein wütender Sturm. »Sie ist Weg!«, ertönt die Stimme eines mir vertrauten und wiederholt das, was mir der Bodyguard, der zuständig für den Schutz ist, zuvor auch beigebracht hat.

»Nathan verdammt, es sind Kinder anwesend!«, staucht mich mein Cousin zusammen, doch habe ich gerade keine Zeit für Sympathie.

Den Arm, mit der Waffe in der Hand, lasse ich nieder und wende meinen Blick zu Zoé's Bruder. »Wo ist sie?«, frage ich harsch und erwarte eine Antwort. Ich habe vieles Falsch gemacht und weiß, dass ich es wieder gutmachen muss.

Ein Fehler, den ich wieder begleichen und korrigieren muss.

»Wir Wissens nicht. Das Auto, in dem sie hätte sein müssen, ist weiter gefahren. Meine Familie geht der Spur nach.«, instinktiv blicke ich zu meinem Vater, dessen Miene nichts weiter als Verachtung deutet und dennoch werde ich das stumpfe Gefühl nicht los, dass er etwas damit zu tun hat.

Ist es wieder nur ein dummer Streich, und sie hält sich irgendwo in der Nähe auf? In meinem Kopf ist es laut, vor Gedanken.

Mache ich etwas falsch?

Ist es vielleicht ein Zeichen, dass ich sie gehen lassen soll, egal was unsere Familien sagen?

»Vater—«, ich zügle meinen Zorn und richte meine Pistole auf ihn. »—Ich schwöre, wenn ich sie nicht finde, dann werde ich dich eigenhändig töten.«

Mit schnellen Schritten gehe ich auf Ryan zu, dessen Pupillen geweitet sind. »Du bist schräg.«, sagt er und rauft sich sein Haar. »Danke, aber ich habe keine Zeit für Späßchen, Zoé und meine Kinder sind in Gefahr.«

Wie kann an einem Tag, nur so viel schief gehen?

»Tut mir leid, falls dein Sohn das mitbekommen hat.«, murmle ich und deute auf den toten Mann, der nun am Boden liegt, hin. »Er liegt draußen in Kinderwagen, weil er beruhigt werden sollte.«, klärt er mich auf.

Nickend ziehe ich, mein Handy aus meiner Hosentasche und wähle bewusst die Nummer von Zoé. Ich höre mein eigenes Herz schlagen, als ich mein Handy ans Ohr lege und dem piepen lausche.

Ryan beobachtet mich und schüttelt kaum merklich seinen Kopf, um mir zu verdeutlichen, dass es keinen Sinn hat, sie anzurufen.

Dieses Mal scheint es ernster zu sein, als es vorhin, unter der Trauerweide gewesen ist.

»Fangt von vorne an, von dem Punkt, an dem sie sich umzog.«, fordere ich meine Männer auf. »Meine Familie kümmert sich um die Kameras in der Umgebung und weiter.«

Ich nicke. »Ich werde mich selbst um die Angestellten kümmern und jeden einzelnen Foltern, wenn es sein muss.«, meine Hände ballen sich zu Fäusten, dass die Adern raus ragten.

»Fang bei den an, die ihr in den letzten vier Monaten eingestellt habt.«, empfehlt mir Ryan. »Ich habe da eine Vermutung.«

»Die wäre?«, doch noch bevor er reden kann, hebe ich bereits meine Hand. »Jemand muss sich, als wir umgezogen sind, als Angestellter ausgegeben haben.«, ich fasse mir an meinem Nasenrücken und schließe meine Augen.

Ein Adrenalin stoß durchfährt meinen gesamten Körper und doch, hindere ich mich selbst daran, jemanden die Kugel zu geben. »Ja.«, stimmt mir Ryan zu und nickt nachdenklich, als würde ihm dennoch etwas bedrücken.

So plausibel die Erklärung auch scheint, so merkwürdig ist das Gefühl, das in mir hütet. Eine Welle von Unwissen und Unwohlsein kommt über mich her, sagt mir, dass sich schon sehr bald etwas ändern wird.

»Wir müssen Zoé finden.«, flüstere ich schon fast verzweifelt und wähle, wie in Trance, ständig ihre Nummer. Doch aus dem piepen, ertönt nichts weiter.

Dabei möchte ich, nur ihre Stimme hören.

Ich möchte wissen, ob es ihr gut geht. Aber vor allem möchte ich, dass der, der sie entführt hat, leidet. »Wir werden sie finden.«

Mein Blick fällt auf Ryan, den ich eben anschnauzen wollte, warum er so ruhig ist, wenn es doch seine Schwester ist, die entführt wurde. Doch bleibe ich still, als ich seinen unermüdlichen dunklen Blick, in die Ferne schweifen, sah.

Die Gäste zögern nicht lange und verlassen die Kirche, um nicht selbst Opfer einer meiner Taten zu werden. Mir wird schlecht bei dem Gedanken, dass mein Vater schuld an dem ganzen ist.

Was hat er vorhin bloß zu ihr gesagt?

Wir sehen uns an, mein Vater und ich. Er wirkt so zufrieden, dass ein schmieriges Grinsen seine Lippen ziert und ich das Verlangen verspüre, ihm meine Faust kennenlernen zu lassen.

Seine Zufriedenheit kotzt mich an und mit viel zu schnellen Schritten gehe ich geradewegs auf ihn zu. Alle sogen scharf die Luft ein, während sie das Spektakel, mit großen Augen, ansehen. »Wo zum Henker ist Zoé?!«, vor Wut getrieben packe ich ihn am Kragen und hole bereits mit meiner Faust aus.

Die wenigen, vernünftigen Wachmänner meines Vaters — seine Schoßhündchen — zücken bereits ihre Waffen und richten diese unvoreingenommen auf mich.

Unschuldig hebt mein Vater die Hände in die Lüfte und nähert seinen Kopf meinem. »Ich habe damit nichts zu tun.«, sagt er, doch beteuere ich darauf, dass er lügt.

»Nathan, selbst wenn ich diese Schnepfe entführt hätte—«, mit einem Ruck, liegt er auf den Boden. »Nenne sie nicht Schnepfe.«, warnend starre ich in die blau-grauen Augen meines Vaters.

»Du bist geblendet, mein Sohn. Du siehst vor lauter Verzweiflung, die Zukunft, nicht.«, er hebt seine Hand, damit seine Leute nicht auf mich schießen, selbst wenn er mir damit eine Lektion verpassen und ihm das nur höchst amüsieren würde. »Der einzige, der nicht in die Zukunft schauen kann, bist einzig und allein du!«

Meine Augen wandern zu meiner Mutter, weswegen ich verächtlich mit meiner Zunge schnalze. Nie ist sie je da gewesen, selbst in Zeiten, wo ich sie am meisten gebraucht habe. Zeiten wie diese.

Mr. & Mrs. Sánchez 1✔️Where stories live. Discover now