Tränen in meinem Gesicht

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N a t h a n

Trostlos erscheint jene Welt. Mir ist nicht bewusst, wie lange ich hier stehe und die Wand mit einem Kaffee in der Hand anstarre. Der Kaffee beginnt seine Wirkung zu verlieren und meine Laune droht immer wieder in den Keller zu rutschen.

»Alter, du siehst aus, wie ein Zombie.«, mein Blick fällt auf den Störenfried, der sich über mein Aussehen lustig macht. Augenverdrehend lasse ich mich auf meinen Bürostuhl nieder und seufze angestrengt. »Wie viel Kaffeeintus?«, er hebt fragend seine Augenbrauen und setzt sich mir gegenüber.

»Sag mir lieber, wie weit ihr gekommen seid.«, abschweifend von seiner Frage, nehme ich bereits einen dritten Schluck, meines siebten Kaffees, in den letzten zwölf Stunden.

Schlaf ist das letzte, das ich jetzt brauche und doch weiß ich, dass ich Fit sein muss, wenn es darauf ankommt, um Zoé zurückzubekommen. »Wie lange hast du nicht mehr geschlafen? Drei Tage?«

»Ramon.«, mit ernster und drohender Tonlage starre ich ihn an. »Nathan, zwei Monate ist es jetzt schon her, denkst du, sie lebt noch?«

Mein Herz schlägt, um eine Nuance, höher. »Sag mir einfach, was ihr habt.«, fahre ich ihn an. Seine Miene zuckt, bevor er sich vorlehnt und ernst wirkt. »Wir haben das Auto, in dem Zoé transportiert wurde, gefunden. Allerdings ist es ein einziges Klumpen.«

Gänsehaut legt sich auf meine Haut. »Im Auto allerdings befanden sich Blutspuren, Nathan.«, ein undefinierbares Gefühl durchfährt mein gesamten Körper und es fühlt sich an, als würde mir mein Herz aus der Brust springen.

Vor meinem inneren Auge sehe ich sie, wie sie Blut verschmiert auf den Boden liegt und längst nicht mehr atmet. »Wen gehört das Blut?«

Obwohl ich die Frage ausspreche, bleibt sie in meinem Hals stecken. Es fühlt sich an, als würde sich ein Stacheldraht um meinen Hals legen. »Es ist Zoé's.«

Von Allen Antworten, die es gibt, habe ich von dieser Antwort abgewägt. In meinen Augen macht sich das Brennen der Tränen breit und doch bleibe ich eisern. »Wie viel ist es?«

»Geht ihr davon aus, dass sie—«, ich wage es nicht, dass auszusprechen, das wir am allermeisten dachten. »Es ist zu wenig, um zu sagen, dass sie nicht mehr lebt. Aber ausschließen würde ich es dennoch nicht.«

Ich lehne mich im Stuhl zurück. »Wurden nach Fingerabdrücken geprüft?«, frage ich und lasse mir dabei nicht anmerken, was für eine Welle von Gefühlen mich durchströmen. »Bis auf die von Zoé und dem des Mannes, der sie fuhr, haben wir keine weiteren gefunden.«, er schiebt mir ein Brief entgegen. »Aber ...«, er tippt auf den weißen Umschlag.

»Ein Haar, das von jemanden stammt, die allerdings nicht in der Datenbank steht, war ebenso dabei. Wir nehmen bereits Proben von den Angestellten und dann von den Gästen, die an jenem Tag anwesend gewesen waren.«

Mit einem nicken bestätige ich, dass sie sich austoben dürfen, um sie zu finden. Sollten sie jedoch versagen, wissen sie was auf sie zukommt. Mich kränkt es, nicht zu wissen, wie es ihr geht, wenn es doch nur eine Nachricht ist, in der sie spricht, mich an tadelt und von der Schwangerschaft erzählt.

»Du solltest wenigstens ein paar Stunden schlafen.«, ratet mir Ramon, der sich vom Stuhl erhebt und sich selbst erschöpft durch sein Haar fährt. Ich hebe meine Tasse mit Kaffee und nicke ihm entgegen, weshalb er grinst und seinen Kopf schüttelt. »Ich meins ernst.«

»Ich auch.«

***

Trübselig gleitet mein Blick durch die Menschenmenge, während ich meine Hände tief in meinem Mantel grabe. Meine Augen fühlen sich schwer an, doch meine Beine haben mich zu diesem Ort getragen.

Immer weiter gehen meine Beine, als hätten sie ihren eigenen Willen, und ich kann nichts dagegen tun. Die Mall ist schier groß und die Menschen schier in Aufruhe.

Aber warum ich hier bin, wird mir erst klar, als ich vor jenem Laden zum stehen komme. Hinter meiner Schläfe pocht es, wie ein zweiter Herzschlag.

Ich senke meinen Blick und fasse mir an die schmerzende Stelle, bevor ich mein Blick wieder hebe und in die Ferne sehe. Es ist mein ohrenbetäubendes pochendes Herz, das schneller schlägt.

Blinzelnd starre ich ungläubig in die Ferne. Unsicherheit durchfährt mich und die Frage, ob ich mein Verstand nun völlig verliere, kommt auf.

»Zoé?«, hauche ich und meine Füße beginnen abrupt schneller zu laufen. Ich ignoriere die Menschen, die ich anremple und fixiere mich immer mehr auf die Schwangere, braunhaarige Frau.

Doch als ich nach ihr zu greifen versuche und ein weiteres Mal blinzle, ist sie aus meinem Blickfeld verschwunden. Es ist, als wäre sie nur eine Illusion, von mir geschaffen.

Hektisch sehe ich mich um, aber sie ist einfach nirgends zu erblicken und mein hemmendes Herz betäubte meine Sinne. Die Tränen in meinen Augen brennen, doch meine Hoffnung erlischt nicht.

Ist sie nicht vielleicht doch unter der Menschenmasse?

Ich schlug meine Augen ein weiteres Mal zu und öffne sie, doch dieses Mal bin ich nicht in der Mall. Müde schaue ich in die Leere und fasse mir, mit meiner Hand, an meinem Gesicht.

Als ich mich aufsetze, muss ich schmunzeln. »Wenn du zurück bist, versohle ich dir dein Arsch, Amore Mio. Verlass dich drauf.«

Die Nässe, meiner Tränen bedeckten mein gesamtes Gesicht. Mein Körper spannte sich an und ich fahre mir durch mein Gesicht, als die Tränen nicht aufhören wollen zu weinen. Mein dämliches und verräterisches Herz.

Die Sonne scheint durch die Lücke, der Gardinen und spendet mir etwas von ihrem Tageslicht. Mit einem tiefen Atemzug beruhige ich mich und setze mich am Rand des Bettes.

Meine benässten Haarsträhnen lassen mich darauf hinweisen, dass ich geschwitzt haben muss. »Nathan!«, stumpf ertönt die schrille Stimme meines Cousins und lässt mich aufhören. Aufgebracht betritt er das Schlafzimmer, das mir und Zoé gehört.

»Es geht um deinen Vater ...«

Mr. & Mrs. Sánchez 1✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt