5. Gastfreundlich

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Ah, mein Kopf tat weh...
Was war passiert?

Ich spürte, wie mein Körper zitterte.
Über mir lag jedoch etwas Warmes... eine Decke?
Und da war noch etwas. Die sanften, beruhigenden Schleckbewegungen einer Wolfszunge. So ruhig und tröstend wie eine Mutter.

"Vi, er ist nicht dein Junges. Hör doch auf, ihn abzuschlecken." hörte ich plötzlich eine belustigte Menschenstimme neben mir und öffnete langsam die Augen.
Hinter mir war das beleidigte Maulen eines Wolfes zu hören und die Schleckbewegungen stoppten.
"Oh, er wacht auf!"

Sofort spürte ich sanfte Hände in meinem kalten Fell und hob den Kopf.
Vor mir kniete eine blonde Frau, mit kurzen Haaren und einem sanften Lächeln.
"Guten Morgen." flüsterte sie und ich sah sie müde an.
"Verwandel dich erst zurück, dann erklären wir dir alles."
Darauf nickte ich müde und verwandelte mich zurück.

Hinter mir verwandelte sich auch die sanfte Wölfin und hängte mir die warme Decke um die Schultern.
"Ich bin Karsa. Das hinter dir ist Vi, kurz für Veronica, und du bist in unserem Lager. Unser Alpha hat dich im Wald gefunden. Du bist zusammengebrochen, warst nass und unterkühlt und hast Fieber bekommen." erklärte mir die Frau vor mir und ich setzte mich in einen Schneidersitz.
Ich dachte mir gestern schon, dass ich mir etwas kränklich vorkam...
"Hast du etwa mitten im Schnee übernachtet?" fragte plötzlich die Wolfsmutter hinter mir und ich seufzte.
"Lange Geschichte..." meinte ich und fuhr durch meine weißen Haare.
Wir saßen auf einem gemütlichen, beheizten Holzboden in einem kleinen Vorzimmer, welches an ein größeres Haus angebaut war. Der Eingang bestand aus zwei dicken Vorhängen, die statt einer Tür den Innenbereich vom Außenbereich trennten.
"Tut mir leid für den Wirbel... ich hätte in meinem eigenen Lager bleiben sollen." murmelte ich und griff mir an den Kopf. Ich glühte ja wirklich...

"Ach, sogar Zayl wollte dich nicht mehr hergeben. Wir mussten ihn mit Zähnen und Krallen von dir lösen, weil er unbedingt mit dir reden wollte, aber du immer noch bewusstlos warst." lachte Karsa und drückte mir eine warme Tasse in die Hand.
"Das ist Lavendeltee. Haben wir selbst im Wald gesammelt. Naja, vor dem... Schnee." lächelte Vi und kam zu Karsa hervor.
Ich nickte dankbar und sippte an der Tasse.

Plötzlich teilten sich die Vorhänge und ein Mann kam in den Raum.
"Ist er-..."
Als er mich sah, brach seine Stimme ab und er blieb in der Bewegung stehen.
Auch ich fror und starrte ihn an.
Zayl.
Pechschwarze Haare, durchstechende, schneeweiße Augen und eine große, präsentierende Statur.
In meinem Kopf blitzte ein Bild des großen, schwarzen Wolfes in meiner Vision auf und ich blinzelte verwirrt.
Er war der Wolf aus meinen Träumen, das war sicher.

"Ja, er ist wach. Du musst ihn nicht so unfreundlich anstarren!" zischte Vi beleidigt und kratzte mit ihren Fingern in der Luft herum.
"Tut mir leid, Mom." meinte Zayl schnell und kam herein, bevor er hinter sich die beiden Vorhänge zuzog.
Er kam zu uns und kniete sich vor mich.
Seine Hand griff sanft nach meiner und ich stellte den Lavendeltee auf den Holzboden.
Seine Hände waren kalt. Er zuckte zusammen, als er mich berührte, wahrscheinlich wegen der Nässe.

"Du bist Miko, oder?" "Und du... Zayl?" meinten wir beide gleichzeitig und Karsa, sowie Vi sahen sich gegenseitig verdattert an.
"Ihr kennt euch?" fragte Karsa und Zayl schüttelte belustigt den Kopf.
"Nein... eigentlich nicht."

.
Eine Zeit später wurde ich in ein Zimmer im Haupthaus des Lagers gebracht und Karsa und Vi hatten Zayl und mich alleine gelassen. Die beiden Frauen waren zu ihren Rudelgefährten gegangen und erzählten ihnen über meinen Zustand.
Währenddessen saß ich, eingewickelt in die warme Decke, auf einem ziemlich gemütlichen Bett.
Zayl saß vor mir.

"Wie gefällt dir mein Zimmer?" fragte er und ich sah ihn überrascht an.
"Ich dachte, Alphas haben ein... ähm..." "Glamoröseres Zimmer?" fragte Zayl und ich nickte nervös.
"Nein, ich wollte mein Zimmer behalten. Ich habe es nur etwas umdekoriert."
Ich nickte wieder und musterte Zayls schwarze Haare, seinen starken Körper, bis zu seinen Fingern.
"Was hast du... da draußen im Wald eigentlich gemacht? Deine Pfoten und dein Fell waren nass und eißkalt." fragte er mich dann und ich hielt inne.
"Ich... hab einiges vermasselt..." murmelte ich und zog mich bei dem Gedanken an Nayls Verschwinden zusammen. Es war immerhin meine Schuld, dass er weg war...

"Dürfte ich wissen, was passiert ist?" flüsterte er vorsichtig und ich sah ihn betrübt an.
"Ich hätte meinen Neffen von der Schule abholen sollen... aber ich... ich..."
Was war denn genau passiert...?
Als ich Zayl zum ersten Mal sah, hatte ich eine plötzliche Vision... ich bin ohnmächtig geworden und erst eine halbe Stunde zu spät aufgewacht...
Wegen Zayl.

"Du...? Alles ok?" riss mich seine Stimme aus den Gedanken und ich schüttelte verwirrt den Kopf.
"Ich hatte eine... eine... ähm, das klingt vielleicht etwas komisch..." "Eine Vision?"
Wie wusste er das?
Erschrocken sah ich ihn an und versuchte, meine Gedanken darüber zu ordnen.

"Als ich dich gesehen hab, hatte ich auch eine Vision... aber mich hat es nicht so von den Socken gehauen, wie dich. Ich konnte dir nur nicht helfen, da ich gerade mit einem wichtigen Job beschäftigt war. Ich bin Bodyguard... zumindest in diesem kleinen Nebenjob..." erklärte er und ich sah ihn mit offenem Mund an.

Immer dachte ich, ich wäre alleine.
Der einzige, dessen Fantasien ihm stetig Streiche spielten und der sich dauernd fragte, was real war und was nicht.

"Ich glaube, wir haben die selben Visionen, Miko. Und wir sollten darüber reden."

𝑺𝒏𝒐𝒘𝒇𝒂𝒍𝒍 𝒎𝒊𝒅 𝒔𝒖𝒎𝒎𝒆𝒓 |BLWhere stories live. Discover now