21. Ausrede

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»Warum... sind wir hier?...« fragte ich verwirrt und tippselte Zayl hinterher.
Er hatte mich in einen Wald geführt, der ganz nahe an der Stadt lag, in der wir unterkamen.
Mittlerweile ging die Sonne bereits unter und die verbleibenden, orangen Lichtstrahlen fielen in sanftem Ton zwischen den Bäumen, auf Zayls schwarzes, weiches Wolfsfell.
Ich setzte also meine weißen Pfoten in den gleichfarbigen Schnee und ging ihm hinterher.
Er antwortete mir nicht auf meine Frage, sondern fing an, mir etwas zu erzählen.

»Weißt du... seit du vor ein paar Tagen diese Erscheinung von Jing, dem Tiger, hattest... hab ich gemerkt, dass der Andere... dass Jang... mir folgt.« meinte er und ich blieb erschrocken stehen.
Jang!? Der schwarze Tiger mit den weißen Streifen?
»Warum hast du nicht schon früher etwas gesagt?« fragte ich und holte schnell zu ihm auf. Zayl blieb aber nicht stehen und ging weiter, sodass ich das selbe tun musste, um ihn ansehen zu können.
»Er folgt mir... am Tag, sowohl auch in der Nacht. In meinen Träumen ist er auch... ich hatte schon länger keine wirkliche Vision mehr, aber Jang war immer da. Und sein Name... er hat sich-...« »In dein Gedächnis gebrannt? Es war bei Jing das Gleiche. Aber ich glaube, er... verfolgt mich nicht wirklich.« beendete ich seine Gedanken und der starke Wolf neben mir sah innerlich seufzend an mir vorbei und durch die dichten Bäume, der Sonne entgegen.
Der Himmel war dunkelorange und neben dem nahen Waldrand schien, eine kleine Klippe zu sein.
Wir spazierten im weichen Schnee daran entlang, bis wir zu einem Abhang kamen.
»Ziemlich hoch...« flüsterte ich und wir setzten uns nebeneinander, auf einen kalten Steinvorsprung, der ein bisschen über den Klippenrand ragte.
Zayl verwandelte sich zurück und deutete mir, das selbe zu tun.

Ich verwandelte mich also und machte es mir neben Zayl gemütlich, bevor ich seine Hand nahm.
Ich wusste auch ohne seine Worte, wie kalt ihm war und da ich diese Wärme in mir jetzt kontrollieren konnte, brauchte ich ihn nur zu berühren.
"Hah... danke" meinte er belustigt und ich nickte.
"Also...? Über was sollten wir genau reden?"

"Hach... du weißt, dass wir die Einzigen sind, die diese Visionen haben. Und ich glaube, Kinia wollte uns sagen, dass wir das alleine wieder gerade biegen müssen." begann er und ich sah mir den orangenen Sonnenuntergang an, während ich ihm zuhörte.
Die Sonne senkte sich langsam unter den Horizont und ihre Strahlen hafteten an den Bäumen hinter uns und dem Steinhang unter uns.
"Es ist viel passiert, das wir uns nicht erklären konnten... und es gab auch viele unnötige Blutbäder... und Jing und Jang werden mit jeder Sekunde stärker. Nur... weiß ich nicht, wie wir sie aufhalten sollten." "Da müssen wir uns vielleicht etwas von Kinia helfen lassen. Und wir haben Denise und Zlara immer noch auf unserer Seite. Wir sind also nicht... alleine..."
Genau, als ich diesen Satz sagte, zuckte ein Gedanke durch meinen Kopf. Ich sah weiße, leere Augen, die mich anstarrten und wirbelte herum.
Ich spürte etwas... die Gegenwart von... etwas...

"Alles ok? Was ist los?" fragte Zayl verwirrt und ich rückte etwas näher zu ihm.
"In letzter Zeit weiß ich nicht mehr, ob mir mein Kopf einen Streich spielt oder nicht..." seufzte ich und wandte mich wieder der untergehenden Sonne zu.
Dieses Gefühl, angestarrt zu werden... es brannte sich in meinen Rücken und ich lehnte mich verzweifelt zu Zayl.
Meine gute Nase verriet mir, dass er und ich alleine waren.
Niemand sonst war hier...
Zumindest... niemand lebendiges.

Ich konnte es nicht länger verweigern... Jing und Jang verfolgten uns.
Mich... und Zayl.
Und das war kein gutes Zeichen...

.
Bald darauf waren wir wieder ins Hotel gegangen und die Sonne war gerade untergegangen, als wir uns beide auf das Doppelbett neben der Raumwand setzten.
"Ich weiß nicht mehr weiter..." hörte ich Zayl flüstern, als er sein Shirt auszog und es auf den Boden warf.
Er saß still neben mir und verlor sich in Gedanken, das konnte ich sehen. Aber... ich konnte auch noch etwas anderes sehen.
Er vergaß mich. Und so... konnte ich seinen Oberkörper mustern.
Seine Haut war etwas dunkler als meine und seine große Stattur passte zu seinem trainierten Körper.
Jedoch bemerkte ich natürlich sofort die tiefen Narben, die sich über seinen Körper zogen.
Von seinem Hals, bis zu seiner Hüfte war seine Haut an mehreren Stellen beschädigt und vernarbt. Besonders an seiner Seite...
Ohne darüber nachzudenken, streckte ich meine Hand nach ihm aus und berührte eine der Narben, knapp unter seinen Rippen.

Sofort fuhr er aus seinen Gedanken und starrte mich überrascht an.
Er versuchte aber nicht mehr, sich zu verstecken. Stattdessen... sah er mich an... mit seinen schneeweißen, durchstechenden Augen und diesem... Schimmer in seinem Blick.
Ich berührte nicht mehr als einen Zentimeter seiner Haut und doch spürte ich die Kälte seines Körpers deutlich.

"Du... bist kalt..." hauchte ich leise und kam ihm etwas näher.
Zayl kam mir entgegen und legte seine Hand an meine Wange.
Nun waren wir nur noch wenige Krallenlängen voneinander entfernt und ich spürte seinen kühlen Atem auf meiner Nasenspitze.
Ich bemerkte jede noch so kleine Änderung in seiner Atmung, hörte, wie schnell sein Herz pochte...
In diesem Moment jagten meine Gedanken einander durch meinen Kopf und meine Wangen liefen heiß, sodass ich gar nicht mehr wusste, was ich da eigentlich tat.

Und das war die einzige Ausrede, die ich dafür hatte, ihn im nächsten Moment geküsst zu haben.

𝑺𝒏𝒐𝒘𝒇𝒂𝒍𝒍 𝒎𝒊𝒅 𝒔𝒖𝒎𝒎𝒆𝒓 |BLOnde histórias criam vida. Descubra agora