23. gefunden

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Wir waren beide hindurch gegangen und standen nun auf einer enorm großen Lichtung, inmitten eines zugeschneiten Waldes.

Bei dem Anblick, der sich uns ergab, griff ich nach Zayls Hand und drückte sie fest zusammen.
"Was...?

Wir standen auf einer Waldlichtung, bedeckt mit Schnee... und toten Wandlern.
Blutflecken überzogen die Ladschaft, schmückten die starken Nadelbäume um die Lichtung herum und befleckten den Boden. Ein fauler, scharfer Geruch zog sich durch die Luft und ich hielt mir angewiedert die Nase zu. Überall lagen bewegungslose Körper und zerfetzte Gestalten herum.
Einzelne Körperteile und Fellfetzen überall...

"Was ist hier passiert...?" murmelte ich und spürte einen starken Würgereiz.
Ich schluckte es sofort hinunter und sah mich weiter um.
"Waren das etwa... Wandler, die... von Jing und Jang besessen waren?"
Zayl zog mich sanft einen Schritt tiefer in die Mitte der Lichtung.
Meine Füße stießen gegen die reglosen Körper toter Wölfe... zerrissene Hasen, ein geköpfter Löwe...
So viele, tote Wandler.
Ihre Augen waren weit aufgerissen... von Schreck und Trauer gezeichnet.
Sogar kleine Mädchen. Ein Junge, der nicht älter aussah, als sieben.
Ihre Körper waren auseinander gerissen und von Krallenspuren übersäht.

Man hörte leise Vogelmelodien... der Wind bließ kalt über die Lichtung, verstreute abgefallene, braune Nadeln über den toten Körpern auf dem Boden.
Die Sonne ließ ihre toten Felle schimmern, das Blut an den Bäumen glitzern.
"Miko... sieh dir das an." flüsterte mir der große Wolfswandler zu und ich kam langsam an seine Seite...

Was hatte das zu bedeuten?
Eine Zeichnung...? Ein Symbol?
Ich... konnte es nicht erkennen.
"Was ist das?" murmelte ich und Zayl schüttelte den Kopf.
"Wir müssen die Leichen wegräumen..."
Als er das sagte, stellten sich die Häärchen in meinem Nacken auf und ich zuckte zurück.
Wir sollten... diese zerfleischten Körper anfassen?

"Das... fühlt sich falsch an." murrte Zayl, ließ meine Hand los und beugte sich runter.
Er hob ein abgerissenes Rehbein vom Boden und warf es zur Seite, wo es auf einem toten Wolfskadaver landete.
Ich nahm mich zusammen und kam zu ihm.
Wir packten beide einen zerfleischten Bärkörper und stemmten uns gegen dessen Gewicht, um ihn aus dem Weg zu räumen.
Wir zerrten den leblosen Bärenwandler so weit wir konnten, bis man eine gebogene Linie auf dem Boden sehen konnte.
"Das reicht nicht..." hörte ich Zayl frustriert fauchen und ich unterdrückte meine Tränen.
Tote Wandler durch die Gegend zu zerren, fühlte sich grausam an.

.
Eine ewig erscheinende Zeit darauf hatten wir gemeinsam einen Platz auf der Lichtung freigeräumt, unter dem sich eine Zeichnung befand.
Es war das Zeichen des Gleichgewichts. Jing und Jang. Zwei Hälften eines Kreises, die gegenseitiger nicht sein konnten.
Das Symbol war in den Boden gekratzt. Mit mehreren Metern Durchmesser und wahrlosen Spuren in die Erde gekratzt. Das Muster war mit Blut nachgemalt, so als hätten die Wandler es mit dem Blut ihrer Gegner aufgemalt, bevor sie selbst starben.
Das Symbol war von einem breitenen Kreis umgeben, in dem etwas in einer Sprache stand, die uns nicht bekannt war.

"W-warum... sind sie nur so grausam...?" murmelte ich und schluchzte leise.
Zayl strich tröstend über meinen Rücken und sah sich das Symbol an.
Und da hörten wir etwas.

Wir wirbelten beide herum und stellten uns Rücken an Rücken.
Meine Augen huschten unruhig durch die Umgebung, absorbierten jede mögliche Gefahr und jede noch so kleine Bewegung.
Blätter... Blut, Rinde, Nadeln... und ein Jungwolf.

Geschockt hielt ich inne und musterte ihn.
Sein schwarz-braunes Fell war von Blutflecken beklebt und über seine Schnauze zog sich ein kleiner Krallenschnitt. Sonst war er unverletzt...
Sein Blick aber...
In seinen Augen spiegelte sich die pure Angst wieder und ich wusste, dass er Sachen gesehen haben musste, die ein so junger Wolf nie sehen müssen sollte.
Da löste sich sein Körper aus der Starre, in der er sich befand, und trat einen Schritt nach vorne.
Jedoch fing er an, zu zittern und taumelte.

"Nayl!" rief ich erschrocken und sprintete los.
Zayl wirbelte herum und lief mir hinterher.

Ich hatte garkeine Zeit, über all die Fragen nachzudenken... Warum war er hier? Was war ihm passiert? Wie war er verschwunden?
Ging es ihm gut?
Der Jungwolf kippte zur Seite und blieb schwach atmend im Schnee liegen, als ich mich auf die Knie warf und neben ihm schlitternd zum Stoppen kam.
"Nayl! Hey, Kleiner..." meinte ich, mit Tränen in den Augen, und hob den Kopf des Wolfes vom kalten Boden.
Zayl kam nun auch zu uns und kniete sich auf Nayls andere Seite. Jedoch... berührte er ihn nicht.
Ich verstand seine Geste und legte meine Hand an Nayls Flanke, um ihn zu wärmen.
Ich brauchte nur daran zu denken, schon floss die Wärme durch meinen Körper, zu meiner Hand und wärmte Nayl.
Aber... zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, die Wärme... gar die Hitze, unterdrücken zu müssen.
Es war... sonst zu heiß.

"Wie geht es ihm?" fragte Zayl und zog sein Shirt aus.
"W-was machst du da?!" "Miko, ich spüre keine Wärme. Das hilft Nayl mehr, als mir." entgegnete er und wickelte den Wolf in den Stoff ein.
Nayl sah uns benommen an, war aber noch bei Bewusstsein und reagierte auf seinen Namen.
"Ich kann ihn tragen, jetzt, da er das Shirt an hat. Aber wo soll er hin?"
Diese Frage ließ mich inne halten...
Zayl saß nur mit einer Hose bekleidet und mir gegenüber im kalten Schnee und hielt Nayl in seinen Armen. Er blickte fürsorglich auf den Kleinen herab und achtete darauf, ihn nicht direkt zu berühren. Obwohl er selbst zitterte.
Und da fiel mir etwas ein.
"Zayl... könnte dein Rudel..." "Auf ihn aufpassen? Ja, das ist eine gute Idee. Aber..."
Der große Wolfswandler sah sich suchend um und da fiel auch mir auf, dass das Portal verschwunden war.

Wir sahen uns gegenseitig an und ich merkte, wie Nayl sich unbewusst zu Zayl kuschelte.
Er zuckte zurück und flüsterte "Tut mir leid, Kleiner... ich kann meine Kälte nicht kontrollieren.", bevor er den leise winselnden Jungwolf leicht von seiner Brust wegdrückte.

"Braucht ihr Hilfe?"
Erschrocken fuhr ich herum und Kinia stand vor uns.
"Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass ihr Hilfe benötigt." lächelte sie und ging durch die toten Körper auf uns zu.
Ihr Gehstock tappte dabei regelmäßig auf den Boden und ihr Hexenkleid hinterließ schleifende Spuren im blutroten Schnee.

Ich sah erneut zu Zayl und bemerkte, dass er plötzlich eine Decke um seinen Schultern hatte...
Und...
Handschuhe.

"Danke, Kinia." meinte er und musterte die schwarzen Handschuhe, mit denen er Nayl nun anfassen konnte.
"Sie halten die Kälte deiner Berührung zurück. Aber überschätze sie nicht. Ihr beide seit für Größeres bestimmt, als ein Paar magischer Handschuhe."
Als sie das sagte, deutete sie warm lachend mit ihrem Stock auf mich und ich sah hinunter.
Auch ich... hatte Handschuhe an.

Ich sah Kinia verwirrt an und sie lächelte belustigt zurück.
"Kommt schon, gehen wir. Es wird langsam kalt."

𝑺𝒏𝒐𝒘𝒇𝒂𝒍𝒍 𝒎𝒊𝒅 𝒔𝒖𝒎𝒎𝒆𝒓 |BLTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon