32. Feuer und Flamme

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Wir waren nun den ganzen Tag, bis zu Anbruch der Abendstunden, durch Wälder, Wiesen und an Städten vorbei gewandert.
Und jetzt... waren wir definitiv angekommen.

So viele Hexen...
Auch Zayl war sprachlos neben mir stehen geblieben.
Wir befanden uns am Rand einer enormen Lichtung, mitten in einem fremden Wald.
Ich konnte einen riesigen Haufen von aufgestapeltem Holz sehen. Von Holzmöbeln, Tafeln, Tischen bis zu Ästen, Stämmen, Büschen oder sonstigem, es war alles bis in den Himmel gestapelt und bereit, ein unvergessliches Feuer zu entfachen.
Darum herum standen, liefen, gingen und... flogen?... hunderte Hexen, mit roten, blauen, beschen, grauen, grünen Kleidern und spitzen Hüten in der passenden Farbe. Manche von ihnen saßen auf Besen oder Koffern und saußten damit durch die Luft.
Überall standen überdachte Tische oder gar Anhänger mit Verpflegung, zum Aufwärmen oder sogar mit zwischentätigen Musikanlagen.

Fasziniert sah ich zu Zayl, der das Abbild vor uns ebenfalls staunend musterte.
»Das ist mal eine Party, huh?« murmelte ich ihm zu und er nickte, wobei der weiße Schnee von seinem Kopffell rieselte.
»Vielleicht finden wir ja jemanden, den wir kennen.« schlug er vor und ich stimmte ihm zu.
Wenigstens Kinia sollte hier sein.

Wir traten also aus dem Wald heraus und wollten uns erkundigen, da fuhr ein kalter Schauer über meinen Rücken.
Ich fuhr erschrocken herum und für den Bruchteil einer Sekunde konnte ich weiße, leere Augen zwischen den Bäumen erkennen, die uns anstarrten.
»Alles in Ordnung?« fragte Zayl, der meine Unruhe bemerkt hatte und ich wandte mich kopfschüttelnd nach vorne.
»Hach... ja. Es war nichts. Nur eingebildet.«
Nicht Neues...

Darauf gingen wir weiter und als wir langsam unter die redenden Hexen kamen, verwandelten wir uns zurück, in unsere menschliche Gestalt.
Nach und nach bemerkten uns mehr der Hexen und wir rückten in den Fokus der Aufmerksamkeit von ein paar Anwesenden.
Wir waren ja doch die einzigen männlichen Personen hier. Und zaubern konnten wir auch nicht... naja... doch, wir konnten zaubern.
In gewisser Weise.

Da hörte ich eine mir vertraute Stimme.
Kinia.
"Ah, seht mal an! Unsere Ehrengäste sind da!" rief sie und so manche Hexen drehten sich nun nach uns um.
Manche kamen von ihren Koffern und Besen herunter, brachen ihre Gespräche ab und versammelten sich um uns und Kinia, die mit ihrem Gehstock gemächlich auf und zu kam.
Die alte Hexe lächelte uns zu und begrüßte uns herzlich.
"Ich habe auf euch gewartet." "Woher wusstest du, dass wir kommen?" fragte Zayl und die Hexenmeisterin lachte herzhaft.
"Warum fragst du mich das? Hast du schon vergessen, wer ich bin?" entgegnete Kinia und Zayl blieb stumm.
Da hatte sie allerdings recht.

"Ihr seid für die heutige Nacht sehr wichtig. Heute entscheidet sich vieles, was morgen wieder anders sein kann." verkündete die große Hexe mit den langen, grauen Haaren und dem astähnlichen Gehstock in der Hand.
"Kommt nur. Zlara und Denise sind hier auch irgendwo. Aber sie sind gerade etwas..." "Zerstritten, ja." meinte ich und kratzte mich am Hinterkopf, wobei mir ein paar schneeweiße Strähnen auf die Stirn fielen.
"Hm... wenn ihr meint."

Kinia führte uns durch die Mengen an Hexen und Ständen, zu dem riesigen Scheiterhaufen  in der Mitte der Lichtung.
Sie drehte sich zu uns um und ich merkte, dass sich bereits fast alle anwesenden Hexen in unsere Richtung bewegten. Auch Zlara und Denise befanden sich unter ihnen, aber bevor wir mit ihnen reden konnten, verschwanden sie in dem Meer an Hexenhüten...
"Hiermit eröffne ich die Walpurgisnacht dieses Jahres! Möge sie uns Wissen und Antworten bringen, auf dass auch das reinste Chaos bald aufgelöst werde!" verkündete sie feierlich und um uns herum erhob sich lauter Jubel.
Ich wusste, dass die erfahrene Hexenmeisterin mit ihrem letzten Satz auf uns beide zurückgriff.
Ihre Ansprache wirkte so ofiziell und wichtig, dass ich mich zwischen den lauten Jubelrufen garnicht traute, mit Zayl zu sprechen.
Wir sahen uns nur staunend an, bis Kinia mich ansprach.

"Und da wir heute unsere Ehrengäste hier haben, dürfen sie das Feuer entfachen."
Als sie das sagte, starrte ich sie ungläubig an und um uns herum war erstauntes Gemurmel zu hören.
Zayl schüttelte belustigt den Kopf und legte seine Hand an meinen Rücken.
"Sie meint dich." flüsterte er mir ins Ohr und ich spürte, wie mich all die anwesenden Hexen anstarrten.
Nervös sah ich Kinia an, dann Zayl.
Sie wollte, dass ich... den Scheiterhaufen entzündete?

"Darum brauchen wir dieses Jahr also keine Fackeln." hörte ich die belustigte Stimme einer Hexe hinter mir und ich sah mich vorsichtig um.
All die Umstehenden sah mich zwar an, aber sie lächelten. Und sie lachten.
"Trau dich ruhig, Miko. Du kannst es. Du musst es nur wollen." ermutigte mich die alte Hexenmeisterin und streckte mir ihre Hand entgegen.
Zayl drückte mich leicht nach vorne und ich nahm Kinias Hand an.
Durch die Handschuhe, die ich und Zayl trugen, fühlte sich ihre Haut gar nicht so schrumpelig und alt an, wie sie es wirklich war.
Sie zog mich zu sich und leitete mich von Zayl weg, zu dem enormen Scheiterhaufen direkt hinter ihr.

Als ich direkt davor stand, starrte ich schluckend daran hoch und stellte mir das Ausmaß des Feuers vor, das durch diesen Haufen an Holz entstehen musste.
"Muss ich dir etwa erklären, wie man Handschuhe auszieht?" scherzte die mächtige Hexe und tippte mit ihrem Gehstock auf meine Hand.
Ich schüttelte schnell den Kopf und zog die Handschuhe aus.
Als ich das tat, musterte ich das weiße, halbe Symbol auf meiner linken Handfläche und sah dann erneut zu dem Scheiterhaufen empor.
Nochmal spähte ich prüfend zu Kinia, die sich dann scherzhaft verbeugte und mit ihrem Gehstock auf den Holzhaufen zeigte.
"Ich bitte darum." lachte sie und zwinkerte mir zu.

Also sah ich erneut auf meine Handfläche und nur Sekunden darauf entfachte sich eine leuchtende Flamme darauf.
Um mich herum erhob sich überraschtes Gemurmel und ich hob meine Hand etwas hoch.
Ich legte sie an einen dicken Holzstamm und sah zu, wie er in Flammen aufging.

Ich sah, wie das Feuer von einem Ast zum nächsten Stamm übersprang und sich so über den ganzen Scheiterhaufen ausbreitete.
Nur Minuten später stand der ganze Holzhaufen lichterloh in Flammen.

𝑺𝒏𝒐𝒘𝒇𝒂𝒍𝒍 𝒎𝒊𝒅 𝒔𝒖𝒎𝒎𝒆𝒓 |BLजहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें