43. sag ihr...

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»Miko, bitte... komm wieder zu Sinnen!« rief ich in seinen Kopf und sah an mir herunter.
Blut füllte meinen Schoß, tropfte aus meiner Brust, obwohl es das nicht sollte.

»Z-zayl? W-was...? Was ist passiert?! Wurdest du erwischt?« ertönte seine besorgte Stimme plötzlich in meinem Kopf und ich versuchte vergebens, aufzustehen.
»Bleib sitzen! I-ich helfe dir!« meinte er schnell und kam zu mir gerannt.
Er drückte seinen großen, felligen Kopf gegen meinen Rücken und winselte leise.
»Tut mir leid, i-ich hätte auf dich aufpassen sollen, i-ich wollte n-nicht-...« »Miko. Beruhige dich. Mir geht's gut, ich bin ok... Aber du? Du drehst durch.« unterbrach ich sein unsicheres Gestottere und er setzte sich vor mich.
»Tut mir leid, du... hast recht...« meinte er betrübt und begann, meine Brust abzuschlecken.
Ich zuckte vor Schmerz zurück, ließ ihn aber machen.
Er schleckte behutsam über die Löcher in meiner Kleidung, säuberte sie und wärmte zugleich meine Hände, die ich vor Kälte kaum bewegen konnte.

»Miko. Lebt sie noch?« fragte ich vorsichtig und sein Schlecken verstummte.
»Ich... weiß es nicht.« entgegnete er, seine Stimme voller Angst, Wut und Trauer.
"Na los... ngh, verwandel dich zurück." murmelte ich und deutete ihm mit den Händen.
Leise murrend verwandelte er sich zurück und setzte sich auf meinen Schoß, nachdem ich ihm versichert hatte, dass es mir gut ging.
Er kuschelte sich zu mir, war dreckig von der Asche, dem Blut und dem geschmolzenen Schnee um uns herum.
Seine weichen, schneeweißen Haare waren zerzaust und er blutete an der Stirn.
Auch seine Schulter war verletzt und erst seine Seite.
Aber seine Augen...

Seine Augen waren so... klar.
Er sah mich an, mit so vielen Gefühlen auf einmal, dass ich gar nicht hinterher kam, sie alle zu identifizieren.
Er fühlte jeden Moment der letzten Stunden, durchlebte jeden Schlag, den er erteilt hatte, noch einmal.
"Haben wir... das Richtige getan?" fragte er mich leise.
So unschuldig und zittrig, dass ich ihm sagen wollte, dass wir das hätten.
Aber wie sollte ich das?

Plötzlich hörte wir beide etwas.
Wir wussten beide, woher es kam und was es war.
Es war Denise.
Sie war am Leben.

Miko sprang sofort auf und hielt mir seine Hand entgegen.
Ich zog mich daran hoch und ließ mich von ihm stützen.
Wir humpelten beide zu der am Boden liegenden Hexe und erkannten, dass sie sich bewegte.
Sie atmete.
Als sie uns sah, lächelte sie uns zu und fragte "Wie... geht es Zlara?" war alles, was sie sagte.
"I-ich-..." "Schon gut..."
Wir wirbelten beide erschrocken herum und sahen Zlara an.
Sie stand... vor uns.
Magie stützte sie. Ihre Haut war zerstört, verbrannt und vereist... ihre Haare waren wie abgeschnitten, von Mikos Feuer gekürzt und ihr Gesicht war zerkratzt.
Ihr ganzer Körper war zerkratzt und demoliert.
Aber sie lächelte uns verschmitzt an, durch die Schmerzen und die Qualen, die wir ihr bereitet hatten.
Sie machte ein paar Schritte auf uns zu und wir kamen ihr entgegen.
"Das hätte alles nicht so ausgehen müssen." hörte ich Miko zu ihr flüstern, aber die sture Ukrainerin schüttelte abweisend den Kopf.
"Doch, Miko. Wie werden das Ende chaben, das wir verdienen. Und ihr auch, ihr beiden Raskachel." meinte sie fest und wir halfen ihr, zu Denise zu kommen.
Diese setzte sich langsam auf und ich konnte die Magie sehen, die sie anwandte, um ihre Wunden zu schließen und aufrecht sitzen zu können.
Aber mehr tat sie mit ihrer Magie nicht.

Zlara lehnte unsere Hilfe bei den letzten Metern ab und setzte sich stolpernd neben sie.
Sie lehnten sich aneinander und sahen sich gegenseitig nochmal an.
"Ich chätte dich nie ansprechen sollen." murmelte Zlara, mit einer ungewohnten Leichtigkeit in ihrer Stimme.
Denise schmunzelte belustigt und erwiederte "Ich hätte Alexandra nicht töten dürfen."
"Und wir chaben's alle beide doch getan." "Und wir habens doch getan." flüsterten sie beide gleichzeitig und ich spürte Mikos festen Griff an meiner Seite.
Ich sah zu ihm und mir wurde klar, dass seine Augen tränten.
Er schluchzte leise und mied meinen Blick.
Er wusste, genau wie ich... wie das hier ausgehen würde.

"Du hast mich noch nie so angelächelt." lachte Denise ihre Freundin an und ich zog Miko so nahe zu mir, wie ich nur konnte.
Er krallte sich an mich und sah ihnen zu.
"Ich chatte nie einen Grund dazu." "Das stimmt nicht!" entgegnete die braunhaarige Hexe und versuchte kläglich, zu lächeln.
Aber ihr Körper gehorchte ihr nicht.
Sie weinte.

"Ach, Mädchen. Denise..."
Zlara zog sie sanft zu sich, umarmte sie trotz ihrer vielen Verletzungen und tröstete sie.
"Ich chabe diese 756 Jahre mit dir genossen, kleine Chexe. Ich chabe sie wirklich genossen." murmelte sie und ich erkannte auch ein paar Tränchen in ihrem Augenwinkel.

"Miko, Zayl..."
Es war so weit.
"Wir bitten euch."
Als Denise diesen Satz sprach, krallten sich Mikos Fingernägel in meine Seite und ich seufzte leise.
Sie hatten recht.
Ihre Verletzungen waren zu schwer, um zu überleben.
Ich konnte sie friedlich schlafen legen... Ich konnte sie ohne Schmerzen wegschicken... aber dafür musste Miko sie erst gehen lassen.

"Miko... es ist schon ok." lächelte Denise ihn an und wir gingen beide zu Boden.
Wir knieten uns vor die beiden und Miko griff nach Zlaras Hand.
Auch Denise legte ihre Hand auf seine und lächelte ihm weiterhin beruhigend zu.
"Es ist in Ordnung, Miko. Es ist mir eine Ehre durch euch zu sterben." "Für mich gilt das Gleiche, Kleiner. Ihr chabt nichts falsch gemacht."

Ich ließ ihnen die Zeit, die sie brauchten und Miko schien, für den Moment damit abzuschließen.
Also nickten die beiden Hexen mir zu und ließen Miko los.
"Komm schon... ngh..."
langsam hob ich meinen Arm von seinen Schultern, um alleine sitzen zu können.
Ich legte meine tauben Hände an ihre Köpfe, streichelte sanft durch die versengten Haare der beiden Freundinnen.

"Warte!"
Zlaras Einwende ließ mich inne halten und sie sah Miko liebevoll an.
"Bitte sag Risha, dass es mir leid tut. I-ich wollte... ich... chätte Sophia und Koray so gern aufwachsen sehen. Sag ihr das von mir, ja?"

𝑺𝒏𝒐𝒘𝒇𝒂𝒍𝒍 𝒎𝒊𝒅 𝒔𝒖𝒎𝒎𝒆𝒓 |BLWhere stories live. Discover now