12. Hexen

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Endlich hatte ich mich in das schwarze Oberteil gewurschtelt und zog den Vorhang der Kabine zur Seite.
Zayl wartete schon und sah mich erwartungsvoll an.
Als er mich sah, riss er die Augen auf und starrte mich an.
Seine schneeweißen Augen bohrten sich in meinen Körper und ich stand einfach still da.
Aus seinem Gesichtsausdruck konnte ich nichts deuten...

"Und... wie seh ich aus?" fragte ich und Zayl antwortete, auf jeden Fall ohne vorher zu überlegen... "Gäbe es Musik, würde ich dich zum Tanzen einladen."
Als er merkte, was er gesagt hatte, fuhr er aus seiner Starre und meinte schnell "Fuck, sorry! Ich wollte dich nicht bedrängen, das... is mir so rausgerutscht..."
Meine Wangen färbten sich knallrot und ich kam zu ihm.
"Schon ok. Um ehrlich zu sein, ich würde... dein Angebot annehmen."

Als ich das sagte, stand Zayl auf und kam zu mir.
Er griff nach meiner Hand und mir wurde bei seiner Berührung wieder einmal bewusst, wie kalt seine Haut war.
Er trat nahe zu mir, ich legte meine Hand in seine und drückte meinen Körper eng gegen seinen.
Ich wusste nicht, warum ich ihn das tun ließ und warum ich mich so verhielt... aber ich genoss es.

"Ähm... Entschuldigung?"
Erschrocken fuhren ich und Zayl auseinander und starrten die alte, kleine Dame mit ihrem mikrigen Gehstock neben uns an.
"Was...?" "Sind Sie... Jerome?" fragte die Frau, sichtlich verwirrt und mir fiel ihre Kleidung auf.
Sie hatte einen alten, schwarz gemusterten Rock mit einer dunklen Rüschchenbluse und einer rot-beschen Jacke an. Sie erinnerte an... eine Hexe. Wie man sie aus den erzählten Legenden über den Hexenzirkel kannte. Nur... etwas älter. Sehr... viel älter...
"Gott, Milda! Lauf doch nicht einfach so weg!" ertönte plötzlich die Stimme einer Frau, welche nur Momente darauf zu uns, in die Kabinen schlitterte.
Und als ich sie sah, blieb mein Herz kurz stehen.
Sie war... das exakte Abbild einer Hexe. Ein schwarzes, altmodisches Kleid mit dunklen Mustern und weiten, langen Ärmeln. Sie hatte dunkelblonde, lockige Haare, dunkles Make-up und sogar einen verdammten Hexenhut...

Zayl und ich starrten uns für eine Sekunde wortlos an, bevor die Frau uns ansprach.
"Tut mir wirklich leid, sie ist dement und-..."
Sie brach ab, als sie uns sah und ihr wich die Farbe aus dem Gesicht. Besonders... als sie Zayl ansah.

"Ihr... ihr... oh- nein, oh Gott..."
Verwirrt sah ich sie an, als ich merkte, dass Zayl immer noch meine Hand hielt. Ich ließ ihn aber nicht los.
"Was ist los?" fragte Zayl, genau wie ich wegen ihrer Reaktion verwirrt.
Sie sah aus, als hätte sie einen Geist gesehen.

"Ähm... tut mir leid, das mit Milda... ich... ihr... äh, müsstest mir bitte folgen." murmelte die Frau mit dem Hexenoutfit und nahm die alte Frau mit ihrem Gehstock an der Hand.
"Entschuldigung, aber-..." "Bitte, ihr müsst mit mir mitkommen. Ich erkläre euch später alles." unterbrach sie mich und winkte uns beiden, ihnen zu folgen.
Sie zog Milda mit sich mit und wir folgten ihr.
"Aber, was ist mit dem Gewand? Wir können das doch nicht-..." "Ist bereits bezahlt."
Was?
"Hä?" murmelte Zayl und wir kamen an der Kassa des Geschäfts vorbei. Dort lag plötzlich ein Haufen Geld, dessen Wert genau dem unserer 'gekauften' Klamotten entsprach.
Wir folgten also der Dame mit dem Hexenhut aus dem Geschäft und durch die Straßen.
Zayl hatte meine Hand fest umschlossen und hielt mich nahe bei sich, ganz so, als könnte jederzeit etwas passieren.

.
Bald waren wir in ziemlich leere Straßen gekommen und die hexenähnliche Frau leitete uns und ihr altes Anhängsel zu einer heruntergekommenen Bar namens 'Das Alibi'
"Hier war ich ja noch nie." flüsterte ich und Zayl nickte, mit dem weißen Blick auf die zerscharbte Tür des roten Gebäudes gerichtet.
"Komm Milda, wir gehen nachhause." hörte ich die Frau vor uns zu der kleinen, verwirrten Dame sagen und sie öffnete die Tür der Bar.
Und dahinter war... nichts.

"Hm?"
Still sah ich mich um, als wir in das Gebäude gingen und die Holzbretter unter unseren Sohlen quietschten. Die Wände des Raumes waren zerkratzt und die Tapete blätterte bereits ab. Zayl stolperte über ein Loch im Boden und die Frauen vor uns stellten sich an die verlassene Bartheke.
"Mein Name ist Denise. Ich bin eine Ordenshexe des Hexenzirkels. Und das ist Milda." meinte sie und deutete auf die demente Dame neben ihr.
"Ihr... seid also Hexen?" fragte ich ungläubig und Denise nickte.
"Dann sind die Geschichten über den Hexenzirkel also..." murmelte Zayl und da hielt Denise uns an.
Sie nickte ihm zu und er blieb still.

Zayl und ich sahen uns gegenseitig an, unsicher, ob wir der Frau namens Denise glauben sollten.
Aber da tat sie etwas, das unseren Zweifel komplett ausräumte.
Sie nahm die alte Hexenfrau Milda fest an der Hand, stellte sich mit ihr in die Mitte des leeren Bargebäudes und flüsterte leise etwas vor sich hin.
Im nächsten Moment fuhr ein starker Wind durch den Raum und zog an meinen weißen, nun zerzausten Haaren. Der Wind bewegte sich innerhalb der Gebäudemauern, in einer Kreisbewegung und drehte sich um Denise und Milda herum.
Ich und Zayl stemmten uns gegen die Windböhe, die es in einem geschlossenen Raum eigentlich gar nicht geben durfte.
Bald fokussierte sich der Wind nur noch auf einen Punkt in der Mitte des Raumes, auf den Denise mit ihrer Fingerspitze zeigte. Dort bildete sich eine Kugel schwarzen Windes und wirbelnden Staubes.
Die Kugel verwabberte, dehnte sich aus und wurde irgendwann zu einer flachen, aufrecht stehenden Form, die man definitiv als Portal bezeichnen konnte.
"Kommt!" rief Denise uns zu und deutete auf das Portal, um das herum der Wind immer noch den Putz von den Wänden riss. Die Hexe hielt ihren Hut fest und die alte Dame, Milda, ging als erste durch das Portal.

"Wo gehen wir hin?!" rief ich durch den Wind und wir kamen zu der lächelnden, hübschen Hexe.
Ich hatte bereits eine Ahnung und hoffte auch darauf, dass die Legenden über die Hexen, die Walpurgisnacht und den Hexenzirkel wirklich wahr waren.

"Zum Hexenzirkel! Wo denkst du, wollen Hexen wie ich sonst hin?"

𝑺𝒏𝒐𝒘𝒇𝒂𝒍𝒍 𝒎𝒊𝒅 𝒔𝒖𝒎𝒎𝒆𝒓 |BLWo Geschichten leben. Entdecke jetzt