Kapitel 40

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Vor drei Tagen war meine Schwester hier aufgetaucht und seitdem war ich mit den Gedanken leider ständig bei dem Gespräch. Ich versuchte es zu verdrängen, die Zeit mit Ana einfach weiter zu genießen, aber es klappte nur so halbwegs. Meine Gedanken kreisten sich andauernd um die ganze Situation. Irgendwo hatte Lil recht. Aber ich konnte das mit Juli nicht mehr. Ich hatte zu sehr Angst vor diesem Panikgefühl, das seit der Beziehung mit Ana kein einziges Mal mehr aufgetaucht war. Ich hatte Angst, dass es zurück kam, in der Sekunde, in der ich mich wieder auf Juli zubewegte.
Auch bei meiner Freundin hatte der Besuch meiner Schwester Spuren hinterlassen, sie wirkte seitdem extrem nachdenklich. Ich wusste nicht genau, was ihr durch den Kopf ging, ob es der Hurenkommentar war oder etwas anderes, aber sie sprach auch nicht mit mir darüber.
Nun hatten wir allerdings erstmal sieben Tage Zweisamkeit in Dubai und ich hoffte, dass es dadurch wieder besser werden würde.

Julis POV

„Juli", Carolin sah mich bedauernd an und zog mich in eine feste Umarmung. Lilli hatte mich mit zu den Musialas geschleppt, denen sie in der Zwischenzeit scheinbar Bescheid gegeben hatte.
„Es tut mir alles so fürchterlich leid...", sie hielt ihre Hände an meine Wangen und zog mich dann erneut in eine Umarmung.
„Es ist schon in Ordnung...", murmelte ich.
„Nichts ist in Ordnung...", meinte Lilli hinter mir sauer.
„Mama ich schwöre dir, ich hätte ihm am liebsten-", sie verstummte und riss sich scheinbar zusammen.
Carolin schüttelte bloß ratlos ihren Kopf: „Na komm", damit zog sie mich in das Haus.
Nachdem ich Charly, den neuen Golden Retriever der Musialas, begrüßt hatte, erhob ich mich wieder aus meiner Hocke und sah zu den Treppen, die gerade Neo herunterlief.
„Neo, hey.", Jamals kleiner Bruder kam zu mir und umarmte mich kurz. In seinem Mund war ein Apfel, auf seiner Schulter eine große Sporttasche. Er griff sich den Hausschlüssel vom Tisch und wollte zur Tür gehen, wo ihm sich seine Mutter allerdings in den Weg stellte.
„Wo willst du hin?"
„Um Trng", meinte er durch den Apfel hindurch.
„Ganz bestimmt nicht. Bayern Training war heute Morgen schon."
„Aer Uskeltrng nich"
„Nimm den dummen Apfel aus deinem Mund.", Carolin sah ihn sauer an, er nahm ihn genervt raus.
„Danke. Und deine Muskeln kannst du morgen weitertrainieren. Abgesehen davon, dass man dir heute Ruhe verordnet hat, bleibst du ganz sicher hier, wenn Juli da ist."
„Er muss wirklich nicht wegen mi-", Carolin unterbrach mich.
„Doch muss er. Die Männer in diesem Haus haben scheinbar allesamt jeglichen Anstand verloren und sämtliche Erziehung vergessen.", dann fügte sie vor sich hin murmelnd hinzu: „Der eine mehr, der andere weniger..."
„Nur damit das klar ist, ich weniger. Jamal hat sich nh Flittchen besorgt, nicht i-", Lilli schlug ihrem Bruder einmal gegen den Kopf.
„Aua.", er rieb sich über die Stelle.
„Spinnst du??", zischte seine Schwester bloß.
„Es ist doch so."
„Ruhe, alle beide!", Carolin sah sie an, als wären die beiden völlig durchgeknallt und sie absolut nicht mehr in der Lage, irgendwas daran zu ändern, „Ich fasse euch drei nicht mehr! Ab jetzt an den Tisch, es gibt Essen."

„Juli nur zur Klarstellung, das sollte keine Wunden aufreißen. Mein Bruder ist ein hirnrissiger Volldepp. Ich stehe klar auf deiner Seite, wenn du Krieg führen willst oder so."
Auf mein Gesicht schlich sich ein Grinsen. Es war das erste echte Grinsen seit langem, keine Maske, kein müdes haha.
Wie Neo dasaß, mit seinem Handy in der Hand, die Beine breitgemacht und eine Hand hinter seinem Kopf verschränkt, so, als ginge ihn das hier alles gar nichts an, während er diese Worte von sich gab - es war tatsächlich lustig.
„Neo, du kennst die Regeln. Keine Handys am Tisch.", Carolin sah aus, als würde sie das alles hier gerade ihren letzten Nerv kosten.
Augenrollend steckte er es in seine vordere Hosentasche.
„Wie läuft es eigentlich mit deinem Mädchen?", ich sah ihn interessiert an, er kniff fragend die Augen zusammen.
„Welche genau meinst du?"
Während Carolin bloß den Kopf schüttelte, fing ich an zu lachen.
„Wow, gleich mehrere also. Ich meinte die, von der du mir erzählt hast."
Er überlegte kurz verwirrt, dann erhellte sich sein Blick: „Ahhh die. Hm ist schon länger wieder vorbei.", er winkte ab.
„Wären deine Noten so gut, wie deine Beziehungen vorbei gehen, wäre ich mehr als zufrieden mit deinem Zeugnis.", Carolin schüttelte ihren Kopf.
„Ach so bist du mittlerweile also drauf?", das Gespräch über das Mädchen vor einigen Monaten hatte ich anders in Erinnerung...
Neo zuckte bloß mit seinen Schultern: „Ich gehe ja mit keiner was ernstes ein. Ansonsten würde ich natürlich nicht immer wechseln, das wäre ja ehrenlos."
„Wow.", ich sah ihn fasziniert an, Lilli schüttelte bloß entsetzt ihren Kopf.
„Manchmal frage ich mich, wie du so werden konntest. Zwei Frauen in dem Haus und du suchst dir täglich eine dritte."
„Die fehlende Vaterrolle und die zu starke, weibliche Präsenz in meiner Erziehung haben wohl Spuren hinterlassen.", er grinste sie an, sie zeigte ihm den Vogel.
„Juli es tut mir leid... Ich bin mit meiner Erziehung am Ende,", Carolin hob ihre Hände in die Luft.
Ich grinste nur.
Das ganze hier amüsierte mich. Es tat gut, zwei Menschen bei Blödeleien zuzusehen, einmal nicht an Jamal und Anastasia zu denken.
„Danke, dass ich hier sein darf. Das war die bisher beste Zeit seit langem..."
„Guck, was Jamal nicht kann, können wir schon lange.", raunte Neo Lilli zu, während er ihr die Hand hinstreckte. Seine Schwester sah ihn allerdings an, als hätte er nicht mehr alle Latten am Zaun.
„Du spinnst."

Jamals POV

Ich schob meine Sonnenbrille in meine Haare und musterte meine Freundin. Wir saßen in einem Restaurant in Dubai, doch anstatt wirklich glücklich auszusehen, sah sie wieder mal nachdenklich, fast traurig aus.
Sie betrachtete ihre Nägel und biss sich auf ihre
Unterlippe.
Ich seufzte und richtete mich auf: „Was ist los Ana?", mit aufmerksamen Blick sah ich sie an.
Sie sah hoch.
"Ich will das nicht jetzt anschn-"
"Spuck es aus.", meinte ich nachdrücklich.
Sie seufzte: "Ich liebe dich wirklich Jamal, aber... was deine Schwester da letztens gesagt hat... Ich mag es nicht, die zweite Frau zu sein."
Ich sah sie überrascht an, was sollte das denn nun heißen?
"Was willst du damit sagen?"
"Solange du noch mit Juli verheiratet bist, sie deinen Namen noch trägt, deine Familie zu einhundert Prozent hinter ihr steht...", sie machte
eine kurze Sprechpause und schluckte, "kann ich das mit dir nicht zu hundert Prozent. Ich verdiene es die
erste Frau zu sein, nicht die Affäre, Jamal. Ich verdiene es, als deine Lebensgefährtin gekannt zu werden und irgendwann als deine Frau. Nicht als deine Ablenkung von deiner Trennung. Nicht als Hure, die Geschenke hier, Geschenke da bekommt und versucht, auf Krampf die Ex zu ersetzen. Ich bin meine eigene Person. Und ich verstehe, dass ihr beide eine lange, gemeinsame Geschichte teilt, aber du solltest dich auf deine Zukunft fokussieren und nicht auf deine Vergangenheit. Deine Familie wird mich erst akzeptieren, wenn du dich wirklich von Juli trennst."
Ich erstarrte.
Wollte sie gerade von mir, dass ich mich von Juli scheiden ließ??
"Ana, ich weiß nicht, was ich sagen soll-"
"Du brauchst gar nichts sagen, Jamal. Aber ich bitte dich, hör auf, dir diese Möglichkeit mit ihr länger aufrecht zu halten. Sonst zerstörst du uns..."
Ich sah auf den Tisch.
Alles war gerade dunkler geworden.
Ich wusste, dass sie irgendwo recht hatte, aber
war ich ernsthaft dazu bereit, mich von Juli zu scheiden?

Frohe Ostern euch allen :)

Endless love ? - Jamal MusialaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt