Kapitel 45

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Ich hatte gehofft, dass endlich wieder alles gut sein würde. Dass wir unser Leben weiterleben können, dass es wieder wir beide egal durch was heißen würde. Aber Hoffnungen sterben bekanntlich ja zuletzt.
Denn in dem Moment, in dem ich Jamals Gesicht sah, wie er vor meiner Wohnung aufgetaucht war, mitten unter der Woche, mitten in der Saison, hatte ich gewusst, dass nun die Bombe kommen würde, die die letzten Wochen rasant zerstören würde.

„Sie wollte sich treffen. Meinte es sei wichtig und dass sie Nachrichten habe, die ich definitiv wissen wollen würde.", es war die Art, wie er seine Hände zusammenhielt und sich über sein Gesicht fuhr. Wie er trocken auf den Boden starrte.
„Dann hat sie mir das gezeigt."

Jamals POV

Als ich das Cafe betrat, in dem mich Ana treffen wollte, hatte ich ein schlechtes Gefühl im Magen. Nicht nur weil ich mich nun mit ihr traf, sondern wieso ich mich mit ihr traf. Ihr Blick heute morgen im Training, da war etwas merkwürdiges gewesen. Eine Mischung aus Angst, Hilflosigkeit und ein wenig ... Genugtuung? Und ich bangte so sehr darum, was mich nun erwarten würde.
Sie wollte mich bei meiner Ankunft umarmen, ich passte. Ich sollte nicht einmal hier mit ihr sein. Juli gegenüber war dieses Treffen nicht fair.
Wir bestellten zwei Kaffees, dazu einen Kuchen für sie. Eigentlich wollte ich das alles nur so schnell wie möglich hinter mich bringen und dann aus diesem Cafe und damit aus ihrem Leben verschwinden, aber sie sah wohl keinen Grund zur Eile.
„Ana, so nett ich den Smalltalk auch finde, sag mir doch bitte einfach, wieso wir uns hier treffen. Das zwischen uns ist aus, das weißt du."
Sie schluckte: „Ja, das weiß ich. Aber an Smalltalk mit mir wirst du dich in Zukunft vermutlich gewöhnen."
Ich wollte protestieren, aber sie ließ mich nicht zu Rede kommen.
„Jamal, ich war überfällig."
Der Satz allein zog mich in eine andere Welt, ließ mich Böses erahnen.
Überfällig.
Nein, sie konnte nicht schwanger sein.
Sie durfte es nicht.
„Ich habe mir dabei zuerst nichts gedacht, aber dann kam Übelkeit dazu. Also bin ich zur Apotheke.", sie zog ein kleines, weißes Stäbchen hervor.
Das Plus auf dem gottverdammten Schwangerschaftstest zog mir den Boden unter den Füßen weg.
Zog mich in eine Welt, in der ich nichts tun konnte. In der ich, egal was ich tat, keinerlei Macht besaß. In der Pläne und Reue keinerlei Rolle spielten. Denn das Leben war größer als man selber.
Wie sagt man so schön? Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähle ihm von deinen Plänen.
„Du wirst Vater, wuhu.", sie jubelte ironisch und setzte dann ein trockenes, „Ob du willst oder nicht.", hinterher.
Ich würde Vater werden. Nicht mit Juli. Nicht mit meiner Ehefrau. Sondern mit meiner verdammten Affäre.
Nein, das durfte nicht sein.
Ich starrte sie fassungslos an. Zehn Sekunden, zwanzig Sekunden. Irgendwann fand ich meine Sprache wieder.
„Ich- wir- wir haben aufgepasst, wie um alles in der Welt-", murmelte ich leise.
„Keine Ahnung. Denkst du ich finde das toll? Du hast mich mit der Aussage verlassen, dass du mich nie so lieben wirst wie du Juli liebst und du das mit uns deswegen nicht mehr mitmachst, du deshalb keinen Kontakt mehr mit mir haben möchtest. Aber nun bin ich die Mutter deines Kindes, Jamal."
Und sie wusste, dass das alles veränderte.
Mir wurde es zu viel. Ich zog an dem Kragen meines Shirtes, rang nach Luft. Ich merkte, wie die Panik wieder aufstieg.
Ein
Aus
Ein
Aus
Ich versuchte die Methoden meines Therapeuten, aber diese waren nicht für solche Nachrichten gemacht.
Meine gesamte Welt stand Kopf. So lange hatte ich mir ein Kind gewünscht, aber nun kam es mit der falschen Frau. Wie konnte ich bloß denken, dass ich so einfach wieder mein altes Leben zurückbekommen könnte, ohne jegliche Strafe oder Auswirkung.
„Woher weiß ich, dass es meins ist?", meinte ich tonlos.
Um ehrlich zu sein, war das gerade meine größte Hoffnung.
Mir wäre der Fakt egal, dass sie es mir unterjubeln hätte wollen, solange es bloß nicht meines war. Und dieser Gedanke allein ließ mich fürchterlich fühlen.
„Hälst du mich ehrlich für so ein Schwein?", sie sah mich enttäuscht an.
„Keine Ahnung. Meine Affäre eröffnet mir gerade, dass wir trotz Verhütung und keines einzigen Unfalls ein gottverdammtes Kind erwarten. Was meinst du, wie ich mich fühle?", zischte ich, während ich mir über mein Gesicht fuhr.
„Affäre? Wow, so tief bin ich also gesunken.", sie schnaubte.
„Ana, was erwartest du von mir. Ich versuche gerade mein Leben wieder unter Kontrolle zu bekommen."
„ICH AUCH, JAMAL. Meinst du, mein Leben ist nach dieser ganzen Sache so toll? Während du deine Ehefrau zurück hast und von allen nur ein Er rappelt sich endlich wieder auf, wir sind so stolz zu hören bekommst, werde ich überall verachtet. Meinst du es ist schön, an meiner Arbeitsstelle, im Internet und Zuhause herabsenkende Blicke und Kommentare zu bekommen? Bei der Arbeit schaut man mich an, als wäre ich eine Hure. Die Frau, die sich hochschlafen wollte und dabei versagt hat. Im Internet werde ich täglich beleidigt, bekomme Morddrohungen Jamal, Morddrohungen. Ich wollte dieses Kind nicht, aber es ist nun mal da. Also entschuldige, wenn es dir nicht in dein perfektes Leben passt!"
Ich kaute auf meiner Lippe: „Und du willst es behalten?", die Frage ließ mich mich selbst anwidern. Niemals hätte ich gedacht, dass ich jemals so einen Satz rausbringen würde.
„Ich werde dieses Kind nicht abtreiben, auch wenn du dir das vielleicht wünscht, Jamal. Niemals!"
Ich nickte, knetete meine Finger und atmete durch.
„Nein, das wünsche ich mir nicht. Aber ich will einen Vaterschaftstest."
„Du weißt, dass das erst möglich ist, nachdem das Baby da ist."
„Ich will einen Vaterschaftstest.", meinte ich nachdrücklich.
„Schön, bekommst du in siebeneinhalb Monaten."
Ich nickte abermals.
„Ich- ich muss nach München. Ich muss das Juli sagen, ich-"
„Hier. Nimm das Teil mit, falls sie mir oder auch dir nicht glaubt.", sie hielt mir den Test hin, ich nahm ihn entgegen.
Am liebsten hätte ich das Teil in den Müll geworfen, es vergessen und einfach mein Leben weitergelebt. Aber das ging nun nicht mehr. Ana und ich wurden Eltern.
Scheiß, scheiße und nochmal scheiße.

Julis POV

Er zog etwas kleines aus seiner Jackentasche hervor. Etwas kleines, das Leben bereichern oder zerstören konnte. Etwas, was ich nur allzu oft selber in der Hand gehabt hatte. Und was jetzt die Bombe war, die alles zerstörte.
„Sie ist schwanger, Juli.", er flüsterte die Worte, sah mich mit Tränen in den Augen an.
Ich konnte nicht weinen.
Ich konnte nichts sagen.
Ich konnte nichts tun.
Ich schluckte einfach nur.
Ein Baby.
Das veränderte alles.
Tausende Gedanken schossen mir durch den Kopf.
Er wurde Vater. Und ich war nicht die Mutter.
Und genau in dem Moment realisierte ich etwas. Etwas zwischen Jamal und mir war mit diesem Tod unseres Kindes damals zerbrochen. Etwas, das niemals gefixt werden konnte und niemals gefixt werden kann.
Das jeden verzweifelten Versuch auf ein einfaches Zusammenleben zu nichte machte.
Und dieses Baby, das Baby mit Ana, bot ihm das, was uns beiden gefehlt hatte.

Endless love ? - Jamal MusialaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt