Kapitel 3

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Ich wälzte mich in unserem Bett hin und her.
Seit drei Stunden starrte ich zwischen Jamal, der Zimmerdecke und der Uhr hin und her.
Ich verstand es einfach nicht.
Es war alles gut gewesen.
Oder zumindest hatte ich das gedacht.
"Juli, bitte. Kannst du aufhören?"
Ich hielt in der Bewegung inne und starrte in die Luft.
Dann, nach einigen Sekunden hielt ich es nicht mehr aus: "Nein. Nein, kann ich nicht! Ich verstehe es nicht. Seit wann willst du wechseln? Wie lange machst du mir schon vor, dass du bei Bayern glücklich bist?! Warst du es überhaupt jemals?!"
"Was? Ja natürlich! Ich mache dir das nicht lange vor, ich-...", er brach seinen Redeschwall ab, um deutlich leiser fortzufahren, "keine Ahnung. Du verstehst das nicht, ich... ich verstehe es ja selbst nicht! Aber es tut mir leid, Juli! So verdammt leid, okay?!"
"Ich liebe dich. Und ich werde dich wegen dieses Wechsels nicht verlassen oder was auch immer du dachtetst, als du beschlossen hast, nicht mit mir darüber zu reden, aber ich verstehe es einfach nicht. Wieso?! Wieso hast du es mir nicht schon früher gesagt?"
"Weil...", er klang extrem verzweifelt, "Weil ich verdammt nochmal Angst hatte! Wir erwarten ein Baby, du hast einen Job, diese Wohnung, unsere Freunde, alles sagt mir ich soll hier bleiben. Nur ich selbst will es nicht..."
Er wurde immer leiser und es brach mir wirklich das Herz.
Darum drehte ich mich in dem Bett einmal herum und sah meinen Ehemann an. Er drehte sich ebenfalls zu mir herum und sah mich auf eine Weise an, die ich kannte.
Ein Blick, der sich damals wohl irgendwie in mein Gehirn gebrannt hatte und mir jetzt ein Déjà-vu gab.
Es war die Art von Blick, den er mir damals auf der Bank geschenkt hatte, kurz nachdem seine kleine Schwester gestanden hatte, dass sie das mit den Schmierereien gewesen war.
Als ich dachte, wir würden endlich wieder zusammenfinden.
Als er mir eine Freundschaft angeboten hatte.
Ich wusste nicht mal, dass diese Bilder noch so genau in meinem Gehirn gespeichert waren.
Ich wusste ja nicht mal mehr, dass ich überhaupt Erinnerungen daran hatte...

Frustriert stand ich auf.
Es waren 2 Stunden vergangen, seit ich Jamal zuletzt erklärt hatte, dass ich ihn nicht verlassen würde, egal wie seine Entscheidung ausfiel.
Und obwohl ich es wollte, konnte ich nicht mehr einschlafen, weshalb ich jetzt wie eine Gestörte in die Küche lief und mir ein Glas Milch einschenkte.
Ich lehnte mich gegen die Küchentheke und sah aus dem riesigen Fenster, mir gegenüber.
Vor mir war die Sicht auf München freigegeben, ein Anblick, den ich eigentlich über alles liebte. Und jetzt hatte ich nur noch das Gefühl, hier weg zu müssen.
Als wäre das nicht mehr mein Zuhause, als würde München uns nicht mehr haben wollen.
Als würde die Stadt uns vertreiben wollen.
Ich merkte, wie die Luft in meinen Lungen knapper wurde und ich versuchte, mit meinem Mund nach Luft zu schnappen.
Ich merkte, wie ich versuchte durch scharfe Atemzüge nach Luft zu ringen und wie ich zwar sehr wohl atmete, aber trotzdem keine Luft bekam.
Wie der Sauerstoff knapper wurde und das Panikgefühl wieder auftauchte.
Ich zog erneut scharf die Luft ein und versuchte mich zu beruhigen.
3 Sekunden einatmen,
6 Sekunden ausatmen.
3 Sekunden einatmen,
6 Sekunden ausatmen.
3 Sekunden einatmen,
6 Sekunden ausatmen.
Immer wieder machte ich es, bis das Gefühl der aufsteigenden Panik langsam verschwand.
Verzweifelt strich ich mir über meine Stirn.
Die letzte Panikattacke hatte ich vor ungefähr 2 Jahren gehabt.
Es war Jamals und mein größter und längste Streit seit der Beziehungspause im Teenageralter.
Und mir ging es in der Zeit noch viel dreckiger, als nach dem damaligen Schluss machen. Obwohl ich nie gedacht hätte, dass das möglich wäre...
2 Monate hatten wir fast überhaupt nicht geredet, wenn doch, dann hatten wir uns angeschrien.
2 verdammte Monate.
Und ich wusste bis heute nicht, ob wir jemals wieder zusammengefunden hätten, wenn ich nicht wegen einer meiner zig Panikattacken im Krankenhaus gelandet wäre...
Ohne zu wissen, was ich eigentlich tat, wählte ich die Nummer von Mathea.
Nach einigem Klingeln nahm eine verschlafene Stimme den Anruf dann aber glücklicherweise doch an.
"Hallo? Wer ist da?", ich konnte mir bildlich visualisieren, wie sie sich totmüde durch die Haare strich und den Anrufer verteufelte.
"Mathea?", meine Stimme war ein krächziges Flüstern, ich konnte hören, wie sie sich entsetzt kerzengerade aufsetzte.
"Juli? Gott, was ist los? Geht es Jamal gut?!"
"Ich schätze das ist Interpretationssache..."

Endless love ? - Jamal MusialaWhere stories live. Discover now