Kapitel 38

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Der Einzug war reibungslos verlaufen. Serge hatte keine einzige Anmerkung gemacht, ebenso Leon und Mathea nicht. Ab und zu, wenn sie dachten, dass ich es aufgrund von Beschäftigung nicht mitbekam, spürte ich allerdings ihre besorgten Blickte auf mir. Ihr Mitleid, ihr „wann bricht die Arme bloß wieder zusammen".
Ich war bei den Goretzkas zum Abendessen gewesen, hatte keinen Tom über die Trennung verloren.
Ich hatte versucht, mir ein Lächeln aufs Gesicht zu setzen und ich glaubte, die Maske war gut gewesen. Abnehmbar.
Die Tage schleppten sich dahin. Ich könnte davon erzählen, wie ich mein Leben eintönig lebte, wie ich eine Maske bildete. Aber das war nicht relevant. Einfach nur mitleidserregend.
Ich könnte von Jamals Geburtstag erzählen, den ich am liebsten einfach übersprungen hätte. Was tat man an dem Geburtstag seines Mannes, der mit einer anderen feierte?
Auf Matheas Rat hin, hatte ich ihm lediglich eine Textnachricht geschickt, die er Stunden später mit einem „Danke. Ich hoffe, es geht dir gut" beantwortet hatte.
Ja, ich könnte von meinem Heulanfall danach erzählen. Aber ich wollte es nicht.
Stattdessen würde ich ein paar Monate vorspulen. Meine Eltern wussten mittlerweile von der Trennung, Jamals nicht. Ich wusste nicht, was sein Ziel war, ob er es ihnen erst nach der Scheidung sagen wollte oder einfach gar nicht. Aber Carolins Nachrichten ständig nur halb zu beantworten, tat mir mittlerweile wirklich leid.
Ich verstand ihn auch irgendwo. Meinen Eltern davon zu erzählen, war schrecklich gewesen. Und er würde sicher sein Leben riskieren, so wie ich seine Eltern kannte. Dennoch - er war in der Lage dazu, sich von mir zu trennen, dann sollte er auch den Mut haben, seiner Familie davon zu erzählen. Ich verstand eh nicht, wie sie das noch nicht herausgefunden hatten. Die Medien stürzten sich mittlerweile nur so auf die ganze Geschichte. Und dass Neo und Lilli das nicht gelesen hatten, war wirklich beinahe unlogisch.

„Frau Musiala?", mein Chef kam in mein Zimmer.
„Ich habe einen Auftrag für Sie. Am Freitag ist sozusagen unser Tag der offenen Türe. Sie sollen an die Uni gehen und unsere Firma repräsentieren. Ist das in Ordnung?", ich war von seiner Aufgabe erstmal so überrumpelt, dass ich nicht bemerkte, dass das ganze sowas von nach hinten losgehen könnte.
„Gibt es dafür nicht eine besser geeignete Person?", die Firma hatte zig Mitglieder und dass ausgerechnet ich an die Uni sollte, wunderte mich.
„Ich bin mir sicher, Sie machen das hervorragend, so wie Ihren restlichen Job.", ich sah ihn mit hochgezogener Braue an, er sprach weiter, „Und Sie sind nun mal unsere berühmteste Vertreterin, wir denken, dass das ein hoher Pluspunkt ist.", die letzten beiden Sätze waren ihm sichtlich unangenehm.
Natürlich - mein Nachname hatte mir das eingebrockt...
Trotzdem nickte ich und setzte meine sehr geübte alles einfach weglächeln Maske auf: „Was genau muss ich machen?"
Herr Steinberger fing an zu strahlen und zeigte seine blitzblanken Zähne: „Nur eine Präsentation halten, die hat man Ihnen schon vorbereitet. Ansonsten auf Fragen eingehen, das wars."
Na wundervoll...

Der Freitag war schneller gekommen als gedacht und schon befand ich mich in meiner alten Uni, dieses Mal im unteren Teil des Hörsaales und nicht auf den Sitzen.
Dieser füllte sich rappelvoll und ich verfluchte meinen Chef immer mehr.
Als es schließlich Zeit war, begann ich zu sprechen.
Bei der etwa sechsten von vierundzwanzig Folien ließ ich meinen Blick einmal über die Menge schweifen. Plötzlich begann ich mitten im Satz abzubrechen, da mir ein nur allzu bekanntes Gesicht verwirrt entgegen sah.
Ich schluckte, meine Hände wurden sofort nasser. Niemand geringeres als meine Schwägerin, Lilli, saß auf einem der Sitzplätze.
Natürlich...sie studierte das gleiche wie ich.
Ich wäre am liebsten rausgerannt, hätte meinem Chef gesagt er solle es selber machen, aber das war natürlich keine Option. Stattdessen riss ich mich zusammen und versuchte mich wieder zu konzentrieren.
Die ganze Präsentation über spürte ich ihren Blick auf mir und ich betete einfach nur noch, aus diesem Raum rausgehen zu dürfen.
Am Ende angelangt, setzte ich wieder mein einstudiertes Lächeln auf und sah, ohne auch nur in die Nähe von Lilli zu gucken, zu den Studenten.
„Haben Sie noch Fragen?"
Die ersten beiden Fragen waren gut, ich konnte sie fachbezogen ohne Probleme beantworten.
Dann allerdings hob ein blonder Mann seine Hand. Schon wie er dasaß, völlig entspannt, die Miene zu einem spöttischen Lächeln verzogen und die Haltung eines reichen Muttersöhnchens, gaben mir eine böse Vorahnung.
Ich konnte ihn leider aber auch nicht ignorieren, weshalb ich ihn schließlich aufrief.
„Kurze Frage: Wurde Ihnen bei der Trennung der Geldhahn zugedreht oder wieso arbeiten Sie wieder?"
Mehrere hundert Studierende richteten ihren Blick auf mich. Jeder von ihnen starrte mich an, die einen mitleidserfüllt, die anderen belustigt, wieder andere verwirrt. Mein Blick ging zu Lilli, die entsetzt etwas in ihr Handy tippte und dann langsam und fassungslos den Kopf hob. Sie starrte mich an, in ihrem Gehirn arbeitete es.
Wundervoll...
Ich atmete einmal tief durch: „Noch weitere Fragen?"
Erneut streckte der Idiot grinsend die Hand. Ich ignorierte ihn dieses Mal, es war mir völlig egal.
„Ey dieses Mal ist es fachbezogen.", ich schloss kurz meine Augen und wandte mich ihm dann zu. Er grinste noch dämlicher als zuvor, weshalb ich ihm am liebsten eine geklatscht hätte.
Er nahm meine Zuwendung als Aufforderung, zu sprechen: „Wenn ich in Ihrer Firma anfange, bekomme ich dann zum Start ein signiertes Musiala Trikot? Wegen mir auch eins von Bayern, wenn Sie die Möglichkeit für nh Real Trikot nicht mehr haben."
Normalerweise hätte ich einfach meinen Mund halten sollen, aber mir reichte es: „Wir stellen in unserer Firma nur Menschen mit Respekt ein, also wirst du ganz sicher nicht bei uns anfangen. Generell bist du dazu aufgefordert, dein Zeug zusammenzupacken, dir dein arrogantes Grinsen von deinem Gesicht zu wischen und den Hörsaal zu verlassen. Und wenn du meinst, dass das hier keine Konsequenzen hat, liegst du falsch.", ich zeigte auf die Tür und starrte ihn an. Ein paar Leute unterdrückten ein lautes Loslachen, während Blondchen nach kurzer Fassungslosigkeit nun tatsächlich sein Zeug zusammenpackte.
„Mir doch egal, eine Firma, die eine ehemalige Spielerfrau als Repräsentantin wählt, ist eh nicht so mein Ziel."
Damit verließ er den Raum, ich ließ meine Hand wieder sinken.
„Hat nun wer noch Fragen?", ich ließ meinen Blick durch die Reihen schweifen, vereinzeltes Kopfschütteln, sonst keinerlei Regung.
Deshalb verabschiedete ich mich und ließ die Leute gehen.
„Der Typ war Simon Herrenberg. Schnösel und Arsch.", ich sah von meinem Pult auf, vor mir stand Lilli, „Gehts dir gut?", sie sah mich besorgt an.
„Geht schon. Ich hatte nur kurz Angst, dass er sitzenbleibt und ich den Rest meiner Würde auch noch verliere...", sie lächelte mitleidig.
„Wieso hast du nichts gesagt? Mama und ich haben uns voll Sorgen um euch gemacht. Immer wenn wir bei Jamal angerufen haben, warst du angeblich unterwegs, am schlafen oder sonst was. Und dass du nie an Anrufe rangegangen bist und stattdessen immer eine Stunde später geschrieben hast Tut mir leid, hab den Anruf nicht gehört hat nichts besser gemacht."
„Ich wollte Jamal das ausbaden lassen...", murmelte ich, sie sah mich noch mitleidiger an.
„Gehen wir was essen? Und dann erzählst mir alles, okay? Mir egal, ob du nicht drüber reden möchtest."
Ich nickte: „Ich muss vorher aber noch kurz diese Simon Herrenberg Sache klären..."

„Und dann hat er einfach was mit ihr angefangen?", Lilli sah mich bestürzt-fassungslos an. Ich verzog meine Lippen zu einem Strich.
„Oh mein Gott...", sie sprach leise, „Ich- ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es tut mir so unglaublich leid Juli, ich-", sie raufte sich die Haare.
„Ist schon gut.", ich nahm ihre Hand und drückte sie kurz.
„Nein, ist es ganz sicher nicht. Der Typ wird sein blaues Wunder erleben..."

Endless love ? - Jamal MusialaΌπου ζουν οι ιστορίες. Ανακάλυψε τώρα