Prolog - Gwendolyns Sicht

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AC/DC dröhnte durch meine Kopfhörer in meine Ohren, während ich mich auf das Sofa des Gemeinschaftsraumes fallen ließ. Es grenzte eigentlich fast an ein Wunder, dass ich hier war, denn damit es so weit kommen konnte, waren tagelange Diskussionen nötig gewesen. Es war nicht das gemütliche, kleine Reihenhaus gewesen, das ich nicht verlassen wollte. Und es lag auch nicht daran, dass ich meine Schule nicht hatte verlassen wollen, ganz im Gegenteil, ich würde keinen Schritt mehr in dieses gottverdammte Gebäude setzen.

Es lag ganz alleine an den Menschen, die mir wichtiger waren, als alles andere und die ich nicht bereit war zu verlassen - meine Familie, meine Mutter und meine 5 Jährige kleine Schwester. Wie sollte ich diese alleine lassen? Es waren lediglich 3 Gründe, die mich letztendlich dazu gebracht hatten, meinen Standpunkt zu ändern. Der erste Grund war die Tatsache, dass ich meine Sturheit eindeutig von meiner Mutter vererbt bekommen habe und sie mir in dieser Hinsicht somit in nichts nachstand. Der zweite war, dass mich keine 10 Pferde mehr in meine alte Schule gebracht hätten und die Lindenhof Schule mit einer Stunde Entfernung nun mal die nächstgelegene Schule mit gymnasialer Oberstufe gewesen ist. Ohne den dritten Grund würde ich jetzt jedoch, trotz des Hasses auf meine alte Schule, nicht hier sitzen und meinen Fuß zur Musik mitwippen lassen, während ich meine Hausaufgaben erledigte. Dieser Letzte war nämlich der ausschlaggebende Punkt gewesen, der mich meine Meinung hat ändern lassen. Der neue Job meiner Mutter. Sie hatte eine Stelle in einer Privatklinik angenommen, die es ihr ermöglichte, auch ohne Hilfe für meine kleine Schwester Julia zu sorgen. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte kein Argument dieser Welt mich dazu gebracht, zuzustimmen.

Nun war ich bereits seit 3 Monaten hier und musste zugeben, dass es mir irgendwie gefiel. Das Internatsgebäude schien früher wohl ein teures Anwesen gewesen zu sein und war dementsprechend nicht nur riesig, sondern auch unglaublich schön anzusehen. Es war komplett in Weiß gehalten, nur der grüne Efeu, der sich an manchen Stellen der Fassade emporrankte, bildete einen hübschen bunten Kontrast. Die vielen Fenster rundeten das Gesamtbild ab und sorgten im Inneren für viel Tageslicht. Das Anwesen hatte eine U-Form, sodass der vordere Schulhof vom Schulgebäude eingerahmt wurde. Die beiden abgeknickten Gebäudeteile stellten den Mädchentrakt - links - und den Jungstrakt - rechts - dar. Der mittlere Hauptteil des Gebäudes bestand hingegen aus den Klassenräumen, den Lehrerzimmern sowie wichtigen Räumen, wie beispielsweise dem Sekretariat und dem Krankentrakt.

Ich selbst war vorhin nach Mathe, der letzten Stunde, die ich Donnerstags hatte, ins Erdgeschoss des linken Flügels verschwunden, da der Gemeinschaftsraum von uns Mädels sich dort befand. Mary hatte mir gesagt, sie würde nachkommen, nachdem sie kurz bei ihrem Bruder vorbeigeschaut hätte. Mary hieß eigentlich Mariella und teilte sich das Zimmer mit mir. Das schon unnatürlich schüchterne Mädchen hatte einen kompletten Tag gebraucht, bis sie mal mehr mit mir gesprochen hatte, als kurze Sätze, die aus 3 bis 4 Worten bestanden. Obwohl sie damit das komplette Gegenteil von mir und meiner selbstsicheren, direkten Art war, fand ich die 16-jährige irgendwie sympathisch, was wohl unter anderem auch daran lag, dass sie den Beschützerinstinkt in mir weckte, der sich sonst immer bei meiner Schwester Julia regte. Ja, auch weibliche Individuen konnten einen Beschützerinstinkt haben, vor allem, wenn sie wie ich jahrelang Kampfsport betrieben und damit locker jedem aufgeblasenen möchtegern Bad Boy die Luft aus den Segeln nahmen. Und von denen gab es an jeder Schule immer genug. Da ich bereits das 3. Mal die Schule gewechselt hatte, sprach ich aus Erfahrung.
„Hey, Gwendolyn"
Ich hob den Kopf, als ich die immer leise Stimme von Mary hörte, die gerade zur Tür reinkam. Das süße, kleine, zierliche Mädchen mit den blonden langen Haaren und den blauen Augen war sogar was das Aussehen anging mein Gegenteil. Meine Haare waren kürzer, nicht mal ganz brustlang und leuchteten in einem kräftigen, dunklen Rotbraun. Während Mariellas blaue Augen sich immer unsicher umzusehen schienen, funkelten meine Grünen meistens herausfordernd und selbstbewusst. Hinzu kam, dass ich sie mit meinen 1.75m, die gut zu meiner schlanken sportlichen Figur passten, um mehr als einen Kopf überragte, wodurch wir also in jeder Hinsicht ein ziemliches Kontrastprogramm darstellten.

Do You Believe In Fate?Where stories live. Discover now