Kapitel 12 - Juans Sicht

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Ezra öffnete den Mund um bei unserer Konversation noch etwas Produktives beizusteuern, als Frau Feé und Herr Jacobs uns durch Gesten zeigten, dass wir langsam in den Bus einsteigen sollten. Sofort sah ich, wie Ezras Gesichtszüge erschlafften und er zu Lilli sah. In den letzten zwei Tagen, die wir noch in Calella beziehungsweise Spanien waren, war es schließlich nicht mehr vorgesehen, dass wir noch einmal nach Barcelona fuhren. Lilli erwiderte den Blick schwach lächelnd, ehe sie sich Gwen und mir zuwandte und uns beiden die Hand reichte, welche ich zuerst argwöhnisch ergriff. Zu sagen gab es nichts, immerhin kannten wir das Mädchen überhaupt nicht. „Lass uns vorgehen. Dann haben die beiden noch Zeit um sich zu verabschieden" murmelte ich in Gwens Richtung, welche stumm nickte und sich an meiner Seite dem Bus näherte.

Als wir noch einmal über die Schulter zurück blickten, sahen wir, wie Ezra die Spanierin umarmte und sie schlussendlich in einen Kuss verwickelte, den sie scheinbar nur zu gern erwiderte, denn sie zog meinen besten Freund mit ihren Armen in seinem Nacken näher an sich heran - so als wolle sie ihn nur ungern gehen lassen wollen. Gwen schüttelte nur überrascht und ungläubig ihren Kopf, während ich bereits weiter lief und durch die hintere Tür in den Bus einstieg. Es saßen bereits einige Schüler auf ihren Plätzen, unter anderem auch Mary, welche sich von ihrem Bruder getrennt hatte und auf Gwen wartete, welche sich zu ihrer Freundin setzte. Ich ließ mich zwei Reihen hinter den beiden auf einer freien Sitzbank nieder, wo ich ohne Probleme nach draußen schauen konnte. Herr Jacobs und Frau Feé standen in meinem Blickfeld, wobei ich sie gelangweilt beobachtete und mich für einen Moment fragte, ob die beiden immer noch beste Freunde waren oder bereits eine etwas inoffizielle Beziehung führten.

Ein paar Minuten später ließ sich ein schlecht gelaunter Ezra neben mir nieder, welcher seine Arme vor der Brust verschränkte und sich seine Kopfhörerin die Ohren steckte. „Da hat wohl jemand Sehnsucht nach jemandem" stellte ich fest, machte mir jedoch nicht die Mühe, meine Stimme zu senken. Ezra selbst,welcher seine Musik bis zum Maximum aufgedreht hatte, hörte mich nicht, stattdessen drehte sich Gwen grinsend zu uns um - wobei sie sich falschrum auf ihren Sitz kniete, damit sie über diesen zu uns sehen konnte - um Ezra einen Moment anzusehen. „Der meint das wirklich ernst mit ihr." Wissend nickte ich auf Gwendolyns Worte. Aber leider hatte Ezra nicht an die Folgen gedacht. Immerhin lebte er in Deutschland, während Lilli in Spanien zuhause war. „Aber ich schätze nach dem Abi wird er ohnehin sofort wieder nach Spanien kommen", erwiderte ich, denn der Spanier hatte schon immer an seiner Heimat gehangen, weswegen ich nie wirklich überrascht darüber war, wenn er von Barcelona schwärmte. Der Besagte hörte uns zwar immer noch nicht, merkte jedoch dass er von uns beiden beobachtet wurde und riss sich genervt seine Kopfhörer aus den Ohren. Von seinem typischen Grinsen war nichts zu sehen. „Was?" Wie auf Kommando hoben Gwen und ich gleichzeitig unsere Augenbrauen, aufgrund seines harschen Tones, nahmen es jedoch nicht allzu persönlich. Diese Laune war einfach der Nebeneffekt des Liebeskummers. „Wir hätten nicht gedacht, dass du so einen kurzen Urlaubsflirt ernst meinst. Immerhin kennst du sie erst seit ganzen zwei Tagen" Meine Erklärung war vielleicht etwas zu direkt gewesen, doch Ezra schien sich dadurch seltsamerweise zu entspannen. Er ließ seine Schultern fallen und lehnte seinen Kopf gegen den Sitz. „Hätt' ich auch nicht gedacht. Aber Lilli ist wirklich unglaublich" Ein leichtes Lächeln schlich sich auf seine Lippen, worauf ich mit Gwen einen kurzen Blick tauschte. Wir beide waren uns einig. Wir glaubten beide weder an die erste große Liebe noch an die Liebe auf den ersten Blick.

„Ihr versteht mich nicht" verteidigte sich Ezra und warf mir einen grimmigen Blick zu. Ich würde scheinbar die nächsten Tage mit einem äußerst schlecht gelaunten Spanier verbringen müssen, worauf ich ehrlich gesagt keine große Lust hatte - aber wozu gab es bitte beste Freunde?

„Zwei, Vier, Sechs, Acht,... Gwendolyn, nicht Juan und Ezra schöne Augen machen. Hinsetzen." Unser Geschichtslehrer begann durch den Busflur zu laufen und die Schüler zu zählen, so dass wir endlich losfahren konnten. "Tut mir leid, Herr Jacobs, Sie enttäuschen zu müssen aber Ezra hier ist unsterblich und hoffnungslos in eine Spanierin verliebt und Juan ist mein bester Freund aus alten Tagen. Ich habe kein Interesse einem der beiden schöne Augen zu machen" ertöhnte Gwens Stimme von vorne, wobei ich Ezra mit einem kurzen Blick davon abhielt, aufzuspringen und zu protestieren. "Aber dass das kein Hindernis ist, wisst ihr ja mittlerweile...leider" Jacobs grinste uns beide scheinheilig an, worauf wir jedoch nichts erwidern. Denn so viel wollte ich nun auch wieder nicht von dem Privatleben meiner Lehrer wissen.

Do You Believe In Fate?Where stories live. Discover now