Kapitel 22 - Juans Sicht

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Heute war später Samstagnachmittag, der 21. August. Und somit der letzte Samstag in den Sommerferien. Ich saß neben Ezra auf der Schulmauer und beobachtete, wie die beiden Schulsprecher ihr zusammengetrommeltes Aufbauteam dazu animierten, Getränkekisten und Biertischgarnituren über den Schulhof zu tragen. "Lass mich raten, du wirst nicht mit uns mitfeiern wollen?", fragte Ezra ohne den Blick von dem Geschehen auf dem Hof zu wenden. Heute war die Feier, die jedes Jahr vor dem Schuljahresbeginn veranstaltet wurde und somit konnte man auch mit lauter Musik, fließendem Alkohol und vor allem mit vielen Leuten rechnen. Allein der letzte Punkt der Aufzählung war der Grund dafür, dass ich nicht vorhatte, auf der Party aufzutauchen. Viel eher besorgte ich mir noch vor dem offiziellen Start der Feier ein, zwei Flaschen Bier und verzog mich in dem Wald, wo mir keine Menschenseele auf den Geist gehen konnte. "Gut geraten", antwortete ich nur und ließ meine Beine von der Mauer baumeln. Es würden mich keine zehn Pferde dazu bringen, mich der Menschenmenge zu nähern, die sich hoffnungslos besäufte um den Schulanfang irgendwie zu überstehen.

Es war bereits alles auf dem Schulhof aufgebaut, sodass die Getränke und die Tische die letzten Dinge waren, die in die Nähe der improvisierten Tanzfläche - welche durch Lichterketten beleuchtet und durch ein frisch gemähtes Plätzchen auf der Wiese gekennzeichnet wurde - aufgestellt wurden. Selbst der Mischpult, hinter dem ein Schüler aus meiner Parallelklasse auflegen würde, stand startbereit nahe dem beleuchteten Platz, wobei der Hobby-DJ bereits daran herumhantierte und sich die Kopfhörer auf die Ohren setzte. "Ich werd mich jetzt gleich aus dem Staub machen, sonst musst du mich noch später ins Krankenhaus fahren weil meine Menschenallergie eingesetzt hat." Ich machte Anstalten aufzustehen, weswegen Ezra mit den Augen rollte. "Du hast solche sozialen Probleme, weißt du das?" Auf diese Frage antwortete ich nur mit einem leichten Schmunzeln und legte die Stirn fragend in Falten, als mein bester Freund seinen Blick auf einen Punkt hinter mir richtete und breit zu grinsen begann.

"Schau mal an...wer kommt denn da?" Diese rethorische Frage ließ mich umdrehen, was sich jedoch als Fehler erwies. Denn als ich sah, dass Gwen es war, die auf mich zukam, merkte ich spürbar wie mein Mund allmählich trockener wurde. Allein bei der Wirkung, die sie auf mich hatte, war ich mir sicher, dass sie niemals von meinen Gefühlen erfahren durfte. Ich hatte Gwen seit 5 Wochen nicht mehr zu Gesicht bekommen, da sie über die Sommerferien zu ihrer Familie gefahren war. Ich war lediglich im Internat geblieben und hatte nur für eine einzige Woche meinen Onkel in Frankreich besucht, bis Ezra aus Spanien zurückgekommen war. Wie immer war er noch braungebrannter gewesen als sonst und seit er vor einer Woche vor meiner Zimmertür stand, hatte das Grinsen kein einziges Mal sein Gesicht verlassen - schließlich hatte er 4 ganze Wochen in Spanien in seiner und in der Heimat seiner neuen Flamme verbracht, mit der er sich scheinbar jeden zweiten Tag getroffen hatte.

"Hey" Gwen hob zur Begrüßung die Hand und blickte von mir zu Ezra und wieder zurück. Auch sie schien völlig entspannt aus den Ferien zurückgekommen zu sein. Wie im Chor erwiderten wir den Gruß, ehe ich mich schließlich umsah um mich erstens von der Anwesenheit Gwens abzulenken und um mich zweitens nach den Schülern umzusehen, die bereits eingetrudelt waren. Es waren nicht viele aber ich war mir sicher, dass es nicht lange dauern würde, bis der Schulhof so gefüllt war, dass ich mich selbst nicht mehr in normaler Lautstärke verstehen konnte.
"Wie waren eure Ferien?" fragte Gwen, wobei mein Nebensitzer zu erzählen begann, was er in Spanien alles getan hatte. Ich hielt mich bewusst zurück und versuchte den Blick Gwens zu ignorieren, der hin und wieder auf mir zu liegen schien, während sie sich mit Ezra über die Ferien unterhielt. Es war ein seltsames Gefühl nach 5 Wochen, in denen ich nicht mehr versucht hatte, mir einzureden dass es nur vorübergehende 'Frühlingsgefühle' waren, wieder neben ihr zu stehen.

Ich hatte keine wirkliche Möglichkeit gehabt mich in den Ferien abzulenken.

Die Musik wurde aufgedreht, worauf eine laute Discomusik den Schulhof übertöhnte. "Bis später - Mir wird das hier zu voll." Kaum hatte ich mich umgedreht sah ich, wie Aiden zusammen mit Clemént an seiner Seite das Schulgebäude verlassen hatte, wobei der 'Neue' anzüglich in unsere Richtung grinste. Auch Gwen hatte die beiden scheinbar entdeckt, denn sie murmelte nur ein "Ich komm mit", bevor sie voran ging um für mich und sich zwei Flaschen Bier aus den Getränkekisten zu nehmen. Beinahe ließ sie mir dabei keine Gelegenheit zu protestierten, aber immerhin war es nur fair, ihr weiterhin zu helfen, ihrem Exfreund zu erklären, dass sie keine Interesse an ihm hatte. Also nahm ich die Flasche, die sie mir hinhielt, entgegen und blickte kurz zurück zu Ezra, der ein breites Grinsen aufgesetzt hatte und einen Zwanzig-Euro-Schein aus seiner Hosentasche zog. Was hatte er bitte vor?

Do You Believe In Fate?Where stories live. Discover now