Kapitel 30 - Juans Sicht

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Für einen Moment konnte ich mich nicht mehr rühren und suchte in dem Gesicht meines Erzeugers Anzeichen dafür, dass all das nur ein Scherz war. Doch er hob nur provokant lächelnd die Augenbrauen und beobachtete genüsslich unsere Reaktionen, die bei beiden gleich ausfiel: Geschockt. Ich datete meine Halbschwester.

"Das ist ein Scherz oder?" platzte es aus mir heraus, als ich meine Sprache wieder gefunden hatte, erhielt als Antwort jedoch lediglich ein kurzes Kopfschütteln. "Seh ich so aus als würde ich Scherze machen?" konterte mein Vater kühl und nickte in meine Richtung.

„Also? Wie lange muss ich warten, bis du deine Meinung änderst, zur Vernunft kommst und mit mir zurück nach Portugal fliegst? León, mein Sohn. Was gibt es jetzt hier, was dich in diesem Internat hält? Du kannst deinen Privatunterricht wieder aufnehmen und Abitur machen. Du hast zuhause deine Ruhe und wenn du fertig bist mit der Schule, hast du einen sicheren Arbeitsplatz. Das ist eine Familientradition und das weißt du, León. Dein Großvater war Regiesseur, dessen Vater und nach mir wirst auch du die Befehle geben." Ich blinzelte kurz, als mein Vater mich mit meinem zweiten Vornamen ansprach. Ich hatte es beinahe vergessen - in meinem Elternhaus hatte mich jeder mit León angesprochen. „Ich möchte diesen Arbeitsplatz nicht. Ich möchte auch diesen Ruhm und Reichtum nicht und wieso sprichst du von Ruhe? Jeden Tag stehen sicher etliche Reporter um das Haus herum und richten ihre Kameras auf euch. Ich möchte nichts in den Arsch geschoben bekommen." Ich hatte keine Lust mehr auf lange Diskussionen, denn noch immer schwirrte mir die neue Information im Kopf herum und nahm meine volle Aufmerksamkeit ein.

Sie ist meine Halbschwester...sie ist verwandt mit mir...das gleiche Blut...

„Sei nicht albern, mein Sohn." Mein Ebenbild wurde langsam aber sicher ungeduldig und ließ seine Finger knacksen. „Bist du schwerhörig?!" Mein Blick hatte sich verfinstert, wobei ich zufrieden feststellte, dass mein Vater ein kurzes Zusammenzucken nicht vermeiden konnte, nachdem ich meine Lautstärke erhöht hatte.

Dass ich ihn beinahe angeschrien hatte, gefiel ihm selbstverständlich nicht und doch hinderte es mich nicht daran, Gwen, welche völlig nachdenklich ins Leere starrte, ein kurzes Zeichen zu geben und an ihm vorbeizulaufen. Doch kurz vor der Tür versperrte der Bodyguard meines Vaters uns den Weg.

"Gehen Sie uns aus dem Weg." Die Wahrscheinlichkeit, dass er wirklich auf mich hörte war sehr gering, weswegen ich auch nicht unbedingt überrascht war, als der Brocken von Mensch sich nicht rührte.

"Mein Sohn. Du wirst hier nicht auskommen, bevor du mir versprochen hast, dass du mein Erbe antreten und mit mir und mit deiner Mutter in deinem Elternhaus leben wirst." Mein Vater schien sich sicher zu sein, dass ich seinem Befehl nachgehen würde, weswegen ich mich provokant lächelnd dem Bodyguard meines Vaters zuwandte. "Sind Sie eigentlich zufrieden mit der Bezahlung? Ich bin mir sicher, dass der Mann hinter mir zu geizig ist, um Ihnen ein anständiges Gehalt zu zahlen." Mein Gegenüber druckste einwenig herum und wollte anscheinend etwas sagen, doch allein diesen Moment der Unaufmerksamkeit nutzte Gwen um ihn am Handgelenk zu packen und diesen mithilfe ihres Kampfkunsttalentes und eines sauberen Überschlags für einen Augenblick außer Gefecht zu setzten, sodass wir beide mit Frechdachs aus dem Zimmer rennen konnten.

Ich hörte noch, wie mein Vater uns hinterher rief, mit seinem Arbeitnehmer schimpfte und Befehle erteilte. Doch ich hatte einfach keine Zeit, um Mitleid mit diesem muskulösen Mann zu haben, der nicht so recht wusste, was ihm geschehen war.

Man konnte Gwen leicht unterschätzen, wenn man nicht wusste, dass sie Kampfsportmeisterin war.

Erst als wir das Internat weit hinter uns gelassen hatten und uns sicher waren, dass wir die beiden abgehängt hatten, blieben wir stehen und starrten uns für eine Sekunde schwer atmend an. Mich juckte es beinahe in den Fingern, sie in die Arme zu schließen - so wie ich es vor wenigen Stunden noch getan hätte.

„Was jetzt?" stellte ich die einzige Frage, die so viele Antwortsmöglichkeiten bot. Doch es gab keine Antworten darauf. Keine einzige Antwort, die mir zeigte, dass all das nur ein Albtraum war. Keine, die mir eine Lösung für unser Problem bot. „Ich rufe meine Mutter an und frag sie ob dieser Idiot von Vater die Wahrheit erzählt hat." Ich konnte sehen, wie Gwen bemüht ruhig ihr Handy hervorzog und ihren Hund, der durch den Sprint aus dem Internat einen deutlichen Adrenalinkick hatte, am Halsband festhielt, wobei ich allerdings sehen konnte, dass ihre Finger leicht zitterten. Meine verhielten sich nicht unbedingt anders. Wenn man eines Tages herausfand, dass man eine Beziehung mit seiner Halbschwester führte, waren unsere Reaktionen darauf wirklich nachvollziehbar.

„Lass uns aber derweil weiter in die Stadt laufen" murmelte ich mit einem flüchtigen Blick über die Schulter. Niemand war zu sehen, außer eine schlanke, schwarze Katze mit hellen Augen, welche die Einfahrt hoch huschte und im Gebüsch verschwand. Bestimmt dirigierte ich Frechdachs an meine Seite und ging voran, während Gwen mir folgte und ungeduldig darauf wartete, dass ihre Mutter am anderen Ende der Leitung abnahm. „Es geht niemand dran!"
Frustriert dreinblickend erschien die Französin an meiner Seite und wählte eine neue, längere Nummer. Vielleicht hatte sie auf dem Handy ihrer Mutter mehr Erfolg. Doch auch dieses wies keine anderen Geräusche als dieses regelmäßige Tuten auf, welches mir beinahe meine Nerven raubte.

Gwen ballte ihre freie Hand zu einer Faust und wirkte allgemein so, als wolle sie das Handy gleich gegen die nächste Wand werfen, weswegen ich ihr zur Vorsicht dieses aus der Hand nahm und selbst einsteckte. Man konnte ja nie wissen was Gwen tat, wenn ihre Nerven blank lagen.

Aus Richtung des Internates hörte ich einen lauten Motor aufheulen, was mich dazu veranlasste meine Schritte zu beschleunigen und den erstbesten Laden zu betreten, der den Beginn der Innenstadt kennzeichnete. Erst als ich die Tür hinter uns beiden zuschwang, sah ich mich um und musste mit einer leicht aufkommenden Röte im Gesicht feststellen, dass wir mitten in dem bekannten Babygeschäft "Happy Baby" standen. Erst mein...Verzeihung, unser Vater und dann dieses Geschäft, in dem uns drei Frauen gleichzeitig anstarrten, von denen man bei zwei sehen konnte dass die Schwangerschaft schon etwas vorangeschritten war.

Die dritte Frau, die ihren Mann mitgenommen hatte, hatte noch einen recht flachen Bauch, trug allerdings eine Packung Schnuller in der Hand und...stellte sich als Frau Bernardini raus.

Gwen, die sich ihr Handy wieder geholt hatte und weiterhin versuchte ihre Mutter zu erreichen, merkte gar nicht dass unser Lehrerpaar uns etwas verdattert und dann leicht schockiert ansah. Verständlich, wenn man bedachte dass wir beide in einem Babygeschäft für werdende Eltern standen und alle noch dachten, dass wir ein Paar und keine Halbgeschwister waren.

"Juan, Gwen...was tut ihr hier?" Gute Frage. Wir konnten ihr ja schlecht sagen, dass wir auf der Flucht vor einer portugiesischen Berühmtheit waren. Doch. Konnten wir. Denn Gwen, die bei der Frage aufgeblickt hatte, schien die Situation, in der wir steckten, ebenfalls analysiert zu haben und hob ihr Handy in die Höhe. "Wir versuchen meine Mutter zu erreichen. Juans Vater ist aufgetaucht und möchte ihn wieder nach Portugal holen. Leider hat dieser Idiot einen Bodyguard dabei." Ich war ihr dankbar, dass sie die Sache mit dem Verwandtschaftsgrad nicht erwähnte und sah zurück zu den beiden Lehrern, die offensichtlich ein Kind erwarteten - sonst wären sie nicht hier.
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Hallo und ein fettes Dankeschön an alle Leserinnen und Leser, die bis hierhin gekommen sind, wir hoffen, die Story gefällt euch und wenn nicht, Feedback wird immer gerne gesehen (natürlich auch wenn es euch gefallen hat).
Nein, die Story endet nicht hier, das wäre auch echt fies, wir gehen nur in eine Spätsommerpause, da immer Johanna und ich oft unterwegs sind und wir deshalb mit den Kapiteln nicht mehr so ganz nachkommen.
Wir versprechen, das es so bald wie möglich weitergeht!
Ganz liebe Grüße
Eure Traumfängerinnen

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⏰ Last updated: Nov 13, 2016 ⏰

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