Kapitel 6 - Juans Sicht

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Verschwiegen stapften wir, nachdem wir uns unsere Sachen wieder angezogen hatte - was jedoch nichts brachte, da sie ebenfalls klitsch nass waren - in Richtung Hotel durch den Sand, wobei wir kein einziges Wort wechselten. Vermutlich hatte Gwen nach meiner märchenhaften Rettungsaktion erstmal genug von mir, was ich komplett nachvollziehen konnte. Es war schließlich nicht so, dass ich mich nach körperlicher Nähe sehnte. Im Gegenteil. Viel eher sehnte ich mich nach genügend Distanz zwischen mir und einem fremden Körper, auch wenn Gwen mir, aufgrund der gemeinsamen Erinnerungen, doch nicht mehr so fremd war wie  vor einem Tag noch.

Ohne irgendwelche Leute zu beachten, durchschritt ich neben der Französin die Lobby des Hotels, wobei wir die Teppiche und Fliesen mit unseren nassen Klamotten volltropften. Doch da uns keiner beachtete, geschweige denn uns tadelte, verschwanden wir ohne großes Aufsehen zu erregen um die Ecke. "Juan, Gwen!" Wie auf Kommando drehten wir uns um und sahen Jacobs und Feè auf uns zukommen. Die beiden kanadischen Lehrer waren zeitgleich auch beste Freunde, machten jedoch auch oft den Anschein, als führten sie eine Beziehung. "Juan, könntest du Ezra Bescheid geben er solle gefälligst frühstücken gehen. Er ist der einzige der sich noch nicht bei uns gemeldet hat und höchstwahrscheinlich schläft er noch. Das Frühstücksbuffet wird bald abgeräumt." Bei Herrn Jacobs' Worten nickte ich nur als Antwort und verschränkte meine Arme reflexartig vor der Brust. Es war für mich keine Überraschung, dass Ezra nicht aus dem Bett kam. "Gut. Wir treffen uns um 11:30 Uhr in der Lobby"

Zwei Stunden später hatte ich mir von Ezra seine Kopfhörer und das dazugehörende Handy geborgt und saß in Gedanken versunken in einer Ecke der Lobby auf einem Sofa, mittlerweile mit frischer und trockener Kleidung. Neben mir unterhielt sich der Spanier mit einem Mädchen aus einer der unteren Klassen, wobei ich jedoch durch Nirvana nichts von den Gesprächen um mich herum mitbekam. Im Augenwinkel sah ich, wie Gwen, die das nasse Sommerkleid gegen graue Shorts und ein  schwarzes Top eingetauscht hatte, zusammen mit ihrer Freundin Mary die Treppe herunterkam und sich gegen die Wand lehnte. Letztere hielt sich scheu im Hintergrund und zuckte sogar dann zusammen, als zwei Zwölftklässler an ihr vorbei liefen um sich zwischen jeweils zwei Schülern auf ein Sofa zu quetschen. Desinteressiert wandte ich meinen Blick ab und trommelte mit meinen Fingerspitzen gelangweilt auf der Handyhülle herum. Wir warteten bereits seit 10 Minuten auf zwei pupertierenden Schülerinnen, die scheinbar keine Lust auf den Ausflug hatten und sich kurzerhand dazu entschieden hatten, nicht in der Lobby aufzutauchen. Oder sie hatten die Absicht gehabt, von einem Lehrer - in dem Fall war es Frau Feé - eigenhändig aus dem Zimmer gezogen zu werden.

Der Ellenbogen Ezras, welcher zwischen meinen Rippen landete, brachte mich dazu die Kopfhörer mit einem empörten Gesichtsausdruck aus meinen Ohren zu ziehen. "Was?" Ich konnte es nicht leiden, wenn man mich brüsk aus meiner Gedankenwelt herausfischte. Und die Tatsache, dass ich mich eindeutig zu sehr in der Musik verlor, machte es nicht besser. Ezra jedoch nickte nur stumm in Richtung der Lehrer, wobei ich bemerkte dass Frau Feé wieder zurück gekommen war und die beiden Rebellinnen mitgebracht hatte, welche sich schlecht gelaunt auf einer Sofalehne niederließen. "Wir gehen. Also Hopp Hopp, jetzt beeilt euch", versuchte uns Herr Jacobs zu motivieren, wobei sich die Schüler, mich eingeschlossen, eher unmotiviert und schlecht gelaunt aus ihren Sitzen erhoben um den Klassenlehrern im Dackelgang hinterherliefen, wie die Küken der Henne. "Wir fahren jetzt nach Barcelona in die Sagrada de la Familia. Genug Freizeit um zu Shoppen werdet ihr da leider nicht haben aber wir werden an einem anderen Tag genügend Zeit dazu haben.", verkündete Frau Feé und musste automatisch grinsen, als einige Schülerinnen anfingen zu protestieren.

"Ich frag mich, wo diese shoppingsüchtigen Frauen ihre ganzen Klamotten hinpacken wollem, wenn sie ständig in jeder Stadt mehrere Klamotten einkaufen.", meinte Ezra, der sich im Bus neben mich an den Gang gesetzt hatte und erntete durch seinen Kommentar sofort einen giftigen Blick eines Mädchens aus der elften Klasse. Mit einem leichten Schmunzeln antwortete ich ihm, ohne dabei jegliche Worte zu nutzen. "Aber gut. Ich versuch erst gar nicht die Frauen zu verstehen. Es reicht schon, wenn ich nur so tue als würde ich es.", fügte er nachdenklich hinzu, erregte dadurch aber nicht meine Aufmerksamkeit. Mit den Kopfhörern in den Ohren lehnte ich meine Stirn gegen das kühle Glas der Fensterscheibe und beobachtete die an mir vorbeiziehende Landschaft, ohne dass ich mich von irgendwelchen Schülern oder trivialen Gesprächen ablenken ließ. Nach einer Viertelstunde Fahrt verschwand mein Sitznachbar auf die Toilette, was mich dazu brachte mich umzusehen. Die meisten Schüler hörten Musik oder plauderten lautstark über Bands, die Schule, Lehrer und andere unsinnige Gesprächsthemen. Gwendolyn - soweit ich es erkennen konnte - saß drei Reihen weiter vor mir und hatte Mary, die eigentlich in einem anderen Bus mitfahren sollte, neben sich sitzen.

Do You Believe In Fate?Where stories live. Discover now