Kapitel 23 - Gwens Sicht

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Als seine Lippen auf meinen lagen, war es, als ob alles in mir 'Endlich!' schrie. Sofort erwiderte ich ihn, Bedenkzeit brauchte ich eindeutig keine. Ich hatte genug Zeit zum Nachdenken gehabt und das, was ich empfand, zu ignorieren, als unmöglich befunden.
Ich schlang die Arme um seinen Hals und zog ihn damit energisch näher an mich, damit er bloß nicht auf die Idee kam, diesen Moment zu früh enden zu lassen.

Es war wie der erste Kuss den ich mit ihm hatte und doch ganz anders, denn hier wollte ich es von ganzem Herzen und es war mir sogar egal wie schnulzig das klingen mochte. Ich genoss jede Sekunde. Seine Lippen schmecken nach einer Mischung aus Bier und Zimt, was irgendwie zu Juan passt, fand ich.

Der Geschmack seiner Lippen und sein typischer, unvergleichbarer Geruch, den ich automatisch mit ihm verband, ließen mich die Musik, die Stimmen unserer Mitschüler von weitem und die Umgebung einfach ausblenden. Mit geschlossenen Augen war alles, was ich wahrnahm, er. Juan.

Dass wir uns leider irgendwann voneinander lösen mussten, um zu atmen - was für eine lästige Sache - endete der Kuss nach einer gefühlten Ewigkeit und doch viel zu früh.
Mein Herz schlug mindestens 3 Mal so schnell wie sonst, als ich die Augen aufschlug und Juan ansah, meine Hände immer noch in seinem Nacken verschränkt, wodurch er weiterhin nur wenige Zentimeter von mir entfernt stand.

"Sieht so aus, als hätte ich mich damals nicht nur in den Welpen verliebt. Jemand anderes war da einen Ticken schneller", sprach ich als erste leise das aus, was mir gerade einfiel. Wirklich über meine Worte nachdenken tat ich manchmal ja allgemein schon nicht, doch wenn in meinem Kopf dann auch noch gähnende Leere herrschte, dann konnte man das erst recht nicht erwarten.

Juan lächelte mich an, wobei es diesmal sogar seine Augen erreichte, was mein Herz kurz noch schneller schlagen ließ. Schließlich war ich dafür verantwortlich.
"Ich hätte dich bereits nach der Sache mit Clemént auch ohne so zu tun gerne als Freundin gehabt", war seine leise Erwiderung auf meine Worte, während er mir mit dem Daumen federleicht über die Wange strich.

Bei diesen Worten wurde mir richtig warm ums Herz und auch sonst überall. Ich verhielt mich ja selten wie ein 'normales' Mädchen, doch gerade fühlte ich mich genauso so. Wie ein empfindliches, bis über beide Ohren verliebtes Mädchen, was sich schön aber auch beängstigend zugleich anfühlte. Schön, weil man wusste, es gab jemanden, der dich hielt, beängstigend, weil diese Person Macht über dich hatte und dein Herz genauso erweichen, wie zerquetschen konnte.

Ich beugte mich zu Juan, um ihm einen kurzen Kuss zu geben, ehe ich meine Stirn an seine legte, wodurch ich gezwungen war, mich leicht auf die Zehenspitzen zu stellen. Die Augen hatte ich geschlossen.
"Bitte stell dich nicht auch als herzloser Arsch heraus, sonst verlier ich endgültig den Glauben an euch Männer." murmelte ich leise in meiner Muttersprache - französisch, wobei ich nicht mal wusste, ob ich diese Worte hatte laut sagen wollen. Aber sie waren wahr. Denn wenn ich mich in Juan getäuscht haben sollte, war es ein doppelter Fall, weil ich damit auch den Glauben an einen mir damals so wichtigen und heute wieder so nahen Freund verlor, was alle schönen Erinnerungen überschatten würde und davon gab es so viele.

Juans Antwort bestand aus einem sanften Kuss auf meine Lippen, der mich leicht lächeln ließ. Da ich seine Nähe gerade so sehr genoss, lehnte ich den Kopf einfach gegen seine Brust und schloss die Augen, weil ich mich gerade so unglaublich wohl fühlte. Im Hintergrund spielte die Musik der Party in einer nicht störenden Lautstärke, die Geräusche des Waldes waren um uns herum zu hören und der warme Wind des Sommerabendes wehte mir ab und an ein paar Strähnen zurück. Juan hatte die Arme locker um mich gelegt, sodass ich mich nicht zu eingequetscht aber auch nicht abgewiesen fühlte. Eine ganze Weile standen wir einfach ruhig da und genossen den Moment, realisierten wohl beide, die neue Situation, die für mich irgendwie noch kaum zu glauben war. Ich war jetzt ernsthaft mit Juan zusammen. "Jetzt muss ich vor meiner Mutter zugeben dass sie recht und ich unrecht hatte." Ich hob seufzend den Kopf um in Juans fragendes aber ebenso offensichtlich amüsiertes Gesicht zu sehen. Zuerst zögerte ich, ihm die Aussage genauer zu erläutern. Doch dann fragte ich mich, wieso nicht? Ich hatte keinen Grund es ihm nicht zu erzählen und hatte mich bis hierher geöffnet, also konnte ich auch weiterhin offen bleiben. "Sie hat sofort geahnt das etwas ist, deshalb hab ich ihr mein... nun damals Problem mit dir erzählt. Sie meinte, sie hätte es gewusst und sei sicher du empfindest genauso. Ich hab ihr eben ziemlich stark widersprochen." Ich beobachtete Juans Reaktion, die wieder mal schwer zu deuten war. Man sah ihm manchmal einfach kaum etwas an. "Mütter haben eben einen sechsten Sinn für sowas." Auf seinem Gesicht war nun ein leichtes Lächeln zu sehen. "So wie ich dich kenne, wird es dir wohl schwer fallen, zuzugeben, Unrecht gehabt zu haben." Meine Antwort war ein unverständliches Murmeln und ein Krausziehen der Nase. Juans Lächeln hatte sich nun hingegen zu einem Grinsen erweitert, weil er genau wusste, dass er mit seiner Aussage ins Schwarze getroffen hatte.

Idiot. Aber ab heute mein Idiot.

"Unser Skype Termin ist immerhin erst am Sonntagabend, Dann hab ich einen ganzen Tag Zeit mir zu überlegen, wie ich es formuliere ohne, dass sie zu sehr triumphiert" dachte ich laut nach und legte den Kopf aus Bequemlichkeit auf Juans Schulter ab, während er auf meine Aussage antwortete.
"Ein Glück, dass ich das nicht machen muss." Etwas schade fand ich es schon, dass er keinerlei Kontakt zu seinen Eltern hatte, den ich zu meinem Erzeuger zwar auch nicht besaß, dafür aber sehr eng mit meiner Mutter stand. Jedoch würde ich mich eindeutig nicht in sowas einmischen, auch weil ich von damals noch wusste, wie sehr er das Leben bei seinen Eltern verabscheut hat und wie sehr er seinen Vater hasste. Deshalb wechselte ich das Thema und ging nicht weiter darauf ein.

"Du bist übrigens sehr bequem." Grinsend schielte ich zu ihm hoch.
"Soll das jetzt eine Feststellung, ein Kompliment oder ein Anmachspruch sein?"
Ich sah ihn kurz gespielt nachdenklich an, ehe ich etwas erwiderte. "Vor allem die beiden ersten. Anmachen brauch ich dich ja jetzt nicht mehr. Du gehörst mir ja schon." Der letzte Teil war absichtlich etwas provokanter gestaltet, weshalb ich neugierig auf seine Antwort war.
Diese überraschte mich jedoch.
"Bei dir ist es eindeutig von Vorteil, dass ich ein geduldiger Mensch bin" fragend sah ich Juan an, da ich den Zusammenhang der beiden Aussagen nicht ganz verstand. Er deutete meinen Blick richtig und fuhr fort.

"Weil dir so mancher für deine reizende provozierende Art wohl an die Gurgel springen würde." Diese schlagfertige Erwiderung hatte ich jetzt nicht erwartet, trotzdem sorgte sie bei mir für ein sowohl empörtes als auch amüsiertes Lachen. Bevor ich etwas darauf erwiderte, bekam er jedoch einen leichten Schubs gegen die Schulter auf der ich meinen Kopf abgelegt hatte, wofür ich diesen wieder heben musste und ihm nun normal gegenüberstand. "Die provozierende Art, die du aber anscheinend zu mögen scheinst." konterte ich und brachte Juan so zum Lächeln. "Nun, da hast du wohl irgendwo recht. Eben, weil ich geduldig bin."

"Tja passt doch, du hast dann Geduld für uns beide. Und weil ich keine Geduld habe, will ich jetzt auch noch einen Kuss." Mit diesen Worten streckte ich mich etwas, um meine Lippen auf seine zu legen und ihm somit auch keine Möglichkeit zu geben, zu antworten. Die brauchte er auch nicht, da er ohne groß zu zögern den Kuss erwiderte und die Arme wieder um meine Taille legte, während meine an seiner Brust ruhten, wo ich seinen ebenso wie meinen verschnellerten Herzschlag spüren konnte.

"Yes, jetzt schuldet mir Luke 10€!" Ezra! Genervt, weil Ezra gerade störte und unsere eigene kleine Welt zum Platzen gebracht hatte, löste ich mich von Juan und drehte mich ruckartig zu Ezra um, nachdem sowohl Juan, der ebenfalls nicht sehr erfreut guckte, und ich wieder einen gewissen Abstand hergestellt hatten, da wir beide nicht unbedingt die 'Vor allen zeigen was ein süßes Paar man ist'- Menschen waren.

Do You Believe In Fate?Where stories live. Discover now