Kapitel 28 - Juans Sicht

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Ich hörte nur im Hintergrund das regelmäßige Aufkommen des Basketballes auf dem Boden, während ich mich jedoch völlig auf die Person konzentrierte, welche sich dem Basketballfeld genähert hatte und darauf wartete, dass unser Training beendet wurde. Da Ezra nämlich mit Lilli seine Zeit verbrachte und abgelenkt war, hatte ich mich ohne Probleme mit Gwen verabreden können. Dass sie jedoch so früh kam und uns beim Spielen zuschaute - damit hatte ich nicht gerechnet.

"Juan, Achtung Ball!" Blitzschnell sauste mein Blick zurück zum Spiel und ich konnte den Ball gerade noch fangen, bevor er mir den Nasenrücken zertrümmern konnte. Verdammt, ich sollte mich lieber wieder auf das Spiel konzentrieren. Sofort sammelte ich mich wieder und konnte den etwas belustigten Blick meines Teamkameraden Tylers, der mich vor dem Ball gerettet hatte, auf mir spüren, ehe ich ihm energisch den Ball zupasste. Er sollte sich lieber um seinen eigenen Kram kümmern. Aufmerksam und ganz darauf bedacht, mich nicht mehr von der Französin am Rande des Spielfeldes ablenken zu lassen, verfolgte ich die Flugbahn des Basketballes und wich einem gegnerischen Spieler aus, der mich decken wollte. Aufgrund dessen dass ich einer der Größten aus dem Kurs war, hatte ich einen kleinen Vorteil, weswegen ich rasch wieder an den Ball kam und ihn im Korb versenken konnte.

Doch trotzdem hatte dies nicht zum Sieg gereicht, weswegen wir mit vier Körben weniger als Verlierer das Feld verließen um uns umzuziehen und zu duschen. Mit dem Ball in der Hand, den ich für gewöhnlich immer versorgte, schlug ich im Gegensatz zu den anderen eine andere Richtung ein und begrüßte Gwen, in dem ich mir einen Kuss von ihren Lippen stahl, wobei ich kurz lächeln musste. Es war kaum vorstellbar, wie schnell sich aus Freundschaft so eine Beziehung entwickeln konnte. Und jedes Mal musste ich es neu realisieren.

Wir wollten gemeinsam runter zum See gehen, weswegen ich vermutete, dort sowieso nass zu werden. Duschen würde ich also nach unserem Spaziergang.

"Was hast du mit deiner Hand getan?" fragte ich sie mit einem prüfenden Blick auf ihre Hand, die einige Schrammen aufwies, erhielt jedoch als Antwort ein kurzes Kopfschütteln. "Nicht so wichtig" fügte sie noch hinzu, als sie sah dass ich mit dieser Geste nicht ganz zufrieden war. Skeptisch hob ich meine Augenbrauen an, hielt es allerdings nicht für nötig weiterzuhaken. Ich würde ohnehin keine bessere Antwort erhalten, die die Wunde erklären würden - Gwen war stur und das konnte selbst ich nicht ändern. Selbst wenn ich es wollte.

"Lass uns gehen"

Mit dem Basketball in der Hand machte ich mich mit Gwen an meiner Seite auf den Weg zum See, der bei dieser Hitze sicher von ein paar Schülern genutzt wurde, die es nicht für nötig hielten Geld für das Badezentrum in der Nähe zu bezahlen. Ich hoffte nur, dass sich die Anzahl der Schüler in Grenzen hielt. Die meisten Couchpotatos des Internates benutzten einfach nur die Dusche im Bad nebenan.

„Wie geht es eigentlich deinem Onkel?" Ich sah zur Seite und beobachtete, wie Gwen neben mir ihren Blick stur geradeaus gerichtet hatte.

„Er baut sich momentan sein eigenes Antiquariat an Büchern auf. Daher schätze ich mal, ihm geht es gut. Wir hatten in den letzten Tagen keinen regelmäßigen Kontakt." Ich war in den Sommerferien mit meinem Onkel campen gegangen. Etwas, was ich zuvor noch nie gemacht hatte und auch vermutlich nicht mehr wiederholen würde. Es war die reinste Katastrophe gewesen, da es in der Bretagne viel zu wenig Campingplätze gegeben hatte, die zum einen nicht bis zum letzten Zeltplatz belegt und zum anderen auch nicht an ungünstigen Orten zu finden waren. Schlussendlich mussten wir drei Tage an einem Ort verbringen, der mehrere Kilometer von der nächsten Einkaufsmöglichkeit enfernt gewesen war.

"War das nicht schon damals etwas, was er unbedingt in die Tat umsetzen wollte? Find ich toll, dass er seine Ziele verfolgt." Ich würde am liebsten nie mehr vergessen, wie Gwens ehrliches Lächeln, welches sich mittlerweile sanft auf ihren Lippen abgebildet hatte, aussah, wenn sie es sichtbar für alle herumtrug. "Ja, er hatte ein paar Probleme, was die Baugenehmigung angeht, aber mittlerweile hat er die Erlaubnis erhalten", antwortete ich, während ich gedankenverloren durch die Bäume auf den See hinausspähte. Einige Schüler waren dort zu sehen, weswegen mir klar war, dass ich mich nicht lange hier aufhalten würde.

Auch Gwen, die anscheinend wusste, was in mir vorging, sah mich leicht grinsend an. "Wir müssen ja nicht lange bleiben." Das war der Vorteil, wenn man den jeweils anderen schon etwas länger kannte und genau wusste, was dieser für Charaktermacken hatte.

Ich spielte einwenig mit dem Basketball in der Hand, ehe Gwen mir diesen aus der Hand schlug und Richtung See deutete. "Wie wärs mit einer kleinen Abkühlung? Du riechst nach Schweiß" Weniger taktvoll wies sie mich darauf hin, dass ich noch immer in Sportsachen steckte und die Sonne vom Himmel erbarmungslos auf uns hinabbrannte. "Ach ne. Es ist ja auch nicht so, dass ich gerade vom Basketballtraining komme." erwiderte ich daraufhin ironisch lächelnd, ehe ich jedoch ihren Vorschlag zustimmend akzeptierte und auf den See zujoggte. Die Französin, die mir dicht auf den Fersen war, ließ sich samt Klamotten bäuchlings ins kühle Wasser fallen, während ich mein Oberteil davor noch am Ufer auf den Boden hatte fallen lassen.

Es war unglaublich erfrischend an so einem warmen Spätsommertag noch einmal die letzten hohen Temperaturen zu genießen und sich dabei im See nebenan abzukühlen. Denn wenn man den Wetternachrichten Glauben schenkte, würde es nicht mehr lange dauern und wir befanden uns in einem typischen Herbstwetter mit viel Gewitter, Regen und kühleren Temperaturen - und das früher als erwartet.

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Wir hatten uns nach einer Stunde am See dazu entschlossen, zurück ins Internat zu gehen, wo bereits Frechdachs auf uns wartete. Doch da ich sowieso noch duschen wollte, hatten wir es uns kurzerhand in meinem Zimmer breitgemacht, welches heute ausnahmsweise nicht von meinen Mitmenschen belegt war.

Nachdem ich mir neue Klamotten angezogen hatte, verließ ich mit noch feuchten Haarspitzen das Badezimmer und setzte mich ausgelaugt auf den Boden, um mich gegen mein Bett lehnen zu können. Obwohl es gerade erst 17 Uhr war und ich an manchen Tagen schon eindeutig produktiver war, hätte ich momentan nichts dagegen einfach mit Gwen in meinem Zimmer zu sitzen und einfach nichts mehr zu tun. Während sich Gwen auf mein Bett gelegt hatte, widmete ich mich Frechdachs, dem ich einen kurzen aber dicken Stock vom See mitgenommen hatte. Ich packte den Stock mit einer Hand und zog einwenig an diesem, während der Junghund sich fest in dem Holz verbissen hatte und spielerisch zu knurren begann.

"Es ist schon ungewohnt ruhig, wenn Ezra beschäftigt ist", hörte ich Gwens Stimme hinter mir, was mich schmunzeln ließ, während ich den Stock nicht losließ und Frechdachs einwenig herausforderte indem ich den Stock nicht freigab und diesen einwenig in der Luft herumschwenkte ohne dass der Hund nachgab. Ja, seit Lilli zu Besuch war, hatte ich das Gefühl, dass ich nur noch halb so interessant war für ihn, was ich jedoch unter anderem als Vorteil zählen würde. Ich konnte es nur mehrmals wiederholen: Ezra war mein bester Freund, aber selbst beste Freunde können einem oft genug auf den Zeiger gehen. „Ich bin mir nur nicht sicher, wie lange Lilli ihn mit ihrer Anwesenheit beglückt", gab ich ehrlich zu. Er hatte es mir sicherlich schon einmal im Unterricht gesagt, doch meistens, wenn er von seiner Freundin sprach - und das tat er ja bekanntlich 24 Stunden am Tag – war ich mit etwas anderem beschäftigt.

Frechdachs, der immer noch an dem Stock zog und zerrte, während ich diesen weiterhin fest in meiner Hand behielt und dem Rüden dabei einwenig Widerstand leistete, hielt plötzlich inne und schien etwas zu wittern. Er war zwar kein ausgebildeter Spürhund, hatte aber eine eindeutig bessere Nase als wir Menschen, weswegen er einen sich nähernden Besuch wahrnahm und sich mit gespitzten Ohren der Tür zuwandte.

Ich jedoch sah erst zur Tür hinüber, als irgendjemand kräftig und in einem bestimmten Rhythmus gegen die Tür schlug. Das nannte man Anklopfen? Und doch reichte es aus, um mich leicht erbleichen zu lassen. Ich wusste, um wen es sich hinter der Tür handelte.

Do You Believe In Fate?Where stories live. Discover now