Kapitel 5 - Gwens Sicht

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Fasziniert beobachteten wir beide das Schauspiel, welches sich uns bot. Es gab meiner Meinung nach kaum etwas Schöneres, als ein Sommergewitter und wenn es dann auch noch am Meer eines endlos wirkenden Strandes war, wirkte es fast nicht mehr real.
Während ich so aufs Wasser hinaus sah, Juan mit gewissem Abstand neben mir, kam mir eine Idee, die dafür sorgte, dass sich ein Lächeln auf meinen Lippen bildete. "Lust auf ein Wettschwimmen, wie früher?", fragte ich und erinnerte mich daran, wie viel Zeit wir damals am See verbracht hatten, der keine zehn Minuten vom Haus von Juans Onkel entfernt war.

Lachend sprang ich mit einer Arschbombe in das Wasser des Sees, das daraufhin in alle Richtungen spritzte. Juan befand sich bereits in diesem und sah mich schmunzelnd an, als ich anschließend wieder auftauchte. Julia saß in Schwimmsachen in ihrem Kinderwagen, der nah genug am See stand, dass auch sie ein paar Tropfen trafen, worauf sie erfreut lachte und die Hände vors Gesicht hielt, damit sie keine Tropfen in die Augen bekam. "Lust auf ein Wettschwimmen?" fragte Juan, nachdem ich meine Haare aus meinem Gesicht gestrichen hatte. Ich nickte grinsend. "Aber schmoll nicht, wenn du gegen ein Mädchen verlierst." "Werde ich schon nicht." Ob er damit das Schmollen oder das Verlieren meinte, war wohl absichtlich nicht so recht herauszuhören.
"Julia." Ich sah zu meiner 2-jährigen Schwester, die zu mir sah, als ich ihren Namen rief. "Wenn du brav sitzen bleibst kriegst du später ein Eis, okay?" Aus dem Funkeln in ihren Augen und dem breiten Lächeln schloss ich mal, dass ich mir keine Sorgen darum machen musste, dass sie sich aus dem Staub machte. Deshalb drehte ich mich im Wasser des Sees, das so tief war, dass ich den Boden nicht mehr berühren konnte, zu Juan um, der bereits geduldig wartete. "Bereit?" fragte er und ich nickte, während ich meine Muskeln anspannte. Durch den vielen Sport und dadurch, dass ich erst 12, aber bereits recht groß war, wirkte ich ziemlich schlacksig, doch der Schein täuschte, da man, wenn ich mich anspannte, die Muskeln sah, die sich durch das Training der letzten Jahre gebildet hatten. "Auf die Plätze" Juan machte sich, während er sprach, ebenfalls startbereit. "Fertig.... Und los!" Mit beiden Beinen stieß ich mich vom schlammigen Seerand ab und bewegte mich mit kräftigen Zügen im Wasser vorwärts. Juan blendete ich dabei aus, da er mich sonst ablenken würde. Stattdessen konzentrierte ich mich auf meine Atmung, damit er den kräftigen Kraulrythmus, den ich gerade an den Tag legte, weiter beibehalten konnte. Kurz vor dem Ende war es jedoch nicht mehr so einfach, doch ich ignorierte das unangenehme Ziehen in meiner Lunge und behielt das Tempo bei. Als meine linke Hand dann den nassen Seerand am anderen Ende des Sees erfasste, war das erste, was ich tat, zu Juan zu sehen, um herauszufinden, ob ich gewonnen hatte. Leider grinste Juan bereits vom Seerand auf mich hinunter, während ich mich erst nach Luft schnappend am nassen Gras hinaufziehen musste. "Wer schmollt jetzt?", konnte er sich natürlich nicht verkneifen zu fragen und ich antwortete, indem ich ihn zurück ins Wasser schubste.

"Wenn es deinem Ego gut tut." Juans Antwort auf meine Aussage holte mich zurück aus meinen Erinnerungen. Mit spöttisch angehobener Augenbraue sah ich zu ihm herüber. "Ich bin keine schlacksige 12 mehr, Juan." Genauso selbstsicher wie ich ihn ansah, blickte er zurück, wobei mir erneut auffiel, dass er mir dabei nur die erste Sekunde direkt in die Augen sah, während mein Blick aus Gewohnheit nur diese fokussierte. "Ja, das ist mir nicht entgangen. Dann lass uns wetten." Juans Vorschlag ließ meine Augen funkeln. Er wusste, dass ich einer Herausforderung nicht widerstehen konnte, schon damals nicht.
"Worum?"
"Um einen Wunsch?"
Nachdenklich sah ich ihn an, nickte einige Augenblicke später jedoch.
"Okay, geht klar." Als ich ihm die Hand hin hielt, schlug er ein. Die Wette galt, jetzt musste ich nur gewinnen.

Es war uns egal, dass es immer noch wie aus Eimern schüttete und der Himmel so dunkel war, als wäre es Nacht. Das Gewitter war schließlich weitergezogen, sodass man das weit entfernte Donnern nur noch leise hörte und die Blitze am Horizont nur noch zu erahnen waren.
Der kleine Felsvorsprung eignete sich hervorragend für einen perfekten Start, weshalb wir uns beide an den Rand stellten und bereit machten. Ich beugte leicht die Knie, berührte mit den Fingerspitzen den rauen Felsrand, während meine Zehen leicht über diesen hingen.
"Auf die Plätze." Diesmal war ich diejenige, die die Ansage machte. "Fertig.....Los!"
Mit voller Kraft stieß ich mich ab, sodass ich dadurch schon eine beachtliche Strecke überbrückte, ehe ich mit einem perfekten Kopfsprung ins Wasser eintauchte. Mit kräftigen Zügen und geregelten Atemzügen pflügte ich durch das Wasser. Das Ziel war uns auch ohne Absprache klar. Der Steg, der sich in einiger Entfernung vom kleinen Felsvorsprung, an dem wir losgeschwommen waren, befand. Wie ich es damals immer getan hatte, blendete ich Juan auch jetzt aus und konzentrierte mich lediglich auf meine Atmung.

Do You Believe In Fate?Where stories live. Discover now