22. Kapitel

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"Einen Moment, ich muss dir erstmal das Wasser an machen. Zieh dich schon mal aus und gib mir deine Sachen. Ich schmeiß sie sofort weg und bringe dir frische Handtücher", sagte er als wäre es etwas ganz normales und machte irgendwas an der Badewanne. Ich blieb genau da stehen, wo ich schon die ganze Zeit gestanden hatte und schaute ihn an. Dachte er etwa, weil ich ein einziges mal normal mit ihm gesprochen hatte, das jetzt alles wie früher war?
Er hob den Henkel und tatsächlich, ich hatte wieder Wasser! Wuhuu! 'Ich hasse mein Leben...' Genervt beobachtete ich den Mistkerl. Natürlich war er immer noch perfekt und hatte kaum einen Schaden von allem genommen. Vielleicht im Kopf, aber den hatte er schon vorher gehabt. Die Frisur saß, das Aussehen war perfekt! Und wie immer einen top Body, obwohl er nicht einmal trainierte. Und was war mit mir? Ich konnte mich nicht zwischen Magersucht und Fettleibigkeit entscheiden. Ich war blass, hatte Dauer Augenringe, Haarausfall und sah einfach aus wie ein Zombie!

Er drehte sich um und schaute mich verwirrt an. "Du solltest doch... Oh, tut mir leid", schnaubte er und lief aus dem Badezimmer. "Ich habe vergessen das wir uns ja nicht mehr voreinander ausziehen". "Ich habe Handtücher hier!", rief ich ihm wütend nach und schloss die Tür. Letzteres hatte er sehr leise gesagt, aber ich hatte es trotzdem gehört. Natürlich war das extra gewesen und eine Provokation. Mistkerl! 'Am liebsten würde ich einen Riesen Karton anziehen, damit du gar nichts mehr von mir siehst!'

Ich lief zur Dusche und hob den Henkel. 'Na super, er hat nur das Wasser der Badewanne an gemacht'. Genervt schloss ich meine Augen und lehnte meine Stirn an die Scheibe der Duschkabine an. 'Immerhin hat er sich beruhig und ist nicht weitergegangen...' Als er mich so wütend angepackt hatte, hatte ich für einen Moment wirklich geglaubt, das er mich schlagen wollte. Inzwischen glaubte ich ihm das er mich nicht tot Boxen wollte, aber er war nunmal unberechenbar und hatte wie so einen kleinen Schalter. Er konnte mir schnell das Gegenteil beweisen.

Vor Erik fürchtete ich mich eigentlich nicht, aber vorhin konnte ich nicht anders reagieren. Ich hatte Angst, das er mich für verrückt hielt und mit James Entscheidungen gegen meinen Willen traf. Deswegen war ich so abweisend zu ihm gewesen und vor allem, als James mich so gepackt hatte, hatte er nichts getan, nur zugesehen. 'Ich sollte später mal mit ihm reden', dachte ich.

Während die Badewanne sich langsam füllte, zog ich mich aus und schaute mich um.  Wo sollte ich meine blutigen Sachen hinlegen? Das Waschbecken war mal gar keine so schlechte Idee. Meine Hände musste ich sowieso waschen, so wollte ich nicht Baden. Mit Blut eines Toten im Wasser, den ich selbst angeschnitten hatte.
Seufzend schaute ich die Kreatur im Spiegel an. 'Scheisse... Vielleicht ist es nur das licht?' Ich konnte mir nichts vormachen. Ich sah aus wie Gollum mit noch fettigeren Haaren. Kein Wunder das Erik schon Angst vor mir hatte. James duschte wenigstens regelmäßig und zog sich noch gut an. Könnte ich auch machen, aber ich wollte mich nicht für den Psycho hübsch machen!

Erschöpft Spritze ich mir Wasser ins Gesicht, um das Blut endlich loszuwerden. 'Ekelhaft! Und nur weil du es unbedingt wissen wolltest!', dachte ich wütend und lief zur Badewanne. Die war inzwischen voll und für mich bereit. Jetzt freute ich mich das ich doch baden gegangen war, anstatt zu duschen.

Mit dem ersten Fuß stieg ich rein und genoss die Wärme. Langsam folgte mein anderer Fuß und zuletzt mein Körper. Ich schloss meine Augen und versuchte meine innere Anspannung irgendwie zu lösen. Ich hatte keine Ahnung was ich tun sollte, wie ich mich jetzt gegenüber ihm verhalten sollte. Er hatte diese komische Art. Verrückt, wütend, aggressiv, gewalttätig, aber auch die andere, charmant, aufmerksam, fürsorglich, liebevoll... So sehr hatte ich mir damals den alten James gewünscht, was ich aber bekam, war ein noch schrecklicheres Monster. Konnte ja sein das er wieder normal war, aber so einfach war das nicht wie er es sich vorstellte. Ich hatte mir ein neues Leben aufgebaut. Ohne ihn. Und dieses Leben wollte ich auch nach der ganzen Sache weiter leben. In Ruhe, sorglos, einfach und entspannt. Ich wollte nur Zeit mit meiner Familie verbringen und das alles hier vergessen...

L-B Teil 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt