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Paul

Wenn ich sie so ansehe, wie sie vor mir steht mit der Schleifmaschine, könnte ich fast denken, sie braucht mich nicht. Sie macht das alles so selbstständig und sicher, dass mir langsam auffällt, wie viel sie sonst allein schaffen muss.

Wir haben bis jetzt die ganzen Schränke ausgeräumt und abgeklebt und die Vorhänge hat sie feierlich dem Müll übergeben. Jetzt steht mein Mädchen auf einem wackeligen Küchenstuhl und hantiert beeindruckend sicher mit der Schleifmaschine. Unter anderen Umständen würde ich jetzt ausrasten, doch ich stehe direkt hinter ihr, jeder Zeit bereit sie aufzufangen. Auf ihren Schultern sammelt sich schon langsam der Staub der Schleifmaschine und sie versucht sich zu strecken, um auch noch an die höheren Stellen zu gelangen. „Warte, ich helfe dir." Ich habe heute gelernt, dass Enola sich trotz ihrer geringeren Körpergröße beeindruckend weit hochstrecken kann. Doch so groß, um die obersten Schränke gleichmäßig abschleifen zu können, ist sie dann doch nicht.

Ich werfe schnell einen Blick in den Flur, nur um zu sehen, ob die Luft vor Cloe rein ist, dann lege ich meinen langen Arm um Enolas Hüfte und setze sie mir auf die Schulter. „So besser?" Sie lächelt mich unter der riesigen Schutzbrille an und entblößt dabei eine nahezu perfekte Zahnreihe. Ich habe sie noch nie so viel lächeln gesehen, wie jetzt wo ihre Schwester hier ist. „Schon praktisch dich zu haben." Sie fährt mir durch die Haare, wobei eine Menge Staub aus ihren Händen rieselt und ich blinzeln muss. Sie macht weiter und ich halte sie sicher fest, bis sie mit dem letzten der Oberschränke fertig ist.

„Also ich müsste dann los." Cloe steht gegen Abend mit einer großen Reisetasche in der Hand in der Küchentüre. Enola scheint genauso überrascht wie ich, denn sie lässt die Schleifmaschine verwirrt nach unten sinken. „Schon so spät?" Ich schiele auf die Uhr und setze Enola vorsichtig ab. „Schon neun." Mein Mädchen wirkt ziemlich schockiert, fängt sich aber gleich wieder. „Nun gut, ich dusch mich ganz schnell und fahr dich dann zum Flughafen." Sie will Anstalten machen, sich aus der Küche zu bewegen. „Nein, ich habe schon ein Taxi gerufen. Du hast kein Auto, was ich in dieser Gegend echt schlimm finde und du hast hier noch einiges zu tun." Ich merke, wie ihr Blick nicht nur über die Küche schweift, sondern auch über mich. Wenn das eine sexuelle Anspielung sein soll, checkt sie noch nicht ganz, was da zwischen Enola und mir ist. Oder ich sehe beim Handwerken für einen durchschnittlichen Menschen wohl doch heißer aus, als gedacht. Nicht, dass mir es etwas ausmachen würde, Enola wiedermal körperlich nahe zu kommen, denn ihre Küsse neulich Nacht sind mir nur all zu klar in Erinnerung. Doch in mir reift mehr und mehr die Erkenntnis, dass wir dafür noch viel Zeit haben werden und wir beide diese auch noch brauchen.

„Ich habe ein Auto, es muss nur in die Werkstadt. Das kann ich mir gerade aber noch nicht leisten." Protestiert Enola, doch Cloe nimmt sie einfach in den Arm und ich kann deutlich sehen, wie unangenehm meinem Mädchen die plötzliche Nähe ist. Sie verkrampft sich und anstatt Cloe ebenfalls zu umarmen, lässt sie die Arme schlaff zu beiden Seiten Hängen.

„Und wir beide sind in Abschieden nicht sonderlich gut. Also hier, nimm das und benutze es auch!" Cloe legt ein Packet auf den Küchentisch. „Öffne es nicht, bevor ich weg bin. Und jetzt mach's gut. Ich habe deine Nummer und werde Kontrollanrufe starten." Sie wirft einen Blick in meine Richtung, der mich nochmal von oben bis unten scannt. Ich habe nichts gegen den Blick der Rothaarigen und lehne mich in aller Ruhe gegen die Arbeitsplatte hinter mir. „Obwohl ich glaube, dass du auch so in guten Händen bist." Wir tauschen einen Blick, wobei ihrer plötzlich auf meinen Augen verharrt. Ich habe gestern mit Vampiren gekämpft und dennoch finde ich diesen bedrohlichen Blick jetzt beängstigender. „Das ist sie. In den besten Händen sogar." Versichere ich mit einem ernsten Nicken, dass vielleicht sogar Sams Autorität nahekommt. Ich hoffe es zumindest. Ich will, dass jeder weiß, dass Enola bei mir immer in Sicherheit ist, egal vor war oder vor wem.

Wenn du dich auf die Welt einlässt - Twilight FFTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon