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Paul

Nach dem Essen verschwindet Enola in ihr Zimmer und packt alles für die Nacht. Sie lässt Leah und mich allein am Tisch sitzen, mit einer schweren Stille zwischen uns. Auf der einen Seite, will ich Enola folgen. Daran kann ich der körperlichen Anziehung jedoch nicht allein die Schuld geben. Am liebsten würde ich sie packen, schütteln und fragen, was mit ihr nicht stimmt. Warum will sie schon wieder in ein Haus voller Blutsaugern? Das Grundstück der Cullens ist wie eine Lebendfalle für Menschen. Erst geben sie ihnen das Gefühl erstrebenswert und freundlich zu sein, doch sobald unschuldige Mädchen wie Bella und Enola hineintappen, spinnen sie irgendeinen kranken Kleber um sie herum. Und dann geht ihr Leben den Bach runter, so wie bei Bella jetzt. Ich bin erleichtert, dass die Blutsauger keinen Singlemann mehr übrig haben, obwohl ich dann wohl doch endlich einen Grund hätte, einem von ihnen die Kehle durchzubeißen. Doch ich kann Enola nicht folgen. Mir ist noch schmerzlich gut in Erinnerung, was beim letzten Mal passiert ist, als ich sie festgehalten habe. Der blaue Fleck ist noch immer überdeutlich an ihrer Schulter zu erkennen. Außerdem bietet sich mir so vielleicht eine Gelegenheit Leah auszuhorchen, ohne ein Gesetz oder eine Regel zu brechen.

Ich konnte das Mädchen in unserem Rudel noch nie sonderlich gut leiden. Doch erst seit sie weg ist, merke ich wie sehr mir ihre Art fehlt. Wie schnell sie sich mit ihren dummen, sarkastischen Sprüchen für mich zu einer Partnerin gemacht hat. Eine, die sich nie zu schade für einen Wettkampf war. Und bei einem Wettrennen musste man gar nicht erst ein zweites Mal fragen. Ich vermisse es, sie zu necken und herauszufordern. Sie ist meine Schwester im Geist wie den Genen. Ich bin froh, dass die Jungs außer Reichweite sind und auch Leah meine Gedanken nicht mehr verfolgen kann. Denn sonst hätte ich mir sicher nicht erlaubt das hier zu denken. Das Rudel spaltet sich und vielleicht ist ihr das recht. Sie und Seth bilden in unserer Runde nicht nur das erste Geschwisterpaar, sondern auch ihr Geschlecht macht sie im Rudel einzigartig. Dass sie ein Mädchen ist, machte es ihr gerade am Anfang unglaublich schwer. Das Umziehen vor uns und die unkontrollierten Verwandlungen hat sie deshalb so schnell es geht umgangen. Das mit Sam hat sie jeden Tag fertig gemacht, weshalb ich mich auch irgendwie freue, dass sie dem auf angenehme Weise entkommen konnte.

„Wie geht's Jacob?" Platze ich heraus, um die Stille im Raum irgendwie zu füllen und nicht gefühlvoller zu werden als ich ohnehin schon bin. Sie ist ein Wolf, sie spürt auch als Mensch mehr meiner Signale als ich will. Wir hören, wenn jemand schneller atmet, der Herzschlag sich beschleunigt oder das Geräusch von feuchten Händen, wenn man sie an der Hose abwischt. Häufig ist es praktisch, das alles bei normalen Menschen zu lesen. Doch wenn es jemand bei mir macht, werde ich unruhig. „Was interessiert dich das? Willst du für Sam lauschen?" Wird Leah wieder bissig wie eh und je. „Nein, ich bin friedlich hier. Es war nur rein aus Interesse. Es ist ja nicht so, als wären wir bis vor zwei Tagen noch eine Familie gewesen. Ein Rudel." Ihr Blick wird weicher und ich weiß, dass die Situation nicht so leicht für sie ist wie sie vorgibt. „Er passt super zu den Blutsaugern. Er hat eine Aufgabe, das gefällt ihm irgendwie und er passt gut auf Seth auf. Die Blutsauger behandeln ihn wie einen Sohn." Sie spuckt den letzten Satz förmlich in ihren Teller.

Mir jagen ihre Worte einen Schauer über den Rücken. Wir sind dazu geboren den kalten Wesen entgegen zu treten, sie zu verachten und zu töten. Wir müssen die Menschen, besonders unseren Stamm und unsere Geprägten, vor ihnen schützen. Jacob schmeißt eine jahrhundertealte Ordnung einfach so über den Haufen, weil er diese Vampire gerade nett findet. Bella ist sein Spielzeug, ein Zeitvertreib der ihm hoffentlich bald langweilig wird. Dass Enola in der gleichen Lage ist, daran will ich lieber gar nicht denken. Dann würde ich schneller explodieren, als ich aus ihrer frisch renovierten Küche fliehen kann.

„Wie geht es dir damit?" Kehre ich wieder zu Leah zurück. Doch die zuckt nur gleichgültig mit den Schultern. So ist sie immer. Gleichgültig, als könnte ihr nichts auf der Welt etwas anhaben oder sie aus der Fassung bringen.

Wenn du dich auf die Welt einlässt - Twilight FFWhere stories live. Discover now