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Paul

Sobald wir im Flugzeug sitzen, atme ich wieder tief durch. Ich starre den Sitz vor mir an, in der fast leeren Maschine. Enola neben mir zittert. Sie ist übermüdet, geschockt und traurig. Und ich bin schuld an all dem. Cloe hatte dafür gesorgt, dass wir die letzte Maschine dank eines Taxis noch bekommen haben. Den ganzen Weg bis hier her habe ich nervös in jede Gasse und jeden Weg gelinst. Enola hat auf der Rückbank eisern geschwiegen und tut es auch jetzt noch. „Es tut mir leid." Ich sehe zu ihr, doch ihr Anblick trifft mich hart. Ihre Wimperntusche ist verlaufen, ihre Augen schwimmen in Wasser und ihre Unterlippe bebt. „Lass es." Sie sieht auf ihr Kleid und blinzelt stark. Ich ziehe aus meinem Anzug ein Taschentuch und lege es ihr auf den Schoß. Sie ignoriert es. Auch als ich endlich mein warmes Sakko abstreife und Enola über die Schultern lege, reagiert sie nicht. Sie stößt es nicht weg, kuschelt sich darin aber auch nicht ein. Ich seufze, nehme mein Handy raus und tippe eine SMS an alle Jungs. Einer von ihnen soll uns vom Flughafen abholen.

Die nächsten 10 Stunden sind die Hölle. Enola starrt vor sich hin, schläft in der Zwischenzeit kurz und als sie aufwacht ist ihr Blick immer noch kalt. Ich esse das Flugzeugessen, starre aus dem Fenster und gebe mir Mühe nicht jedes Gespräch im Flugzeug mitzuhören. Bei letzterem scheitere ich kläglich. Die Frauen neben uns unterhalten sich eine Stunde lang über ihre Scheidungen, das Kind ganz vorne im Flugzeug schreit ganze 20 Minuten am Stück und der Mann vor uns hat nichts Besseres zu tun als nervige Geräusche mit seinem Handy zu produzieren. Als ich höre, dass wir in Kürze landen werden, hoffe ich, dass einer der Jungs da sein wird. Mein Handy habe ich ausgeschalten und Enola will ich jetzt um nichts mehr bitten. Ich werde sie in ihrem ganzen Leben um nichts mehr bitten.

Mit meiner dummen Fürsorge, habe ich sie um das Einzige gebracht, dass ihr wichtig war. Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich anders Mist baue, denn das war sogar für mich eine Nummer zu groß. Die ganze Zeit hatte ich Angst, dass ich explodieren würde oder mich nicht im Griff hätte. Ich hatte sogar Panik, dass meine Temperatur oder meine Größe irgendjemanden stutzig machen würde. Doch nichts von dem ist passiert. Stattdessen habe ich für Enola die Hochzeit durch peinliche Fürsorge kaputt gemacht. Aber die Gefahr war einfach zu nah und zu real. Und deshalb ist der Schmerz den ihre Ablehnung mir jetzt bereitet auch gut. Er soll in mir schmoren und mich von innen heraus am besten verbrennen, ich hätte jede erdenkliche Verletzung verdient. Sogar Jacobs Rippenbrüche wären eine noch viel zu milde Strafe für mich.

Als wir nach der Landung in den Flughafen gehen, läuft Enola erstaunlich schnell für einen Menschen. Wir gehen fast im Dauerlauf in Richtung Ausgang. Sie schweigt und schreitet einfach gerade aus. Auf unser Gepäck müssen wir nicht warten, denn es ist noch in Italien. Cloe wird es uns irgendwann nachschicken. Vielleicht sollte ich misstrauisch werden, weil Enola es so eilig hat, doch in Wahrheit hoffe ich, dass sie einfach große Sehnsucht hat, Nachhause zu kommen.

Als wir schließlich aus dem Flughafen treten ist es schon wieder dämmrig über der Stadt. Wir sind im Dunkeln ins Flugzeug gestiegen und kommen im Dunkeln wieder raus. Das passt irgendwie zu unserer Stimmung, ich glaube keiner von uns beiden könnte jetzt Sonnenschein ertragen.

Enola sieht im dämmernden Licht noch schlimmer aus. Ihr Make-Up läuft immer noch über ihre Wangen, ihr wunderschönes Kleid ist zerknittert und ihr ganzes Auftreten zieht Blicke auf sie. Doch ihr scheint alles egal zu sein. Auf dem Gehsteig sehe ich sofort Sam's Wagen, doch Enola steuert in die gegengesetzte Richtung. Ich fasse ihr Handgelenk. „Hey, Sam fährt uns. Er steht dort drüben." Sage ich, in einem möglichst sanften Ton, um sie nicht aufzuregen. Doch Enola fährt herum und stiert mich wütend an. „Fass mich nicht an! Ich fahre nicht mit dir in einem Wagen und auch nicht mit Sam." In ihrer Stimme ist so viel Verachtung, die ich ihr nicht einmal verdenken kann. Sie zieht ihre Hand aus meiner und geht einen Schritt zurück. „Bitte, lass uns Nachhause fahren und darüber reden. Es tut mir wirklich..." Sie stampft mit dem Schuh auf. „Dir tut es leid? Mir tut es weh. Es ist mir egal was du tust und willst. Ich fahre jetzt Nachhause. Ich habe jemanden der mich abholt, dich brauche ich dazu nicht. Richte Sam schöne Grüße aus, wobei er sowieso alles mitbekommen hat, was ich hier sage." Damit kehrt sie mir den Rücken zu und steuert wütend auf ein Auto zu, das auf der anderen Straßenseite steht. Wie konnte mir der bekannte Wagen nicht auffallen? Und warum tut es so verdammt weh, dass sie genau sie darum gebeten hat?

Wenn du dich auf die Welt einlässt - Twilight FFWhere stories live. Discover now