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Jungkook POV

Er macht mich nervös, so unglaublich nervös. Mit allem, was er tut. Sei es nur ein kurzer Blick, den er mir zuwirft oder ein kurze Bewegung seiner Hände. Mir entgeht nichts, auch wenn er das vermutlich nicht merkt. Er weckt in mir Gefühle, die ich so bisher noch nie in meinem Leben verspürt habe. Ganz davon abgesehen, dass ich sowieso nicht gut darin bin, irgendetwas zu empfinden.

Ich kann mich überhaupt nicht auf den Unterricht konzentrieren. Immer wieder wandert mein Blick zu ihm, mustert sein Seitenprofil, beobachtet das Trommeln seiner Finger auf dem Holz des Tisches oder das gelegentliche Beißen auf die Lippe, das so unglaublich anziehend ist. Ich sage es ja, er weckt in mir Empfindungen, die mich verwirren.

Bisher habe ich ihn immer still und aus der Ferne bewundert. Ja, ich fühle tatsächlich Bewunderung für ihn, für das was er tut und was er sich traut. Ich könnte niemals so etwas vollbringen. Und nun sitzt er neben mir, heute den dritten Tag und nichts ist mehr wie vorher. Er bedrängt mich, ohne es zu wissen, will idiotischerweise eine Freundschaft mit mir. Innerlich lache ich einmal bitter auf. Pah, das ist doch alles lächerlich, Jungkook.

Ich spüre wie mir schwindelig wird, das Klassenzimmer beginnt zu schwanken und ich schließe einmal angestrengt die Augen. Das Gefühl ist mir nicht unbekannt, eine Panikattacke bahnt sich an. Dass sie mich wegen Taehyung erst nach über zwei Tagen überrolt, wundert mich.

Ich umklammere den Tisch fast schmerzhaft mit meinen Händen, kratze mit meinen Fingern über das Holz und blinzele immer wieder mit den Augen.

"Jungkook, ist alles in Ordnung?" Seine leise, angenehme Stimme bringt mich noch mehr aus dem Konzept, als ich wegen ihm eh schon bin und ohne richtig darüber Nachzudenken schüttele ich heftig mit dem Kopf. Ich beiße mir angestrengt auf die Unterlippe, widme meine volle Konzentration darauf, nicht hier und jetzt zu kollabieren.

Taehyung rückt näher an mich heran, was das Ganze noch schlimmer macht, aber das kann er ja nicht wissen. Er ist mir nun so nah, dass ich bereits die Wärme spüren kann, die von seinem Körper ausgeht. Besorgt legt er mir seine Hand auf den Rücken und bei der Berührung zucke ich heftig zusammen.

Erschrocken löst er seine Hand wieder von mir, merkt, dass er mir zu nah getreten ist, doch den Abstand zwischen uns verringert er nicht. Ich sehe ihm an, dass er kurz davor ist, dem Lehrer etwas über meinen Zustand zu berichten, doch ich komme ihm zuvor.

Eilig springe ich auf, packe meine Sachen in meinen Rucksack und verlasse fluchtartig das Klassenzimmer und kurz darauf die Schule. Ich mache mir keine Gedanken über die Konsequenzen, immerhin ist es nicht das erste Mal, dass ich so reagiere.

Erst bei mir Zuhause beginnt sich meine rasche Atmung zu stabilisieren und meine verkrampften Finger sich zu lösen. Schweratmend lehne ich noch immer an unserer Haustür und habe nun die Aufmerksamkeit meiner Mutter auf mich gezogen.

Besorgt kommt sie auf mich zugelaufen, will schon die Hand heben, um mich zu berühren, als ihr wieder einfällt, dass ich das nicht leiden kann.

"Jungkook, was ist los? Du bist doch gerade erst in die Schule gegangen?"

Mittlerweile hat sich meine Atmung normalisiert und jetzt, wo ich eine vertraute Umgebung um mich habe, geht es mir auch besser. Ich werfe meiner Mutter nur einen kurzen Blick zu und dränge mich an ihr vorbei, um die Treppe anzusteuern.

"Es ist schon wieder vorbei, Mutter. Ich werde mich etwas ausruhen."

Auch ohne Hinzusehen weiß ich, dass sie verständnisvoll nickt und mir noch einen kurzen, traurigen Blick zuwirft, ehe sie wieder in der Küche verschwindet.

Es ist nicht so, dass ich kein schlechtes Gewissen meinen Eltern gegenüber habe, sie bemühen sich sehr, um mit mir zurechtzukommen und versuchen mir, jeden Wunsch zu erfüllen. Und manchmal würde ich ihnen schon gerne eine kleine Umarmung als Dankeschön zurückgeben, aber ich schaffe es nicht. Jimin ist der einzige, der mich überhaupt ein wenig berühren kann und auch die Umarmung von gestern hat mich unglaublich überfordert. Allerdings haben wir auch Jahre dafür gebraucht, um überhaupt in diese Richtung zu kommen.

In meinem Zimmer lasse ich mich mit einem tiefen Schnaufen auf mein Bett fallen und starre an die weiße Decke. Vielleicht hat Jimin ja recht, ich würde mich schon gerne mit Taehyung anfreunden. Doch so eine Ambition verspüre ich in meinem Leben zum ersten mal. Normalerweise mache ich mir nichts aus zwischenmenschlichen Beziehungen, Jimin ist mein einziger Freund, aber auch nur, weil er nie aufgegeben hat. Wie soll ich die Sache also mit Taehyung angehen? Ich habe keine Ahnung, wie man einen Freund gewinnt, geschweige denn...ja, geschweige denn was? An was denke ich hier?

Ja, Taehyung ist unglaublich attraktiv und als er vorhin so selbstsicher von sich gesprochen hat, hat er mir schon irgendwie imponiert. Doch warum übt er so eine Anziehung auf mich aus, die ich nicht deuten kann? Funktioniert etwa so sexuelles Interesse?

Ich schüttele einmal vehement den Kopf über meine bescheuerten Gedanken. Was für einen Quatsch rede ich mir ein? Außerdem ist Taehyung ein Junge und auch, wenn ich mich von ihm angezogen fühle, muss dasselbe noch lange nicht für ihn gelten.

Wer bin ich denn schon? Ich bin nur Jeon Jungkook, der Junge mit dem Asperger-Syndrom und somit nicht fähig, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen. Sonst niemand.

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Wuhuu, das erste Chapter aus Kookies Sicht. Es ist mir unglaublich schwergefallen, aber ich hoffe es kommt trotzdem alles so rüber wie erhofft xD Einzig die Tatsache, dass Kookie sich verändert hilft mir ein bisschen, weil er irgendwann nicht mehr ganz so extrem wie ein Autist denkt xD Nun habe ich heute drei Kapitel hochgeladen, nun muss ich erst einmal wieder etwas schreiben xD Bis morgen dann!
Eure Tae-Rah 💕

𝐕-𝐁𝐥𝐨𝐠│ᴛᴀᴇɢɢᴜᴋ ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt