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Jungkook POV

Ich erinnere mich noch recht gut an die Zeit, als ich klein war. Meine Mutter hat mir täglich gezeigt, wie sehr sie mich liebt, sei es mit Worten, liebevollen Berührungen oder Gesten gewesen. Doch als ich dann alt genug war, das zu begreifen, veränderte ich mich, ließ niemanden an mich heran und begann andere Kinder zu meiden. Das Asperger-Syndrom tritt meist im Kleinkindalter auf, was ein kleiner Unterschied zu anderen autistischen Erkrankungen ist. Doch trotzdem erinnere ich mich an jede einzelne Berührung meiner Mutter, an jedes liebe Wort, das sie mir ins Ohr geflüstert hat, als ich noch nicht so abweisend zu ihr war. Auch heute sagt sie mir zwar regelmäßig, dass sie mich liebt, aber ich kann mich nicht erinnern, es jemals erwidert zu haben. Lange habe ich mir auch folgende Frage gestellt: Was ist eigentlich Liebe?

Ich habe mittlerweile das Gefühl, dass Taehyung mir langsam aber sicher eine Antwort darauf gibt. Jedoch kann man seine Liebe nicht mit der meiner Mutter vergleichen. Und doch sind sie sich irgendwie ähnlich. Ich frage mich, ob ich irgendwann auch dazu bereit sein werde, meiner Mutter diese drei Wörter einmal zu erwidern.

Aber eine richtige Definition des Wortes 'Liebe' habe ich noch nicht. Trotzdem bin ich mir sicher, dass ich auf keinen Fall Taehyung verlieren will, ich möchte ihn immer an meiner Seite haben und bei dem Gedanken daran, dass es ihm mal schlecht gehen könnte, wird mir schlecht, denn das will ich nicht. Und ich glaube, dieser Gedanke ist schon ein guter Schritt in die richtige Richtung der Definition.

Nachdenklich spiele ich an dem Armband herum, während ich an meinem Schreibtisch sitze und eigentlich Hausaufgaben machen wollte. Aber wie so oft in den letzten Tagen kann ich mich nicht konzentrieren, meine Gedanken wandern ständig zu meinem äußerst attraktiven Freund und ich kann das einfach nicht verhindern. Es ist, als beherrsche nur noch Taehyung meinen Körper, in allem, was ich tue.

Ich nehme den kleinen Schlüssel zwischen Daumen und Zeigefinger und drehe ihn leicht hin und her. Dabei fällt mir bei genauerem Hinsehen ein Datum auf, das darauf eingraviert ist: 23.09.2015.

Komisch, das ist mir bisher gar nicht aufgefallen. Was an dem Tag wohl gewesen ist? Mit einem Blick auf den Kalender stelle ich fest, dass dieser Tag, was auch immer da war, sich dieses Jahr zum zweiten mal jährt und das in nicht weniger als zwei Tagen. Ob ich Taehyung dazu befragen sollte? Allerdings weiß ich nicht, ob er mir eine Antwort darauf geben wird. Er schweigt noch immer, was seine Familie angeht und ich traue mich auch immer nicht, einfach weiterzubohren, das erscheint mir zu aufdringlich. Und trotzdem wandern meine Augen wieder zu dem Armband, widmen sich nun den anderen Anhängern. Vielleicht sind ja auch da irgendwelche Hinweise drauf?

Zuerst mustere ich den Weihnachtsbaum, doch je öfter ich ihn drehe und wende, darauf ist nichts zu erkennen. Ich seufze einmal enttäuscht und widme mich schon ohne Hoffnung an den kleinen Engel, doch als ich ihn umdrehe, hellt sich mein Gesicht auf. Darin ist auch etwas graviert, doch nicht wie bei dem Schlüssel ist es ein Datum, sondern ein Name: Ari.

Definitv der Name eines Mädchens, ein schöner, wie ich leicht eifersüchtig festellen. Moment...Eifersucht? Jetzt empfinde ich schon so etwas?

Aber jetzt mal ehrlich: Wer oder was ist diese Ari? Sie muss Taehyung ja wichtig sein, denn er war nie bereit das Armband abzunehmen, ehe er es mir gab. Man könnte vermuten, dass es seine Schwester sein könnte, aber Taehyung ist Einzelkind. Es kann also nur irgendein anderes Mädchen sein. Und bei dem Gedanken, dass er den Namen irgendeines Mädchens täglich mit sich herum trägt wird mir schlecht.

Ich springe plötzlich auf und reiße hektisch das Fenster auf. Ich brauche sofort frische Luft und erleichtert atme ich diese dann auch ein, als sie in mein Zimmer hineinströmt.

Seufzend fahre ich mir einmal durch die Haare und lasse mich auf mein Bett fallen. Ich glaube, ich muss Taehyung doch ein wenig ausfragen, denn so werde ich nicht mehr ruhig schlafen können.

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"Kookie! Was für eine schöne Überraschung!" Fröhlich lächelnd zieht Taehyung mich in eine Umarmung und somit in den Hausflur. Nachdem sich der Gedanke gefestigt hat, bin ich sofort losgegangen und vor Taehyungs Haustür gelandet.

"Was machst du hier?", fragt er neugierig, während er mich dabei beobachtet, wie ich meine Schuhe ausziehe und meine Jacke an die Garderobe hänge.

Fast gleichgültig zucke ich mit den Schultern, will damit den Eindruck vermitteln, dass ich keinen Grund brauche, um ihn zu sehen. "Mir war einfach danach, dich zu sehen." Er muss ja nicht wissen, dass ich hier bin, um Antworten zu kommen.

"Ich freue mich." Noch immer lächelnd kommt er auf mich zu, umrahmt mein Gesicht mit seinen Händen und drückt mir einen kleinen Kuss auf. Ich würde diese Nähe gern länger genießen, aber ich darf nicht vergessen, weshalb ich hier bin.

Taehyung steht immer noch direkt vor mir, sieht mir voller Liebe tief in meine Augen und nun atme ich einmal tief aus.

"Um ehrlich zu sein", beginne ich leicht zögerlich, halte aber seinem intensiven Blick, wenn auch mit viel Überwindung, stand. "Wollte ich dich etwas fragen."

𝐕-𝐁𝐥𝐨𝐠│ᴛᴀᴇɢɢᴜᴋ ✓Where stories live. Discover now