chapter three - crime of the century

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track no. 3 ♫
crime of the century;
by supertramp


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NACH NUR EINER WOCHE IN SEINER neuen (und ersten) Anstellung musste Jimin feststellen, dass es für die Zubereitung einer simplen Tasse Kaffee mehr Regeln gab, als für die Gründung eines souveränen Rechtsstaats

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NACH NUR EINER WOCHE IN SEINER neuen (und ersten) Anstellung musste Jimin feststellen, dass es für die Zubereitung einer simplen Tasse Kaffee mehr Regeln gab, als für die Gründung eines souveränen Rechtsstaats.

Er hatte sich nie wirklich durch Sorgsamkeit ausgezeichnet, war sogar allzeit so schlampig gewesen, dass Geometrie in der Schule mit stolzer Beständigkeit sein schlechtestes Fach gewesen war—ein Versäumnis, das ihm nun zum Verhängnis wurde; denn augenscheinlich war fachmännische Präzision das A und O für das Gelingen dieses wertvoll gehandelten Aufgussgetränks.

Es begann schon alles damit, dass das Wasser offensichtlich eine spezifische Temperatur haben musste, die einzige, mit der man den kostbaren Kaffee benetzen durfte; denn war es zu kalt, schmeckte das Endprodukt schal und alt, wenn er hingegen übertrieb, schlampte oder unkonzentriert arbeitete und die Gradangabe an der Siedemarke kratzte, wurden exzessiv viele Bitterstoffe gelöst und das zarte Arome des Kaffees mitleidlos erstickt. (Und von den Eskapaden des sogenannten Cold Brews wollte er überhaupt gar nicht erst anfangen.)

An seinem ersten Tag in Namusairo, einem simplizistischen Kaffeehaus, das in den Außenbezirken von Jongno-Gu gelegen war und sich in jeder Hinsicht sowohl als Treffpunkt und Geheimtipp sämtlicher Kaffeekenner etabliert hatte, war er von der Besitzerin des Coffeehouses durch den Laden geführt worden. Kim Myungok hatte ihm gleich zu Beginn, noch bevor er wirklich die Möglichkeit gehabt hatte, sich zwischen den schimmernden, sterilen Dielen des Barbereichs zu akklimatisieren, zwei Kaffeebohnen unter die Nase gehalten und ihn gezwungen, sie zwischen den Zähnen zu zerkauen und ihr sein Urteil abzugeben.

Für ihn hatten sie beide grauenvoll geschmeckt, körnig und bitter und überhaupt in keiner Weise exquisit oder erlesen—und als Myungok ihm mit ehrfürchtiger Stimme eröffnet hatte, dass es sich dabei um die Bohnensorten Arabica und Robusta handelte, war ihm der Gedanke gekommen, dass Kaffeetrinker vielleicht den größten, weltweit am besten vernetzten Kult der Erde bildeten. Die Ladeninhaberin hatte die Bohnen zärtlich an sich gedrückt, als handelte es sich dabei um ihr delikates Erstgeborenes und Jimin zwang sich andauernd im Hinterkopf zu behalten, wie dringend er das Geld benötigte.

Neben den zwei Hauptgöttern, der Doppelspitze der Heiligen, den altehrwürdigen Ikonen namens Arabica und Robusta existierten zu allem Überfluss zusätzlich die zahlreichen Art und Weisen, wie sie zu einem feinen, brauen Pulver verarbeitet werden konnten—natürlich, nachdem sie zuerst bei richtiger Temperatur in einem Ofen goldbraun geröstet worden waren.

Es hatte knapp drei Tage gedauert, bis er sich halbwegs eingearbeitet hatte, bis Myungok nicht jede halbe Minute tief aufgeseufzt, und ihm die Pressstempelkanne aus der Hand gerissen hatte, ehe sie ihm mit dem eleganten, beiläufigen Schlenker ihres Handgelenks zeigte, wie er das Pulver ohne Werkzeug gleichmäßig in der Mündung verteilen konnte. Die gesamte Zeit über hatte sie die komplizierten, italienisch oder spanischen Namen der Kaffeesorte, des Röstungsgrads oder des Werkzeugs, das er gerade verwendete, herausgerufen, als würde sie an einer unheilbaren, bestimmten Art des Kaffee-Tourettes leiden und Jimin fragte sich, wie es möglich war, dass ihr die rollenden Rs der italienischen Bezeichnungen so einfach von der Zunge gingen.

PURPLE RAINWhere stories live. Discover now