Rückblick nr. 10

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POV Micha
Ich konnte den Karton einfach nicht mehr beiseite legen. Die Bilder mit Vanessa war ich bestimmt vier mal durchgegangen, ehe ich sie weglegen konnte und nach einem neuen Stapel griff. Bilder von meiner Clique und mir. Die meisten hatte ich letztens auf dem PC erst durchgesehen, weswegen ich kurz darauf neue Bilder in die Hand nahm. Bilder von mir und Maurice. Ich wollte sie erst wieder reinwerfen, jedoch hielt mich das erste Bild fest.

Wir beide waren auf einem Hügel. Wir saßen auf einer Picknickdecke, im Hintergrund der Sonnenuntergang. Gott, wie kitschig. Doch ich musste mich an den Tag zurückerinnern. Seine Eltern waren mal wieder außer Haus und hatten ihm eine super trostvolle Nachricht hinterlassen.

‚Sind in Sibirien'

Vollkommen verheult hatte er vor meiner Tür gestanden und immer wieder gefragt warum er seinen Eltern nichts wert war und ob er wirklich ein Fehler gewesen war. Ich hatte unbeholfen versucht ihn zu trösten. Letztendlich hatte ich ihn gefragt ob wir etwas rausgehen wollen. Er hatte nur bejaht und dann hatte ich einen kleinen Rucksack gepackt und war mit ihm losgezogen, zu diesem Hügel. Danach hatten wir echt schöne Momente.

Ich blätterte automatisch über zum nächsten Bild. Er saß auf meinem Schoß und lächelte breit in die Kamera. Eine Träne tropfte plötzlich aufs Bild. Ich hatte gar nicht bemerkt das ich wieder angefangen hatte zu weinen. Was war denn in letzter Zeit los?

Das nächste Bild bereitete mir eine kleine Gänsehaut. Wir beide waren mit Hundefilter zu sehen. Ich erinnerte mich noch, wie wir uns vorher über diesen beschwert hatten.

Wie konnte dieser Junge zu so einem Menschen werden? Selbst damals, konnte ich es erst nicht einsehen. Aber später ergab alles plötzlich einen Sinn

Donnerstag, 02.07.2016

Ich hatte meine Eltern gebeten heute nicht in die Schule zu müssen. Ich hatte geflennt wie ein kleines Kind. Doch sie wollten einfach nicht verstehen, was ein Tod einer Freundin mit der Schule zu tun hatte. Sie hatten mich regelrecht aus dem Bett gezerrt und mir eine Ansprache gehalten, dass Schule zurzeit das Wichtigste wäre. Ich hatte sie angegiftet und ihnen alles mögliche an den Kopf geworfen und nichts davon bereut. Auch jetzt nicht. Ich hatte jedes Wort genauso gemeint.

Nun stand ich hier, am Schultor. Aus Gewohnheit hatte ich ganze 5 Minuten auf Vanessa gewartet, bis mir einfiel das sie nicht kommen würde. Tränen begannen, wie so oft in den letzten Tagen, zu fließen. Ich merkte es kaum noch. Seit gestern hatte ich soviel geweint, dass ich dachte, dass bald keine Tränen mehr da sein würden. „No Tears left to cry...", hauchte ich leise, ehe ich den Weg über den Schulhof anschritt.

Auf meinem Weg rempelte ich ausversehen meine Schulter gegen einen anderen Schüler. Normalerweise hätte ich mich entschuldigt, doch zurzeit war mir irgendwie alles egal. Ich fühlte mich nur noch leer.

„Ey!", hörte ich plötzlich und wurde rumgerissen.

Mit leeren Augen starrte ich die Person an. Ich glaube er hieß Adrien.

„Nur weil du ne tote Freundin hast, darfst du dich nicht als was besseres fühlen, Wichser."

Wow. Anscheinend hatte es bereits die Runde gemacht. Träge starrte ich ihn an.

„Das heißt Entschuldigung.", knurrte er, sah jedoch nicht wirklich gefährlich dabei aus, sodass ich mich einfach umdrehte und weiterlief.

„Ey!", schrie Adrien wieder.

Meine Fresse... Konnte der mich nicht einfach in Ruhe lassen?

Auf einmal fingen mich drei Jungs vor mir ab. Was wollten die heute plötzlich alle von mir? Merkten sie nicht, dass ich nichts dringlicher wollte, als in Ruhe gelassen zu werden?

„Na? Wie fühlt sich das an? Mit ner toten Freundin und nem Mörder als besten Freund?"

„Na? Wie fühlt es sich an ein Spacko zu sein, Tommy?", spuckte ich zurück.

What the Fuck laberte er für ne Scheiße? Konnte er nicht einfach wieder abzischen?

„Alter, chill mal dein Leben. Komm, die gesamte Schule weiß das mit Maurice bereits.", antwortete ein Anderer, ich glaube er hieß Markus.

„Was labert ihr für Scheiße? Lasst mich einfach in Ruhe, verdammt.", ich wollte mich zwischen ihnen durchdrängeln, da hielt Markus mich auf.

„Ach laber nicht. Du weißt genauso gut wie jeder andere das Mau an ihrem Tod Schuld ist.", lachte Tommy nur.

Das erste mal seit gestern fing ich an zu lachen. Das wollten die mir doch nicht wirklich weiß machen? Als könnte Maurice irgendwem auch nur irgendwas antuen.

Ich schubste die Jungen nun endlich weg und machte mich auf dem Weg zum Unterricht. Der Tag fängt ja noch beschissener an, als gedacht.

Fake ~ ZomdadoWhere stories live. Discover now