-5-

1.5K 156 24
                                    

Magnus
Dieser Moment, wenn alles zerbricht und du deine Fehler immer wieder vor deinen Augen hast. Dieser Moment, wenn du am liebsten die Zeit zurück drehen würdest. Dieser Moment, wenn du zu verwirrt und fertig bist, um einen klaren Gedanken zu fassen.
Ragnor würde sein ganzes Leben lang in einem Rollstuhl gefesselt sein und das nur, weil er in mein Auto eingestiegen ist. Ich habe mich nicht konzentriert. Auto fahren kann ich im Schlaf und doch hatte ich einen Unfall gebaut.
Jetzt ist Ragnor bei mir eingezogen. Ich habe einen Mitbewohner. Nein, ich habe zwei Mitbewohner. Cat hat es tatsächlich geschafft einen Pfleger zu finden, der mir helfen wird. Mir und Ragnor.
Es war ein Alec. Der, von dem Cat schon so oft geschwärmt hat.
Mal wieder reißt mich die Türklingel aus meinen Gedanken. Das muss Er sein. Ich mach die Tür auf und Holla die Waldfee. Er sieht nicht einfach nur gut aus. Nein, er ist wunderschön. Seine Augen leuchten. Sie haben eine undefinierbare Farbe und er ist größer als ich, was ich sehr liebe. Alec's dunkle Haare sehen so aus, als hätte gerade Sex gehabt und der blasse Hautton rundet sein Erscheinungsbild wundervoll ab. Für einen kurzen Moment steht mir wahrscheinlich der Mund offen. Schnell versuche ich mich zu fangen und seh ihn fragend an. Auch sein Mund steht offen, was mich innerlich etwas grinsen lässt. Als auch er sich wieder in die Realität holt setzt er ein Lächeln auf, was mein Herz schmelzen lässt.
Dieser Mann vor mir, verwirrt mich schon jetzt. Er ist irgendwie alles auf einmal. Süß, niedlich, heiß, sexy, wunderschön und einfach nur göttlich. Sein Aussehen ist perfekt und so wie es Cat gesagt hat, auch sein Inneres.
„Hey, ich bin Alec." Er reicht mir seine Hand. Sie ist groß, seine Finger, lang. Bevor ich falsche Gedanken bekomme, ergreife ich sie. Sofort bekomm ich einen elektrischen Schlag. Ich schau in seine Augen und versinke in ihnen. Unbewusst trete ich einen Schritt näher.
„Ich bin Magnus. Komm doch rein." Damit beenden wir unsere kleine, eigentlich gewöhnliche Berührung und doch bin ich in diesem Moment froh, die linke Hand gebrochen zu haben. Ich will dieses Kribbeln nochmal spüren, denn schon jetzt vermiss ich es.
Alec tritt ein und ich merke die Wärme, die von ihm ausgeht.
„Ich hoffe du hast gut her gefunden?" Total unbewusst streiche ich meine Hände an meiner Hose ab. Mir wird heiß. Meine Stimme vielleicht etwas tiefer als sonst. Er zieht seine Schuhe aus und sieht dann wieder zu mir herunter. „Oh ja, vielen Dank. Dr. Loss hat mir eine gute Wegbeschreibung gegeben."
Er zaubert mir wieder ein Lächeln in das Gesicht. Ich glaube er ist sehr höflich und respektvoll, denn er richtet sich auf und „versteckt" seine warmen, gepflegten und weiche Hände hinter dem Rücken. Auch wie er spricht. Es macht mich irgendwie an. Und doch weiß ich, das er mich berühren wird, ohne seine Hände zu benutzen. Seine Augen sagen mehr als tausend Worte. Sie beruhigen mich und die schlechten Gedanken, sowie die Schuldgefühle sind für einen Augenblick weg geblasen.
„Sehr gut, dann komm mal mit in das Esszimmer. Dort wartet auch schon Ragnor. Folge mir einfach." Er nickte und ich gehe voraus. Ich frage mich gerade was in mir vorgeht, denn so richtig kann ich es nicht ausdrücken. Ich fühle mich irgendwie sicher. Ob das jetzt daran liegt ob Alec ein Pfleger ist, ich nicht mehr allein bin oder ob es wirklich an ihm liegt, ist eine Frage, die ich bis jetzt nicht beantworten kann und will.
Sobald wir das Zimmer betreten, ist alles wieder da. Dieses Hochgefühl, was mir Alec gerade verschafft hat, ist in diesem Wimpernschlag weg, wo ich Ragnor sehe. Die Schuldgefühle kommen wieder und meine Gedanken kreisen um den Unfall. Daran muss ich mich wohl gewöhnen.
„Ragnor, das ist Alec." Die beiden schauen sich an und sofort ist da eine Spannung, die man nicht erklären kann. Sie ist einfach da.
Von Ragnor kommt nur ein Brummen als Zustimmung. Innerlich verdreh ich die Augen. Mit der Hand deute ich Alec an, sich zu setzen.
Er sitzt mir gegenüber und immer wieder werfe ich ihm Blicke zu, die er erwidert. Es ist so, als könnten wir den Anderen gar nicht mehr aus den Augen lassen.
„Gut, ich hätte mir das so gedacht, das du ein Gästezimmer bekommst. Das Bad müssten wir uns leider teilen. Mein anderes bekommt schon Ragnor, weil es größer ist."
Ich sehe die beiden an. Ragnor mustert mich intensiv. Seine Blicke sind mir unangenehm und sofort kommen mir die letzen Minuten in die Gedanken. Die letzten Minuten vor dem Unfall, der alles auf den Kopf stellt.
„Das ist kein Problem. Ich bin schon dankbar, das ich gleich hier wohnen kann. Mir hätte auch die Couch  gereicht."
Wieder muss ich Lächeln. Alec ist so freundlich und irgendwie tut er mir schon jetzt leid, denn ich weiß wie Ragnor sein kann.
„Nein du bekommst ein Zimmer. Irgendwann brauchst du auch mal Zeit für dich und vor allem deine Privatsphäre sowie..."
Ich will weiter reden, doch Ragnor hat andere Pläne. „Du musst aber auch wissen, das ich in der Nacht Hilfe brauche. Ich brauche eine Rund um die Uhr Betreuung wegen diesem Rollstuhl."
Meine Hände krallen sich in meine Oberschenkel. Seit wir diesen Unfall hatten, ist er so unausstehlich. So herablassend und deprimiert. Er schafft es, dass meine Schuldgefühle immer weiter ansteigen. Das ich mich jede Minute nur noch schlechter fühle.
„Das ist kein Problem. Da ich wie gesagt hier wohne, bekommen wir das hin und du sagst einfach Bescheid wenn du Hilfe brauchst."
Höflich lächelt Alec ihn an, dann wandert sein Blick zu mir und sein Blick wird aufmunternd. Es hilft und dafür bin ich ihm dankbar.
„Genau, du wirst dich also um alles pflegerische und medizinische kümmern. Nach der Arbeit werde ich dir natürlich unter die Arme greifen. Dein Lohn wird Netto ungefähr 2.500 € betragen."
Ich sehe wie die Farbe aus seinem Gesicht weicht. Er sieht nur noch blasser aus.
„Das ist zu viel, das kann ich nicht annehmen."
Mal wieder muss ich Lächeln. Es hätte mich gewundert, wenn er es einfach so akzeptiert hätte. Und da habe ich den Lohn eigentlich am Anfang nochmal viel höher angesetzt. Aber Cat hat mich schon vorgewarnt.
„Doch du kannst und du wirst. Morgen könntest du direkt einziehen. Heute hast du ja keine Sachen mit. Du musst hier nur noch deine ganzen Daten eintragen."
Ich schiebe ihm ein Blatt sowie einen Kulli entgegen. Unsere Hände berühren sich zufällig und da ist dieser Moment, der immer in der Literatur beschrieben wird. Wieder bekomme ich einen kleinen Schlag, die Zeit scheint still  zu stehen und ich verliere mich in seinen Augen. Da ist wieder diese Spannung und dieser fast schon sichtbarer Funken.
Ragnor unterbricht diesen Moment.
„Kannst du mir was zu trinken holen?" Ich kann nur nicken und aufstehen um in die angrenzende Küche zu gehen.
Als ich wieder komme, liegt das Blatt vor mir.
„Alexander" murmel ich leise zu mir selbst. Doch er hat es gehört. Ich mag diesen Namen und er klingt so schön in meinen Kopf.
„Ja, aber Alec reicht vollkommen."
Wieder dieses Lächeln und wieder habe ich Ragnor im Hinterkopf. Doch Alexander schafft es, diese Gedanken klein zu halten.
„Ich zeig dir jetzt erstmal dein Zimmer, Alexander." Damit stehen wir beide mit einem kleinen Lächeln auf und verlassen das Zimmer. Der Blick von Ragnor entgeht  mir nicht.

Bittersweet SecretWhere stories live. Discover now