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Magnus

Ich betrete mein Arbeitszimmer. Meine Knie zittern und ich habe das Gefühl jeden Moment keine Luft mehr zu bekommen. Die Tränen, die über meine Wange rollen ersticken mich. In meiner Brust ist ein unbändiger Schmerz, den ich mir selbst zugefügt habe, woran ich selbst schuld  bin. Ich habe ihn von mir gestoßen, als hätte er irgendwas falsch gemacht. Ich habe ihn verletzt. Den Mann, den ich immer an meiner Seite haben wollte, aber genau das ist der Punkt. Ich werde ihn wohl nie wieder dort haben. Nur noch in meinen Herzen. Eine Beziehung die schon von Anfang an so unsicher und doch so stark war. Kurz senke ich meine Augenlider. Vor mir zeigt sich Alexander, wie er mich ansieht, wie er mich küsst, wie seine Augen einen matten  und verletzten Ausdruck annehmen. Schnell reiße ich sie wieder auf. Ich habe die Tränen aufsteigen sehen. Was hab ich nur getan? Der Schmerz erschlägt mich. Ich lasse meinen Blick über das Zimmer gleiten. Er bleibt auf meinen Schreibtisch hängen. Mit kleinen, schlurfenden Schritte gehe ich auf ihn zu. Ich ziehe die Schublade auf und mit zittrigen Händen greife ich nach dem Bild, was dort darin liegt. Es zeigt Alec und mich. Gemeinsam stehen wir in der Küche. Wir wenden der Kamera den Rücken zu. Nur unsere Profile sind zu sehen, wir lächeln uns verliebt an. In der Mitte erkennt man noch unsere verschränkten Hände. Das Bild hat Cat bei ihrem Besuch spontan mit meiner Polaroid Kamera geschossen. Ich fahre mit dem Finger über Alecs Körper. Die Tränen werden mehr und Wut überkommt mich. Mit einer flüssigen Bewegungen schmeiße ich alles von meinen Schreibtisch. Dabei schluchze ich und raufe mir die Haare. Ein lauter Knall, dann ist alles ruhig. Erdrückende Stille. Irgendwann geben auch meine Beine nach und ich sinke auf den Boden.
Ich bin selbst daran Schuld.

Am frühen Morgen werde ich von höllischen Kopf und Nackenschmerzen geweckt. Die Sonne scheint mir mitten in das Gesicht. Ich kneife meine Augen zusammen und richte mich langsam auf. Ich liege nicht in meinem Bett. Wo bin ich? Was ist passiert? Ich versuche mich dran zu erinnern. Da war Alec, ich habe mich von ihm getrennt, dann das Bild und gleich danach der Alkohol. Ich habe getrunken und das nicht wenig. Die Kopfschmerzen werden mehr. Zu dem Kater kommt dieser Schmerz und die unglaubliche leere dazu. Mir fehlt etwas und ich weiß das es Alec ist. Warum habe ich nur mit ihm Schluss gemacht? Gestern war ich so hin und her gerissen. Erst dieses Liebesgeständnis von Ragnor, was mich vollkommen aus der Bahn geworfen hat und dann kam Alec. So fürsorglich wie immer. Doch in diesem Moment konnte ich das nicht. Es war zu viel. Mein Kopf war leer und bevor ich darüber nachgedacht habe, habe ich einfach gehandelt. Und das war falsch. Das weiß ich jetzt. Innerlich weiß ich, dass es zu spät ist es jetzt zu wissen.

Ein Stechen im Kopf lässt mich zusammen fahren. Ich brauche einen Kaffee und eine Tablette. Mit wackeligen Knien stehe ich auf und erkenne schnell mein Arbeitszimmer. Ich habe auf dem Boden geschlafen. Der Geruch von Whiskey steigt mir in die Nase. Ich brauche dringend eine Dusche. Bevor ich jedoch die Klinke herunter drücke, fällt mir ein, dass Alec und ich uns das Bad teilen. Doch ihm will ich nicht begegnen. Mir fällt ein, das ich noch ein Gästebad habe und schnell, ohne meine Umgebung war zu nehmen, eile ich in dieses und dusche für eine gefühlte Ewigkeit. Während die Nackenschmerzen besser werden, brummt mein Kopf immer noch. Jetzt brauch ich wirklich eine Tablette. Deswegen steige ich aus der Dusche und bedanke mich bei Gott, dass ich hier immer Wechselklamotten liegen habe. Der Spiegel macht mir deutlich, wie schrecklich ich aussehe. Doch ich habe keine Lust mich zu schminken und meine Haare zu machen. Nur mit einem weißen Shirt und einer einfachen Shorts möchte ich die Küche betreten. Doch ich habe Angst. Wie soll ich auf die Beiden reagieren? Ich habe ihnen  die Herzen gebrochen. Ich konnte sie doch jetzt nicht ignorieren oder? Vielleicht wäre das ja das Beste, die Beiden wollen bestimmt erstmal nichts mit mir zu tun haben.
Ohne weiter darüber nachzudenken, trete ich herein. Die Küche ist komplett aufgeräumt und selbst die Spülmaschine ist ausgeräumt. Verwundert gehe ich weiter in das angrenzende Esszimmer. Keiner ist da. Der Tisch ist trotzdem gedeckt. Mit einem Espresso, einem Glas Wasser und daneben eine Tablettenschachtel. Mehr nicht. Wer war das? Ein ungutes Gefühl breitet sich in mir aus. Ich werde beobachtet. Schnell richte ich meinen Blick auf. Cat steht im Türrahmen. Was macht sie hier? Fragen sammeln sich in meinen Kopf und trotzdem bin ich froh sie zu sehen. Ihr eigener Blick ist neutral. „Ragnor ist bei der Therapie. Er hat schon gefrühstückt.“ Kurz nicke ich bevor ich zusammen zucke, weil sie seinen Namen sagt. „Alec ist eine Runde laufen und danach wollte er deiner Nachbarin beim Einkauf helfen. Er wird rechtzeitig wieder zurück sein.“ Cat kommt näher. „Hast du das gemacht?“ frage ich sie und deute damit auf den Tisch. Sie schüttelt mit dem Kopf. „Weißt du, Alec kennt dich und ist nicht dumm. Den Alkohol kann man bis hier riechen. Außerdem weiß er, dass du dich gerne mal betrinkst, wenn du nicht weiter weißt oder dir alles zu viel ist.“ Ich schaue auf meine Hände und muss unbewusst lächeln. Eigentlich habe ich ihm das nur nebenbei mal erzählt, aber er hat es sich gemerkt. Es hätte mir klar sein sollen. Alexander ist perfekt. Ein Stich in meiner Brust erinnert mich daran, das ich es mir selbst versaut habe. „Magnus, warum?“ Ich weiß sofort, was sie meint. Ich kann nur mit meinen Schultern zucken. „Ich dachte du hast Gefühle für ihn?“ Cat greift nach meiner Hand und drückt sie kurz. Ich sehe sie an und die Tränen stiegen in meine Augen. „Gestern wusste ich  nicht mehr wirklich was richtig oder falsch ist. Ich habe gedacht, dass es besser so ist. Irgendwann hätte ich ihn sowieso verletzt. Da ist doch früher besser als später, wenn die Gefühle nur noch stärker sind.“ Und so war es auch. Die ganze Zeit habe ich Sorgen gehabt, ihn zu verletzen oder irgendwas falsch zu machen, dass uns Ragnor entdeckt oder meine eigenen Gefühle zu stark werden. Ich wollte es beenden bevor es richtig anfangen konnte, doch mir wird bewusst, dass wir Beide schon mitten drin sind. Doch dafür ist es zu spät und das merke ich erst jetzt. In dieser kurzen Zeit habe ich mich an Alexandes Nähe, Geruch, Zuneigung, Berührungen, Aufmerksamkeit und vielleicht auch an die Liebe gewöhnt. Er hat mein Herz gestohlen. Und so richtig bekomme ich ebenfalls erst jetzt mit, dass es eine Tatsache gibt, die ich immer wusste aber irgendwie immer verdrängt habe.
Ich liebe ihn.
Genau in dem Moment höre ich die Haustür. Kurz danach steht Alexander im Raum. Wir schauen uns tief in die Augen. Mein Herz schlägt sofort schneller und wieder schnürt mir irgendwas die Luft ab.

Bittersweet SecretWhere stories live. Discover now