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Magnus

War das eben fast ein Kuss oder doch nur Einbildung? Ich weiß es nicht wirklich. Eigentlich kann ich seit Alec hier angekommen ist, nicht mehr klar denken. Er vernebelt alles in meinen Kopf. Aber ich genieße seine Nähe und vielleicht auch seine kurzen Berührungen. Ich genieße es ihn zu beobachten, wenn er sich in meine Berührungen lehnt.
Den Ständer, den ich in der Küche bekommen habe, muss ich nicht erwähnen oder? Er macht mich wirklich verrückt. Und dieser Kerl kann auch noch kochen. Ich weiß zwar nicht wie es oder er schmeckt aber das werde ich bald heraus finden. Vielleicht. Während Alec seine Sachen verstaut, mach ich Ragnor für das Essen fertig. Er sitzt an der Spitze des Tisches, Alec und ich neben ihm.
Ich versuche gerade die Serviette an dem Kragen von Ragnor' Shirt zu befestigen, als er meine gesunde Hand in seine nimmt und mich anschaut. Was ist denn jetzt los? Aber hier wird es mir nochmal schmerzlich bewusst. Da ist nichts. Ich empfinde nichts bei dieser Berührung, bei diesem Augenkontakt, in diesem Moment, spüre ich nichts als Schuldgefühle und Angst.
„Dankeschön, Mags." Ich kann nichts dazu sagen, denn wie er Alexander, seinen Pfleger, begrüßt hat, ging wirklich nicht. Aber ich hab es nicht anders kommen sehen.
„Selbstverständlich." antworte ich in einer neutralen Stimme. Kurz danach taucht auch wieder Alexander auf. Seine Haare sind noch feucht. Ein Wassertropfen löst sich und rinnt über seinen schönen Hals, bis es von seinem weißen Shirt aufgefangen wird. Er war duschen. Er geht an den Herd und sieht nach der Suppe. Wie magisch angezogen, trete ich näher an ihn heran und rieche ich ihn nur noch intensiver. Etwas nach Minze und Orange? Ich mag es.
„Das Essen ist fertig." sagt er und dreht sich mit Schwung um. Wenige Sekunden später, finde ich ihn in meinen Armen wieder. Brust an Brust. Ich spüre seinen schnellen Herzschlag und er merkt meinen. Tief schauen wir uns in die Augen. Seine sind so undefinierbar, sie haben ein einzigartiges Glitzern, was ich so noch nie gesehen habe. Wir atmen die gleiche Luft ein. Ich bekomme Gänsehaut. Meine Hände liegen an seiner Lendenwirbelsäule, denn nur so konnte ich ihn auffangen.
„Das... äh.. tut mir leid. Ich hab dich nicht..."
Ich lege meinen Zeigefinger auf seine Lippen und stoppe ihn so. „Alles gut. Ich hoffe du hast dich nirgendwo verletzt?"
Kurz schaut er runter. Sein Herzschlag wird nochmal schneller. Wie hoch sein Puls gerade ist?
„Nein. Mir ist nichts passiert."
Seine Wangen verfärben sich rot. Entzückend.
Vielleicht etwas länger als nötig, halte ich ihn, bevor wir uns irgendwie von einander lösen und ich ihm helfe das Essen auf dem Tisch zu platzieren.
Den Engeln sei Dank, hat Ragnor nichts mit bekommen.
Wir beide setzen uns ebenfalls hin. Er sitzt gegenüber von mir. Als wir dann auch das lecker riechende Essen vor uns haben, können wir endlich essen.
„Guten Appetit, ich hoffe es schmeckt euch." wie freundlich Alexander ist.
„Ich denke doch." Ich zwinkere ihm zu und wieder wird er leicht rot.
Ragnor scheint das nicht zu passen, denn er unterbricht den intensiven Blickkontakt.
„Also. Alec. Wie sind so deine Schulabschlüsse?"
Es beginnt. Ragnor testet ihn jetzt genau. Er fragt ihn aus. Das macht er mit jedem und es kann echt unangenehm für den Gefragten werden.
„Meine High School sowie meine Ausbildung habe ich mit 1,0 abgeschlossen."
Kurz nachdem er höflich antwortet, berühren sich unsere Knie unter dem Tisch. Sie stoßen gegeneinander. Kurz und unerwartet. Stromschläge gehen durch meinen ganzen Körper. Wieder schauen wir uns in die Augen. Es knistert. Und wieder werden wir von Ragnor unterbrochen.
„Und warum bist du dann kein Arzt geworden? Hast du dich überhaupt mit meinen Problem beschäftigt?"
Damit deutet er auf den Rollstuhl. Und mit Problem meint er die Diagnose.
Alexander räuspert sich kurz. Dabei beobachte ich seinen Adamsapfel. Habe ich schon mal erwähnt, dass das Essen göttlich ist? Ich könnte glatt darin baden.
„Ich habe mit dem Gedanken gespielt, aber am Ende meine Bewerbung nicht abgeschickt. Die Studiumskosten sind ziemlich hoch. Und die Diagnose ist Paraplegie. Dabei sind die Nervenleitungen im Rückenmark unterbrochen. Die Übertragung elektrischer Impulse...."
Während Alexander mit seinem Fachwissen um sich wirft, kann ich ihn nur beobachten. Ich merke, das ihm das unendlich leicht fällt. Er zieht nicht mal seine Stirn hoch beim Reden. Es kommt einfach aus ihm heraus. Als würde er über das Wetter reden. Er ist in seinem Element, denn seine Augen fangen nur noch mehr an zu leuchten. Und ich find es faszinierend ihn dabei zu beobachten.
Eigentlich ist es schade das er sich noch an keiner Universität beworben hat. Er wäre ein toller Arzt. Vor allem mit einem großen Vorwissen. Darüber muss ich nochmal mit Cat reden. Vielleicht weiß sie mehr. Vielleicht kann ich ihm so etwas für seine Hilfe zurück geben.
Als Alec endet, schaut Ragnor stumm auf seinen Teller. Das ist ein kleiner Jackpot für mich. Und ich bin auch etwas stolz auf mein Gegenüber.
„Wie viel kostet denn so ein Studium, Alexander?"
Unter dem Tisch berühren sich immer wieder unsere Knie.
„Pro Semester zwischen 25.000 und 45.000 US -Dollar. Und das kann ich mir beim besten Willen nicht leisten mit dem Lohn vom Krankenhaus."
Ich verschlucke mich fast an meinen Schluck Wasser als ich diesen Preis höre.
„Und wie sieht es mit einem Studienkredit aus? Wie lange dauert das Studium?"
Er scheint über mein Interesse überrascht zu sein, doch ich genieße es ihm zuzuhören, denn er ist immer noch wie auf Wolke 7.
„Wäre eine Variante. Aber damit habe ich mich nie wirklich befasst. Das Hauptstudium dauert 4 Jahre und danach wählt man einen Fachbereich. Das geht dann ungefähr nochmal 2 bis 3 Jahre. Ich find alles interessant an der Medizin. Der Körper ist und bleibt für mich ein Wunderwerk. Es ist und es bleibt ein Traum. Ich könnte mich in diesem Moment also nicht entscheiden."
Die innere Leidenschaft kann selbst ich spüren und ich wünsche mir in diesem Moment, dass irgendwann dieser Traum in Erfüllung geht.
„Ich möchte in mein Zimmer hoch."
Ragnor betrachtet immer noch den Teller. Er hat nur etwa die Hälfte gegessen, was ich nicht verstehen kann. Sonst isst er immer gut.
„Ja Moment..." Ich möchte schon aufstehen, als Alexander mir zu vor kommt. Dieses Mal legt er seine Hand auf meinen Unterarm. Die Stelle kribbelt und ich genieße die Wärme.
„Ich mach das schon, dafür bin ich ja da."
Er lächelt mich liebevoll an und ich kann nur nicken. Als er seine Hand weg zieht, wird mir sofort kalt.
Ragnor knurrt etwas, als er vorsichtig von ihm umgedreht und weg geschoben wird. Aber ich lass ihn. Man kann ihn sowieso nicht ändern.
Und in diesem Moment kann ich nur Lächeln, denn ich weiß das ich mich noch lange mit Alexander unterhalten kann. Vielleicht auf der Terrasse oder vor dem Kamin. Solang er das auch möchte. Zumindest hoffe ich es.
Nachdem ich aus meinen Tagträumen aufwache, staple ich die Teller übereinander und bringe sie in die Küche. Um dort mit etwas Musik und Hüftschwung die Spülmaschine einhändig einzuräumen.

Bittersweet SecretWhere stories live. Discover now