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Magnus

„Magnus, was ist das für eine Brühe?“ Genervt verdrehe ich meine Augen. Ich bin müde. Die letzte Nacht hatte ich nicht wirklich viel geschlafen. Nachdem Alexander und ich unseres erste Mal hatten, konnte ich meine Augen nicht einfach schließen. Dafür waren es zu viele Eindrücke. Es war der beste Sex, den ich je hatte. Alles war irgendwie heiß aber trotzdem so sanft. Ich war hin und her gerissen. Also habe ich die Nacht damit verbracht, meinen schlafenden Freund zu betrachten, der sofort eingenickt ist. Mir jedes Detail eingeprägt. Von seinen kleinen Grübchen, bis hin zu seinen hohen Wangenknochen. Seine verstrubbelten Haare und dazu sein sanftes Lächeln auf den vollen Lippen. Mal wieder ist mir bewusst geworden, was für Glück ich eigentlich habe. Mit ihm. „Magnus!“ Ragnor sieht mich streng an und ich erinnere mich, das er irgendwas gesagt hatte. „Was?“ Er schüttelt mit seinen Kopf und sofort muss ich wieder an Alec denken. Bei ihm sieht das so viel eleganter und süßer aus. Schnell bringe ich mich wieder in die Gegenwart. Habe ich jemals so viel über eine Person nachgedacht? „Der Kaffee schmeckt fürchterlich.“ Verwundert betrachte ich die Tasse in seiner Hand. Seit wann trinkt er Kaffee? Und vor allem, hat er nicht gestern einen getrunken? Bevor ich ihm diese Frage stellen kann, spricht er weiter „Gestern hat der Kaffee viel besser geschmeckt.“ Ich sehe auf meine eigene Tasse herunter. Tatsächlich schmecke ich bei mir keinen Unterschied. Was war gestern denn anders? Alec. In meinen Kopf macht es Klick. Alexander hat gestern die Tasse für Ragnor fertig gemacht. Aber was hat er denn da anders gemacht? „Guten Morgen ihr Zwei.“ Mein Freund tritt lächelnd in den Raum. Er strahlt und seine Augen glitzern nur noch mehr. Bin ich der Grund dafür? Liegt es an gestern? „Ragnor, möchtest du wieder einen Kaffee?“ Ich habe schon Angst von der Antwort, als er freundlich antwortet „Sehr gern, dieser gewisse Herr...“ damit deutet er auf mich „kann das nämlich überhaupt nicht.“ Ich sehe ihn beleidigt an. Doch Alec fällt mir auch noch in den Rücken. „Da gebe ich dir Recht. Magnus, tut mir wirklich leid. Du kannst viel aber keinen Kaffee kochen. Es ist irgendwie so, als würde man beim Milchreis die Milch vergessen.“ Ich schüttel meinen Kopf, doch Ragnor fährt eiskalt fort. „Oder das Kakaopulver bei einer heißen Schokolade.“ Schmollend lehne ich mich in meinen Stuhl zurück. Lachend klatschen die beiden Männer ein und ich frage mich, ob Ragnor heute einfach nur einen guten Tag hat oder ob er wirklich Alexander akzeptiert? Hat Cat vielleicht mit ihm geredet? Nach kurzem Überlegen steige ich ebenfalls in das Lachen mit ein. Es ist schön. Beide sind mir unglaublich wichtig. Nachdem Alec sich beruhigt hat, nimmt er die Tasse von Ragnor und geht damit in die Küche. „Seit wann trinkst du überhaupt Kaffee?“ Ragnor deutet nur auf den angrenzenden Raum. „Seit Alec da ist.“ Ich kann nur nicken.
Zu dritt frühstücken wir dann. Wir reden normal. So als wäre es nie anders gewesen. Ich genieße wirklich den Morgen. „Gibt es eigentlich sowas wie eine Schnellheilung bei einen Knochenbruch?“ frage ich Alec. Erstaunt sieht er mich an. „Ja, manchmal setzen sich die Knochen schneller zusammen. Es ist selten aber sowas gibt es. Wieso? Alles in Ordnung?“ Zwei Augenpaare schauen mich besorgt an. „Ich merke den Bruch gar nicht mehr. Seit zwei Tagen ungefähr. Als wäre nie was passiert.“ Um es zu verdeutlichen drehe ich meinen Arm, bewege meine Finger. „Du solltest vielleicht es nochmal Röntgen lassen. Der Gips könnte eher abgemacht werden.“ Ich nicke nur und genieße die wärmenden Sonnenstrahlen, die meine Haut kitzeln. Ragnor reißt mich aus den Gedanken. „Magnus, kann ich dann mit dir reden?“ Ich kann nur nicken. Alec schaut zwischen uns beiden hin und her. Sorge und ein kleiner Hauch Eifersucht spiegelt sich in seinen Augen. Am liebsten würde ich jetzt nach seiner Hand greifen, um ihm zu verdeutlichen, das alles in Ordnung ist. Doch das ging nicht. Leider. „Ihr könnt ruhig gehen, ich mach das hier schon.“ Dankend sehe ich ihn an und erhebe mich. Auch Ragnor löst seine Bremsen und rollt eigenständig in mein Arbeitszimmer. Kurz küsse ich Alexander, bevor ich schnell hinter her gehe.
Die Situation ist merkwürdig. Wir beide sitzen uns gegenüber und erst jetzt fällt mir auf, das ihn irgendwas beschäftigt. Besorgt sehe ich an. „Was ist los?“ Betroffen sieht er auf seine Hände, die verschränkt auf seinen Schoß liegen. Habe ich irgendwas verpasst? „Mags, ich habe lange überlegt, wie und ob ich es dir überhaupt sage. Aber diese Nacht, habe ich nachgedacht. Ich weiß das du Alec sehr wertschätzt und ihn vielleicht auch magst.“
‚Ich liebe ihn‘  über meinen eigenen Gedanken erschrocken, schüttele ich meinen Kopf. Aber was soll ich sagen? Es ist wahr. Ich liebe ihn. Schnell, unerwartet und bedingungslos habe ich ihm mein Herz gegeben. Ich habe mich ihm verschrieben. Ich liebe Alexander mit jeder Zelle meines Körpers und mit jedem Gedanken immer mehr. Meine Gefühle wachsen und ich weiß das sie irgendwann weh tun werden. Ragnor spricht weiter. „Irgendwie tu ich das ja auch. Doch, es ist nicht Alec, der mich immer wieder aufstehen lässt. Das bist du. Er ist mein Pfleger. Aber du, du bist mein bester Freund und meine Liebe. Und ich weiß, das du irgendwo das gleiche fühlst. Ich sehe deine verträumten Blicke und ich will das du weißt, das es mir genau so geht. Du bist mein Traum.“ Mein Blut weicht aus meinen Kopf. Ich merke wie ich blass werde und ein mulmiges Gefühl breitet sich in mir aus. Er greift nach meiner Hand, hält sie fest. „Ich liebe dich, Magnus.“ Freudig sieht er mich. Er strahlt förmlich. Tränen bilden sich in meine Augen. Ich habe nach dem Unfall, die Tatsache immer verdrängt, das Ragnor und ich, eigentlich zu einem Date wollten. Ich habe verdrängt, das er Gefühle für mich hat. Ich wollte es nicht wahr haben. Wollte diese drei magischen Worte nur von einem Mann hören. Von ihm. Alexander. Nur er sollte es mir sagen. Nur von ihm begehrte ich die Worte. Die so klein und doch so viel Bedeutung hatten. In meinen letzten Beziehungen habe ich es immer als erstes gesagt, erst Monate später bekam ich es zurück. Seitdem habe ich mir geschworen es nie wieder irgendjemand zu erst zu sagen. Ich wollte nicht mehr den Anfang machen. Doch könnte ich es jetzt auch bei Alexander zurück halten? Ein Händedruck lässt mich wieder in die Augen meines gegenüber schauen. Ich sehe Hoffnung. Wie war das Sprichwort ‚die Hoffnung stirbt zuletzt aber auch sie wird sterben.‘  Wie sollte ich jetzt reagieren? Ich kann ihm keinen Korb geben aber ich kann es auch nicht erwidern. Ich kann Ragnor nicht anlügen. Ich werde nie Gefühle für ihn haben. Mein Herz will nur einen. Alexander. Tief atme ich ein und aus. „Ragnor, ich... ich kann das... nicht. Du bist mein bester Freund. Du bedeutest mir sehr viel. Wirklich. Ich könnte nicht ohne dich aber ich kann dich nur auf eine freundschaftliche Weise lieben. Wir sind fast zusammen aufgewachsen. Es wäre so, als würde ich meinen großen Bruder lieben.“ Ich sehe wie das strahlen in seinen Augen erlischt. Wie sie anfangen traurig zu schimmern, bis irgendwann die erste Träne über seine Wange rollt. Ich würde sie weg wischen, doch ich weiß, das, das jetzt die falsche Geste wäre. Mein Herz liegt mir schwer in der Brust. Ich brauche dann definitiv eine Knuddeleinlage von Alexander. Ich will mich in seine starken Arme sinken lassen. Will das er mich fest hält. Er ist mein sicherer Hafen. „Weil ich ein Krüppel bin?“ Erschrocken sehe ich in Ragnor‘ Augen. „Was? Nein. Du verstehst das...“ Doch er unterbricht mich. „Denkst du mir fällt es leicht in diesem Ding zu sitzen?“ Er entzieht mir seine Hände und erst jetzt kann ich seine Lage wirklich verstehen. Für ihn muss es wirklich schwer sein. Im Rollstuhl sitzen, einen Korb zu bekommen und ein gebrochenes Herz zu haben. Allein mit der ganzen Situation, mit seinen Selbstzweifeln und seine unerwiderten Gefühle. Ich wüsste nicht, wie es mir damit gehen würde. Schnell greife ich nach seinen Händen und zwinge ihn mich anzusehen. „Ragnor, du bist kein Krüppel und es liegt auch nicht am Rollstuhl. Du bist toll. Vielleicht erklären mich jetzt manche für doof, das ich dich abgewiesen habe. Aber ich kann nichts erwidern, was nicht wirklich da ist. Ich werde immer für dich da sein, als dein bester Freund und ich hoffe das du mir irgendwann vergibst.“ Er lässt entkräftet seinen Kopf hängen. „Ich brauch jetzt erstmal Zeit.“ Damit löst er unsere Hände. Noch einmal sieht er mir leer in die Augen bevor er aus dem Raum heraus rollt. Jetzt lass ich ebenfalls meinen Kopf hängen. Einzelne Tränen fließen mir über die Wange. Wie kann sich eine Sache so richtig und doch so falsch anfühlen? Wie soll ich jetzt mit ihm umgehen? Ich rutsche von meinen Stuhl auf den Boden, ziehe meine Beine an meinen Körper. Umklammere mich selbst und starre einfach gerade aus. Mir ist kalt und doch weiß ich, das ich das richtige gemacht habe.

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