The Rim

1K 121 184
                                    

Als die Gefährten kurz vor Mittag die Baracken der Stadtwache verließen, war das Licht des Tages nur noch eine verblassende Erinnerung. Leonora richtete ihren Blick nach Norden, zum Schloss des Grafen und dem Horizont. Die Sturmfront war einer gewaltigen Bestie gleich über das Firmament gekrochen und schien nun bereit ihre Beute anzuspringen. Der Streifen Himmel war dunkel wie bei einer Abenddämmerung, mit schmutzig roten und gelben Wolken, die sich vom Norden aus der Stadt zu streckten.

„Oh-Gott. Nicht nochmal einer von denen", meinte Theodor, als er ihrem Blick folgte. „Das ist wieder einer dieser garstigen Säure-Blizzards, nicht wahr?"

„Oh, ich denke, um einen Schneesturm müssen wir uns keine Sorgen machen. Nicht heute", meinte Hel leichthin.

Die kriegerische Elfe hatte sich angeboten die Gefährten in ihre Unterkunft zu bringen und im Anbetracht des zunehmenden Chaos, das der Sturm mit sich brachte, hatte Gretchen dem nur zu gerne zugestimmt.

Anskar musterte erst die Wolken, dann Hel skeptisch. „Müssen wir nicht?"

Die Elfe schloss die Augen und strich sich in einer fast schon sinnlichen Bewegung über den Hals. „Spürt ihr es nicht? Der Wind ist warm und trächtig, voll von Chemie." Sie öffnete die Augen und grinste. „Kein Schnee, sondern Regen ..."

Theodors mausgraue Augen weiteten sich hinter den Gläsern seiner verbogenen Drahtgestellbrille. „Regen? Wie in Säure-Regen?"

Hel nickte und lachte auf, als sie Theodors entsetztes Gesicht sah. „Keine Angst, das Atomic ist nicht weit und noch haben wir Zeit."

Theodor sah für einen Moment aus, als wolle er sich umdrehen und in die Sicherheit der Barracken zurückrennen. Vorsichtshalber packte Leonora ihn am Arm. An Hel gewandt meinte sie, „Na dann mal los."

Sie eilten durch den Barrackenhof, zurück auf den Vorplatz des Stadttors und fanden, dass trotz des nahenden Unwetters noch viel Tumult herrschte. Menschen und Veränderte waren damit beschäftigt, ihre windschiefen Häuser zu sichern oder im Falle von Händlern, ihre Stände. Eine Gruppe in Lumpen gekleideter Junk-Hunter rannte keuchend durch das Stadttor, ramschbeladene Schlitten im Schlepptau. Gruppen aus Stadtwächtern eilten zum Wehrwall, die meisten davon in Schutzkleidung und Gasmasken. Wie es schien, wurde die Verteidigung der Stadt auch nicht während der verheerenden Stürme außer Acht gelassen. Ein Umstand, den Leonora beruhigend und zugleich verstörend fand: war die Nachtbrut wirklich verrückt genug, in einem Säuresturm anzugreifen? Ein ausgesprochen beunruhigender Gedanke.

Sie hatten das Tor zu den Barracken kaum hinter sich gelassen, als jemand Leonoras Namen rief. Der Sukkubus drehte sich um. „Denny?"

Der einarmige Junk-Hunter rannte mit einem Ausdruck der Erleichterung auf dem Gesicht aus dem Eingang eines Gebäudes. „Nuke-Shit, bin ich froh euch zu sehen! Ich dacht schon ihr kommt gar nicht mehr aus den Baracken."

„Was machst du noch hier?" fragte Anskar.

„Nun, ich ... Ihr habt doch gesagt, dass ihr einen Stadtführer braucht", sagte Denny und blickte Hel dabei schief an. „Ich wusste ja nicht, dass ihr jemand anderen gefunden habt. Hätte ich ... Hätte ich mit Benny gehen sollen?"

Leonora lächelte warm. „Das war sehr lieb von dir, aber so wie es aussieht werden wir heute nicht mehr viel von der Stadt sehen. Hel bringt uns ins Atomic, wollen wir uns morgen dort treffen?"

Denny nickte eifrig. „Oh-Ok!"

Der Sukkubus blickte besorgt nach Norden. Die gewaltige Gewitterfront nahm fast den gesamten Horizont ein, wie ein gewaltiges pochendes Geschwür, das bereit war zu platzen und seine Widerwärtigkeit über das Land zu ergießen.

ARCHETYPE 2.0Where stories live. Discover now