Surprises

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Hel hatte ihren Plastikbeutel gerade weggesteckt, als sie lauter werdende Stimmen von jenseits der Tür hörte. Eine davon war unmissverständlich die einer aufgebrachten Zwergin.

Sie seufzte. „Gretchen ..."

An manchen Tagen, wollte einfach so gar nichts klappen. Nun gut, sei's drum. Sie schüttelte den Kopf, ging auf die Knie und wartete geduldig, bis sie sicher war, Gretchen müsse jeden Moment durch die Tür kommen. Sie legte ihre Lippen auf die von Theo – noch immer heiß und salzig mit Schweiß – und blies ihren Atem in seine toten Lungen. Die schwere Sicherheitstür schmetterte mit einem Gong-gleichen Krachen gegen die Wand und 120 Kilo wütende Zwergin stürmte in den Raum – nur um wie erstarrt stehen zu bleiben.

„Wa... Was ..." begann Gretchen.

Hel sah auf, das Gesicht eine Maske der Sorgen. „Von Gravenreuth! Wo zur Hölle bist du? Ich brauche deine Hilfe!"

Nun ganz in ihrer Rolle beugte sie sich wieder zu Theodor hinunter, fühlte kurz seinen Puls, fluchte und begann mit einer Herzmassage. Der hagere Doktor spähte argwöhnisch in den Raum und entschied nach einem Moment, dass dies keine Finte war um Gretchen abzulenken und hinterrücks niederzustechen. Doc glitt in den Raum und schob sich mit arachnider Anmut an der wie gelähmt dastehenden Zwergin vorbei und eilte zu Hel.

Er richtete seine Brille. „Was ist geschehen?"

„Er hat plötzlich aufgehört zu atmen. Steh nicht so dämlich rum! Tu was!"

Docs skeptischer Gesichtsausdruck sprach Bände, doch ganz der Profi, der er war, nickte er lediglich und eilte zur Tat. Er flitzte zu einem der vielen Wandschränke und holte eines seiner archaischen Instrumente hervor: Eine Atemmaske, die mit einer Art Blasebalg kombiniert war.

„Hier, beatme ihn besser damit", sagte er zu Hel und drückte ihr den Respirator in die Hand. Seine Finger huschten unterdes zum Hals seines Patienten. „Kein Puls. Nicht gut ... Gar nicht gut." Er legte beide Hände auf Theodors Brust und begann mit der Herzmassage.

Gretchen wankte unterdes auf sie zu, ihre blauen Augen weit und wässrig, die Haut aschfahl, wo sie nicht von Ruß geschwärzt war. „Wa... Was ist geschehen?"

Hel legte Theodor den Respirator auf den Mund und pumpte Luft in seine Lungen. „Er ist kurzzeitig zu sich gekommen und ich habe versucht Informationen herauszubekommen, die uns helfen könnten seine Gefährten zu finden."

„Was... Was hat er gesagt?"

„Das willst du wirklich jetzt wissen? Fein! Größtenteils umnachtetes Gebrabbel, bis auf das, was er mir von Leonora erzählt hat ..." Sie pumpte einmal mehr Luft in Theodors Lungen. „Verdammt noch mal, stirb mir hier nicht weg, kleiner Mann. Du wirst noch gebraucht!"

Gretchen trat ans Bett. Dicke Tränen schillerten in ihren Augen. „Was... Was ist mit Leonora?"

„Sie ist ein Sukkubus. Vielleicht ist unser Blech-Freund deshalb hinter ihr her gewesen. Womöglich, um sie als Sklavin zu verkaufen. Selten und begehrt genug sind sie ja ..."

Gretchen nickte benommen. „Und Anskar? Hat er dir etwas über Anskar erzählt? War er das Ding, das unsere Männer angegriffen hat?"

Hel schüttelte den Kopf. „Nein. Sieht nicht so aus. Theo hat gesagt das Anskar zäh ist und schnell heilt – irgendeine Art von Mutation – aber das war's auch schon. Er ist auf alle Fälle kein Monster. Würde mich nicht wundern, wenn er bereits tot ist. Das Ding, das unsere Männer gekillt hat war vermutlich—"

Theodors Augen sprangen auf, wild und weit und voll von Panik. Seine Lungen füllten sich bis zum bersten, fast wie bei einem Ertrinkenden, der es kurz vor dem Ende an die Wasseroberfläche schafft.

ARCHETYPE 2.0Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt