Frustfresser

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Benny knurrte, biss seiner Ratte am Stiel den Kopf ab und spuckte diesen ohne Rücksicht vor die Füße einiger Passanten, die ihn böse anstierten. Der einarmige Junk-Hunter ignorierte sie, murmelte stattdessen Giftigkeiten vor sich hin.

Ausdrücke wie, „Diese blöde, spitzohrige Schlampe" oder „Ich hoffe sie verreckt an Krebs", kamen ihm jedes Mal über die Lippen, wenn er den Mund aufmachte, um sukkulentes Rattenfleisch hinein zu schlürfen.

Langsam beruhigte er sich. Benny war ein überzeugter Frust-Fresser. Die meisten ertränkten ihren Hunger, rauchten oder spritzten ihn weg, doch er fand, es gab nichts Besseres, um schlechte Laune zu stillen, als ein gutes Essen. Wenn er könnte, wenn er nur das Geld hätte, würde er essen, bis er der fetteste Sack in ganz Waagen wäre. Der Umstand, dass sein Husten schwieg, wann immer er aß, war ein zusätzlicher Bonus.

Er lehnte sich gegen eine aus Betonbrocken zusammengestückelte Hauswand und begann, seiner Ratte das Fleisch von den Rippen zu nagen. Den Teil mochte er am liebsten, auch wenn man aufpassen musste, sich an den kleinen Rippen nicht die Zunge aufzuschlitzen. Zum Glück hatte Mom noch eine süß-sauer Ratz übrig gehabt. Hätte ja zum Rest des Tages gepasst, wenn die alle weg gewesen wären.

Er hatte sein Mahl kaum vollendet, da ein besonders starker Hustenanfall ihn erschütterte. Sein Mund füllte sich mit Blut. Nuke-Shit. Irgendwas war wieder geplatzt. Er stützte sich gegen die Wand und hustete sich die Lunge aus dem Leib. Wenigstens blieben die Passanten auf Abstand. Gab nix besseres um den Leuten schiss zu machen, als Wolken aus Blut in den Schnee zu prusten. Könnte ja ansteckend sein, was es vielleicht sogar war. Umso überraschter war er, als sich plötzlich eine Hand auf seine Schulter legte. Benny erstarrte, kurz davor seinen Ellenbogen nach hinten schnellen zu lassen, als eine Stimme ihm ins Ohr flüsterte.

„Hallo Benjamin. Lange nicht gesehen ..."

Nuke-Shit!

Benny drehte sich in der Erwartung um, einem seiner vielen Schuldner in die Augen zu blicken und kalkulierte seine Chancen, diesem in die Eier zu treten und in der Menge zu verschwinden. All jene Gedanken schwanden, als er den Mann vor sich sah. Sein Kapuzenumhang stand offen, so dass Benny das große weiße Kreuz auf dem Wappenrock erkennen konnte.

Ein Mitglied des Ordens ...

Das Gesicht eines Mannes Ende zwanzig lächelte ihn unter der Kapuze an. Er war glatt rasiert, ausgesprochen gutaussehend, mit wässrig blauen, seltsam kalten Augen, die durch Benny hindurchzusehen schienen. Kaum größer als er selbst, wirkte der Ordensmann jedoch seltsam bedrohlich, was allerdings auch an den beiden vermummten Gestalten hinter ihm liegen konnte. Der eine Kerl war sogar noch größer als dieser vernarbte Bastard, den sie Skar nannten. Der kleine Typ neben ihm hatte einen zwei Finger breiten Schnurrbart und erinnerte ihn an irgendeinen Kriegsherren aus den Zeiten vor der Götterdämmerung. Alle drei hatten das Kreuz der Teutonenkirche auf der Brust, verhüllten es jedoch schnell, bevor einer der Passanten es sehen konnte. Bei all den Chimis in der Gegend bestimmt keine schlechte Idee...

„Heil Humanis, Bruder", flüsterte der Sprecher.

Bennys Mund wurde trocken, als er den Mann wiedererkannte: Ein Rekrutierer! Benny hatte ihn gesehen, als er seinen Antrag gestellt hatte, in den Teutonenorden aufgenommen zu werden. Zweimal bereits war er durchgefallen, war den Prüfungen nicht gewachsen gewesen. Noch hatte er die Hoffnung jedoch nicht aufgegeben.

Benny verbeugte sich, nahm seine Wollmütze ab und flüsterte, „Heil Humanis, Bruder."

Der Mann richtete seine wässrig-blauen Augen auf Helheim. Seine Stimme war leise, traurig und mit einem Hauch von Anschuldigung. „Wir haben gesehen, wie du die Räuberhöhle dieser Hexe betreten hast. Es schmerzt zu sehen, dass ein Bruder – ja sogar ein Aspirant – sich von uns abgekehrt hat, um sich mit den Bastardkindern von Chimära abzugeben. Zu bedauerlich, wirklich."

ARCHETYPE 2.0Where stories live. Discover now