How the mighty have fallen

646 91 21
                                    

Sattlers schwere Schritte verhallten im Korridor hinter ihm, als er vor den zwei schwerbewaffneten Palastwächtern zum Halt kam. Ein Gefühl des Déjà-vu übermannte ihn für einen Augenblick, als er die beiden wiedererkannte. Es waren die gleichen Männer, die bereits vor vier Tagen vor dem Refugium des Greifen Wache gestanden hatten. Damals hatte Sattler noch geglaubt er wäre der Überbringer guter Nachrichten. Was war er heute? Bote? Henker? Sein hässliches Gesicht verfinsterte sich, als er sah wie angespannt die beiden Männer wirkten. Ein feiner Schweißfilm auf der Stirn, dieses seltsame Schimmern in ihren Augen, die Art wie ihre Kehlen hüpften, bevor sie ihm salutierten. Es war bemerkenswert wieviel einem der menschliche Körper verraten konnte, wenn man nur aufmerksam genug hinsah.

Sattler erwiderte den Gruß und ließ sein Auge über die Doppeltüren wandern, starrte sie an als wären sie der Zugang zu einer Arena. Er knurrte, „Seit wann ist er wieder da drinnen?"

Die beiden Wächter wechselten einen kurzen Blick, bevor der ältere der zwei, einer der einäugigen Veteranen der Nacht des Attentats antwortete. „Der Greif ... Er ... Er hat sein Refugium nicht verlassen, Sicherheitschef. Nicht seitdem sie vor vier Tagen hier waren."

Die Nachricht war wie ein Tritt in Sattlers Weichteile – und wie einen Tritt, nahm er den Schmerz einfach hin. „Hush ist noch immer bei ihm?"

Die beiden Männer nickten und der Sicherheitschef schickte sich an die Türen aufzustoßen, als der Einäugige die Hand hob. „Da ist noch etwas, Sicherheitschef."

Sattler zögerte, hob die Masse aus Braue und Narben über dem Krater in seinem Schädel, wo einst sein eigenes Auge gebettet lag. „Ja?"

„Der ... der Greif ... er ... er spricht und streitet immer wieder mit jemandem ... auch wenn Hush auf einem Botengang ist."

Sattler schloss kurz sein Auge, atmete tief ein und aus, nickte dem Mann zu. Er war nicht überrascht. Nicht nach dem, was bei ihrem letzten Treffen passiert war, spielte sogar kurz mit dem Gedanken die Tochter des Grafen aufzusuchen. Katarina war das einzige ihm verbliebene Kind und wenn überhaupt irgendjemand noch zu Egon durchdringen konnte, dann sie. Er verwarf den Gedanken jedoch so schnell wie er gekommen war. Katarina war auf ihre Art nicht weniger geschädigt als ihr Vater und sie mit dem zu konfrontieren was dort drinnen vielleicht auf sie wartete wäre zu grausam. Stattdessen hob er seine vernarbte Faust und hämmerte seine Knöchel dreimal fest gegen die schweren Doppeltüren. Er wartete nicht auf eine Antwort sondern stieß die Pforten forsch auf.

Ein abscheuliches Miasma rollte über ihn: Alter Schweiß, Urin, Erbrochenes – und über allem, das widerliche Aroma verrottenden Fleisches, welches sich mit dem ebenso süßlichem Opiumgestank brennender Blumen vermischte. Sattler hielt unwillentlich den Atem an, dann blähte er seine Nasenflügel und sog den Gestank in seine Lungen, so als wäre es ein Feind, den es zu vernichten galt. Er schwenkte seinen Kopf hin und her, nahm alles in sich auf.

Abgesehen von dem Gestank hatte sich nicht viel seit seinem letzten Besuch geändert. Schatten lauerten überall, nur im Zaun gehalten von einigen Lampen, welche Inseln aus rotem Licht in der öligen Schwärze schufen und einem zu glühender Kohle reduzierten Feuer. Die von Wehmut geprägten Klänge von Mozarts Lacrimosa bluteten aus verborgenen Lautsprechern und gaben Seele zu dem bedrückenden Bild. Dies war kein Ort der Ruhe und Erholung mehr, sondern eine Vorkammer der Hölle. Sattlers Zähne mahlten gegeneinander, dann machte er einen entschlossenen Schritt vorwärts und warf die Türen hinter sich ins Schloss. Er konnte den unheimlichen Butler des Grafen nicht sehen, wusste jedoch, dass er im Raum war – eins mit der Dunkelheit.

„Verdammt nochmal, Hush", knurrte Sattler. „Mach ein Fenster auf, bevor wir alle ersticken."

Das krächzende Lachen des Greifen ertönte aus Richtung des umgebauten Balkons. „Thomas ... Dreist wie immer. Ich hoffe, dass es wichtig ist. Ich und mein Sohn wir ... wir haben noch immer viel zu besprechen."

ARCHETYPE 2.0Where stories live. Discover now