🔥 14. Kapitel

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FREYA

Die Sonne schien auf uns herab. Setzte uns ihren heißen Strahlen aus. Dennoch genoss ich jedes Stücken Wärme, was ich bekommen konnte. Genoss, wie die warmen Strahlen meine Haut küssten und die Kälte, die in meinem Inneren herrschte, langsam aber sicher verdrängte. Der Vorfall hatte eine eisige Kälte in meinem Inneren hinterlassen. Fast einen Schneesturm in meinem Herzen, dessen Kälte sich in jeder Adern, in jeder noch so kleinen Zelle breit gemacht hatte, bis keine Wärme mehr übrig war. Jetzt schien die Wärme zu mir durchzudringen, wobei ich mir aber sicher war, dass das ganze nicht nur an der Wärme der Sonne lag, sondern an Gwaines Nähe. Er saß neben mir in der Wiese, den Kopf gen Himmel gerichtet. Seine Augen flirrten über die vereinzelten, die gemächlich über uns vorbeizogen. Ich bewunderte sein Profil. Die Ruhe, die er in diesem Moment ausstrahlte. Seine Armmuskeln, die sich angespannt hatten, da er sein Gewicht mit den Armen abstützte. Bewunderte wie das Hemd über seinen Muskeln spannte. Wie sein Gesicht im Schein der Sonne beleuchtet wurde und genau an den richtigen Stellen ein Schatten geworfen. Als würde er meinen Blick auf sich spüren, wandte er mir den Blick zu. Ein schiefes Lächeln schlich sich auf seine Lippen und seine Augen begann zu funkeln. »Willst du mich zeichnen?«, fragte er mich. Meine Lippen öffneten sich. Im ersten Moment lag mir noch eine Antwort auf der Zunge, im nächsten Moment hatte ich sie schon wieder vergessen.

Sprachlos musterte ich ihn. Mein Kopf war wie leergefegt. Es fiel mir schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, wenn er mich mit diesen funkelnden Augen anblickte. Generell fiel es mir schwer, in seiner Nähe klar zu denken. Ich kannte ihn kaum, doch seine Nähe löste ein gewisses Gefühl der Ruhe in der mir aus, der Sicherheit. Gab mir das Gefühl, nicht jede Sekunde über meine Schulter blicken zu müssen. Gab mir das Gefühl der Wärme. Eine Wärme, die ich nur selten in der Nähe einer anderen Person empfand. Ich schluckte und suchte in meinem Kopf noch immer nach Worten, doch alle Worte, die mir in den Sinn kamen, passten überhaupt nicht zu seiner Frage, die langsam aus meinen Gedanken verschwand. In meinen Gedanken war nur noch er. Seine warmen, braunen Augen, die in dem hellen Sonnenlicht wie flüssiger Honig wirkten. Seine Lippen, die zu einem schiefen, wissenden Lächeln verzogen waren. Seine geschwungenen Augenbrauen, auf die jedes Mädchen neidisch sein konnte. Schließlich räusperte ich mich. Versuchte meine Fassung wieder zu erlangen. Noch nie in meinem Leben hatte mich ein Junge so sprachlos gemacht wie er. Noch nie. Niemals. Warum gerade er das konnte, war mir ein Rätsel. Ein Rätsel, was ich vorhatte, zu lösen.

»Ich... ich kann nicht zeichnen«, murmelte ich dann. Gwaine musterte mich. Seine dunklen Augen schienen über jeden Millimeter meines Gesichtes zu gleiten. Schien jedes noch so kleine Detail in sich aufzusaugen, als würde er versuchen, mich zu studieren. »Ich kann nur gut schreiben. Aber zeichnen kann ich nicht«, fügte ich hinzu, als er mich etwas zu lange angestarrt hatte, ohne etwas zu sagen. Meine Worte ließen sein schiefes Lächeln zu einem warmen Lächeln werden, was ein starkes Kribbeln in meinem Bauch auslöste, so dass ich mich automatisch fragte, ob ich heute zum Frühstück Schmetterlinge verdrückt hatte. »Was schreibst du denn?«, erkundigte er sich bei mir. Erschrocken hielt ich inne und starrte ihn an. Dass ich gerne schrieb, wusste nur Saphira. Nicht einmal mein Vater wusste es. Meine Mutter hatte immer gesagt, dass eine Prinzessin sich nicht mit solchen Hirngespinsten abgeben sollte. Eine Prinzessin sollte solche Texte nicht schreiben. Das hatte sie zu mir gesagt, als ich noch ein kleines Mädchen gewesen bin und meine Träume und Gedanken zu Papier gebracht hatte. Sie meinte, dass die zukünftige Königin keine Zeit hatte, ihre Träume aufzuschreiben. Ihre tiefgründingen Gedanken. Seit dem hatte ich es für mich behalten.

»Ach nur dies und das«, redete ich mich aus und wandte den Blick ab. Gwaines Blick brannte weiter auf mir. Bohrte sich in mein Profil. Er studierte mich. Brannte darauf, eine richtige Antwort zu bekommen, dennoch fragte er mich nicht aus. Als verstünde er gut, dass es Dinge gab, die man anderen nicht sofort preisgeben wollte. Diese Texte waren mir sehr wichtig. Ich zeigte sich nicht jedem. Selbst bei Saphira hatte es lange gedauert, bis ich ihr diese Zeilen vorgelegt hatte. Ab und an verlor ich mich auch in meinen Gedanken und schrieb alles nieder, was mir einfiel. Jedes Wort floss durch meine Finger, hinein in die Feder und vor dort aus auf mein Papier. Das königliche Papier, dass ich eigentlich dazu nutzen sollte, um Reden zu verfassen oder Regeln niederzuschreiben. Dazu nutzte ich es auch für Fantasien, die ich vor ein paar Jahren noch gerne in die Länge gesponnen hatte. Es waren Texte, die ich nicht jedem einfach so zeigen würde. Gwaine würde noch etwas warten müssen, bis ich bereit dazu war, was er zu akzeptieren schien. »Aber wenn du zeichnen könntest, würdest du mich zeichnen?«, fragte er dann, um auf ein anderes Thema zu kommen. Mein Blick schnellte zu ihm. Abermals musterte ich ihn. Seine scharfen, markanten Züge. Den leichten Bartschatten, die hohen Wangenknochen, den breiten Kiefer. Die Muskeln. Seine dunkeln Haare, die im hellen Licht dunkelbraun zu scheinen schienen und im sanften Wind leicht hin und her wehten. Seine wunderschönen Augen, die wunderschön waren. Die schönsten, die ich je gesehen hatte.

Broken Wings ✔Where stories live. Discover now