🔥 24. Kapitel

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Alles, was wir nicht sagten, drückten wir mit diesem Kuss aus. Der Kuss wurde mit jeder Sekunde leidenschaftlicher. Seine Lippen bewegten sich rhythmisch mit den meinen. Immer schneller und wilder. Seine Finger gruben sich in meine Taille, während ich meine Arme um seinen Nacken schlang und ihn noch näher an mich heranzog. Unausgesprochene Worte tanzten zwischen unseren Körpern. Immer wieder. Immer schneller. Ich wusste, was er sagen wollte und er wusste, was ich sagen wollte. Diese Gedanken ließen mich gegen seine Lippen lächeln. Ihm so nah zu sein war wunderbar. Ohne Worte mit ihm zu reden war gleich noch viel besser. Nicht jeder Mann würde mich so verstehen, wie Gwaine es tat. Eines Tages würde ich diese Worte noch aussprechen, doch in diesem Moment war es nicht nötig. Wir verstanden uns auch so ganz gut. Er zog mich noch ein kleines Stück näher an sich heran, so nah, dass kein Blatt mehr zwischen uns passte. Die frische Brise wehte über meine erhitze Haut und kühlte diese ab, doch die angenehme Kühle wurde durch Gwaine verdrängt. Sein Körper schien immer wärmer zu werden. Als ich jetzt langsam die Augen öffnete, erkannte ich, dass die Adern auf seinen Armen zu glühen begannen. Doch sie flackerten meist nur. Mit der Zeit legte sich dies wieder und ich schloss beruhigt die Augen. Gab mich wieder voll und ganz dem Kuss hin. Der Kuss, der so anders war, als der erste. Gleich viel besser.

Doch als die Blicke auf uns immer mehr wurden und mir langsam vor klopfendem Herzen die Luft wegblieb, löste ich mich sanft von ihm. Seine Stirn lehnte er gegen meine und seufzte wohlig. Auch ich genoss den Moment der Ruhe zwischen uns. Genoss seine Nähe, seinen warmen Atem, der bei jedem Atemzug über mein Gesicht glitt wie eine sanfte Sommerbrise. »Es tut mir wirklich leid, Freya. Ich weiß, dass ich das oft gesagt habe, aber ich meine es auch so. Ich wollte dir nie wehtun. Niemals«, hauchte er dann. Ich blickte zu ihm auf. Ich unterbrach ihn nicht. Ein Teil in mir wusste, dass er es noch ein paar Mal sagen würde, da er einfach nicht wusste, was er sonst tun sollte. Er musste diese Worte loswerden, weil er wusste, wie sich Verrat anfühlen konnte. Er wusste es. Er wollte eigentlich nicht, dass andere sich auch so fühlten. Sanft strich ich über seine Wange und spürte die stachligen Haaren seines Bartes unter meinen Fingerkuppen, doch das störte mich nicht. Es war ein angenehmes Gefühl. Schon als kleines Mädchen hatte ich es interessant gefunden, meinem... Vater über den Bart zu streichen. Doch bei Gwaine schien das eine ganze andere Bedeutung für mich zu haben. Es war einfach ein wunderschönes Gefühl. Er schloss die Augen. »Du musst dich nicht immer entschuldigen. Es ist okay. Wirklich. Mir geht es gut. Dir geht es gut. Ich habe dir verziehen«, wisperte ich. Gwaine öffnete die Augen und erkannte die Not darin.

Er musste es sagen. Es war ihm wichtig. Doch auch er musste verstehen, dass ich verstand. Ich verstand, warum er es getan hatte. Die Tage davor hatte ich es nicht verstanden. Wollte es auch gar nicht verstehen. Doch jetzt sah ich es klar vor mir. Einfach alles. Er hatte es nicht mit Absicht getan. Nicht wirklich. Er hatte nur keinen anderen Weg gesehen. »Hast du Hunger?«, fragte er mich plötzlich. Mein Blick glitt für einen Moment zur Sonne, die bereits hoch am Himmel stand. Nach diesem Stand zu urteilen war es vermutlich schon Mittag und somit hatte ich bis jetzt noch nichts gegessen. Doch mein Magen war ja auch mit Schmetterlingen gefüllt. In diesem Moment zumindest. Vorhin war so viel Adrenalin, so viel Angst und so viel Sorge in meinem Körper gewesen, dass an Hunger nicht zu denken war. Nicht wirklich jedenfalls. In dem Moment gab mein Magen ein Grummeln von sich. Es war ein Grummeln des Protest. Deswegen sah ich nun zu Gwaine und schenkte ihm ein Lächeln. »Essen wäre nicht schlecht.« Er nahm meine Hand behutsam in seine, bevor er mich über das Deck zog. Mein Blick glitt zu den Segeln nach oben, die sich im Wind blähten.

Glitt zu der Flagge ganz oben. Es war die Flagge von Lavanida. Mein Herz zog sich zusammen. Die Flagge meines eigenen Reiches. Der Ring, den ich komischerweise nie abgelegt hatte, der das Wappen des Reiches von Rivercore zeigte, brannte plötzlich an meinem Finger. Schien meine Haut zu verbrennen. Wie von selbst strich ich über meinen Ring, spürte den Löwen, der diesen prägte. Der Löwe, der mir immer das Gefühl von Sicherheit, von Schutz gegeben hatte. Davon spürte ich nun nichts mehr, dennoch legte ich ihn nicht ab. Warum ich das nicht tat, wusste ich nicht. Vielleicht, weil Rivercore immer ein Teil meines Lebens sein würde. Vielleicht wäre alles anders, wenn ich nicht in Rivercore aufgewachsen wäre. Vielleicht wäre ich selbst anders. Diese Vorstellung ließ einen kalten Schauer über meinen Rücken laufen. Ich wandte den Blick von beiden Dingen ab und sah stattdessen zu Gwaine. Dieser hatte meinen Blick bemerkt und sah mich fragend an. Ich zuckte nur mit den Schultern. »Es ist okay. Irgendwie.« Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen. »Wenn nicht, dann kannst du immer mit mir reden.«

Broken Wings ✔Where stories live. Discover now