🔥 19. Kapitel

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Eine Woche war vergangen. Eine Woche, in der Gwaine und ich viel zusammen unternommen hatten. Ich hatte ihm das Reiten näher beigebracht und er konnte jetzt sogar ohne Sattel reiten. Diabolo und er schienen auch dickere Freunde zu sein, als vorher. In der ganzen Woche hatten wir es leider nicht geschafft, uns mit den Kindern zu treffen, da immer wieder Ratssitzungen dazwischen gekommen waren oder andere Aufgaben. Die Täter hatten wir noch immer nicht gefasst, aber wir schienen der Antwort immer näher zu kommen. Obwohl alle davon ausgingen, dass wir keinen Verräter hatten, kam ich nicht darüber hinweg, dass wir doch einen hatten. Einen Verräter, der den Tätern doch irgendwie half. Ich glaubte einfach nicht, dass alles nur reiner Zufall war. Jemand musste ihnen geholfen haben. Da war ich mir sicher. Seufzend striegelte ich meinen schwarzen Rappen, der es in dieser Woche geschafft hatte, jeden Tag schmutzig zu werden. Wie genau er das geschafft hatte, war mir noch ein Rätsel. Jeden Tag hatte ich ihn putzen müssen, was mir aber nicht viel ausmachte, da ich ihn gernhatte. So wie er mich. In dem Moment ging die Stalltür quietschend auf. Erschrocken zuckte ich einen Moment zusammen, bevor ich mich umdrehte. Gwaine kam in den Stall hinein. Ein sanftes Lächeln auf den Lippen, als er mich erblickte. »Wie ich sehe, bist du schon wieder fleißig«, meinte er und trat zu uns. Ich nickte und schenkte ihm ein Lächeln. In der letzten Woche waren wir uns näher gekommen. Noch näher als vorher.

Wir waren vertrauter. Sobald Gwaine in der Nähe war, schien ich es zu spüren, außer ich war tief in Gedanken versunken, so wie gerade. Da schien ich seine Präsenz nicht zu bemerken. Gwaine stützte seine Ellenbogen auf der Tür von Diabolos Box ab und beobachtete mich dabei, wie ich meinem Rappen den Schweif putzte. »Ja, warum soll ich das jemand anderen machen lassen, wenn es doch mein Pferd ist?«, antwortete ich schließlich. Gwaine grinste schief. »Wenn alle blaublütigen Menschen so denken würden, wäre alles vermutlich viel leichter.« Ich lächelte schief und nickte, bevor ich weiter seinen Schweif säuberte. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Gwaine meinem Hengst über die Nüstern strich. Ich hatte noch nie erlebt, wie ein Mann das bei ihm hatte tun dürfen. Noch nie. Deswegen hielt ich einen Moment inne und beobachtete die Szene, die sich mir bot. Eine Szene, die sich mir vielleicht nicht oft bieten würde. »Er scheint dich wirklich zu mögen«, sprach ich meine Gedanken aus. Gwaines Blick glitt zu mir und er lächelte. »Er scheint zu spüren, dass ich keine schlechten Intentionen habe.«

Sein intensiver Blick bohrte sich in meinen und mein Mund wurde trocken. Auf einmal wurde ich mich meiner Aufmachung richtig bewusst. Ich trug eine beige Hose, dazu ein weißes Leinenhemd, was mit einem breiten Gürtel um meinen Bauch verziert war. Das weiße Leinenhemd war allerdings voller Flecken. Flecken, die ich von Diabolo hatte oder vom Staub hier. In meinen Haaren befand sich irgendwo Stroh, da war ich mir sicher. Und dennoch sah er mich so an, als wäre ich das schönste Mädchen, was er je gesehen hat. Röte zierte meine Wangen und ich wandte den Blick ab. »Kommst du später mit zu den Kindern?«, fragte er mich plötzlich aus heiterem Himmel. Erstaunt blickte ich auf. Mir war nicht klar gewesen, dass dafür heute ein Termin angesetzt war. »Du triffst dich heute mit ihnen?« Gwaine nickte. »Ja. In zwei Stunden. Also? Ich bin sicher, sie würden sich sehr über dich freuen.« Mein Blick glitt an mir hinab. Mein Hemd war wirklich dreckig und meine Hose erst. Als ich mir durch meine roten Haare fuhr, spürte ich das Stroh zwischen meinen Fingern. »Vorher sollte ich mich noch umziehen.« Gwaines sündhaft geschwungenen Lippen verzogen sich zu einem warmen und sanften Lächeln. »Du siehst doch gut aus. Du siehst real aus und nicht wie in Watte gepackt.«

Seine Worte ließen mich innehalten und ich blickte wieder an mir hinab. Ich wusste genau, was er mit diesen Worten meinte. In den Kleidern sah ich aus, wie alle mich sehen wollten. Hübsch, wunderschön, aufgebrezelt. Ohne Makel. Jetzt sah ich aus wie ein normales Mädchen, mit Stroh im Haar und Dreck auf der Kleidung. Dennoch fühlte ich mich so schön wie noch nie. Was vielleicht an Gwaines ehrlichem Kommentar lag. Ein Teil in mir wusste instinktiv, dass er jedes Wort ernst meinte. Gwaine log mich nie an. Lächelnd hob ich wieder den Kopf und sah Gwaine an, der mich mit so viel Wärme in seinen Augen musterte, dass ich Diabolos Schweif fast verfehlte, als ich ein letztes Mal durch ihn hindurch gleiten wollte. »Vielleicht sollte ich das wirklich nicht.« Das Lächeln auf seinen rosigen Lippen wurde breiter und in mir entstand das Bedürfnis, es festzuhalten. Irgendwie. Wenn ich so malen könnte wie Saphira, würde ich es tun. Ich würde es zeichnen und überall in meinem Zimmer aufhängen, nur damit ich es immer bei mir haben konnte. Da war sie wieder. Die Angst, dass Gwaine eines Tages gehen würde und sein Lächeln irgendwie mit ihm verschwinden würde. Dass ich sein Lächeln und sein Lachen mit der Zeit vergessen würde. Dass ich mich eines Tages nicht mehr an den Klang seines Lachens erinnern konnte.

Broken Wings ✔Where stories live. Discover now