🔥 27. Kapitel

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Die blonden Haare waren das Erste, was mir auffiel. Eine Haarfarbe, die eigentlich nicht mit meiner übereinstimmen sollte. Automatisch fragte ich mich, ob er wirklich mein Bruder war. Dennoch glaubte ich den Worten von Gwaine. Ich wusste, dass eine Mutter oder ein Vater seine Tochter irgendwie erkennen würde. Da würde ein Gefühl in einem sein, was einem sagte, dass sie es war. Dieses Gefühl hatte ich jetzt gerade, als Alex auf uns zukam, mit den ganzen Rittern aus Lavandia hinter ihm. Dann zuckte ich innerlich zusammen, als ich jemanden sah, der älter war als alle anderen. Erhaben lief er neben seinen Truppen her, die Gangart eines Königs. Schwer schluckte ich. Seine Haare waren vereinzelt grau, was mich kaum sagen ließ, ob er jemals rote Haare wie ich gehabt hatte. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich wollte mich zu Gwaine drehen und ihm sagen, dass er mir ruhig hätte sagen können, dass die Truppen doch näher waren, als erwartet. Doch als ich mich ihm zuwandte, wirkte auch er überrascht. Alex und mein Vater kamen mir immer näher. Meine Hände schienen schwitzig zu werden und eine Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen. Mein Herz klopfte immer wilder in meiner Brust. Immer schneller. Das Blut rauschte in meinen Ohren. Wenn Gwaine nicht meine Hand gehalten hätte, hätte ich vermutlich jeden Moment den Halt verloren. Dann standen sie vor uns. Der Blick von Alex fiel als erstes auf mich und er musterte mich. Er studierte jeden Zentimeter von mir. So, dass ich mich etwas unbehaglich fühlte.

In mir entstand ein Fluchtinstinkt. Der Instinkt, mich hinter Gwaine zu verstecken wurde mit jeder verstreichenden Sekunde größer. Seine grauen Augen lagen weiter auf mir, bevor er seinen Blick hob und mir direkt in die Augen sah. So intensiv, dass ich gar nicht anders konnte, als ihn nicht anzusehen. Der Wind fegte unnachgiebig weiter, zerrte an meiner Kleidung und an meinen Haaren, doch das störte mich wenig. Sehr wenig. Schwer schluckte ich den Kloß in meinem Hals hinunter und sah, wie Maxim, neben ihn trat. Mein Vater. Seine Augen weiteten sich, als er mich erblickte. Das Erste, was mir auffiel, waren seine Augen, so grün wie meine. Aber nicht so grün wie die von Rhett. Sein Gesicht wurde von ein paar Falten geziert und seine Nase schien krumm zu sein. Als hätte er sie sich schon einmal gebrochen. Doch diese Augen... Es war als würde ich in einen Spiegel blicken. Selbst seine Gesichtszüge schienen meinen zu gleichen. Er legte die Stirn in Falten und ein kleines Fältchen entstand in der Mitte seiner Stirn, so wie bei mir. Die Denkerfalte, wie ich sie nannte. Er hatte sie auch. Mir wurde heiß. So ganz wusste ich noch nicht mit dieser Information umzugehen. Dann trat er einen wackligen Schritt nach vorne und sah mich verblüfft an. Als könnte er nicht glauben, dass ich wirklich vor ihm stand.

Auch ich konnte nicht so ganz glauben, dass er mir stand. Das kam mir noch immer surreal vor. Dass ich hier war, kam mir surreal vor. Alles an dieser Situation kam mir surreal vor. Es kam mir vor wie in einem der Träume, die ich in den letzten Tagen gehabt hatte. Maxim, mein Vater stand vor mir. Dazu mein Bruder. Vorher hatte ich immer gedacht, mein Vater sei jemand anders, doch ihn jetzt zu sehen, warf in mir die Frage auf, warum ich nie bemerkt hatte, dass ich angelogen wurde. Er sah mir auf gewisse Weise ähnlich. Natürlich war er muskelbepackter als ich und hatte männlichere Züge, doch die Augen und die Denkerfalte waren gleich. Selbst unsere Augenbraunen schienen den gleichen Schwung zu haben. Nur das er mehr davon hatte. Er tat noch einen zögerlichen Schritt auf mich zu, während ich ihn weiter anstarrte. »Bist du es wirklich, Freya?«, brachte er mit leiser, brüchiger Stimme hervor. Er schien genauso überrascht zu sein wie ich. Besonders überrascht war ich, als er meinen Namen aussprach. Den Namen, den ich seit 23 Jahre trug. Mir wurde klar, dass zumindest das keine Lüge war. Dass Freya mein Name war und es immer sein würde. Auf einmal schien ich mich wieder zu kennen. In den letzten Tagen hatte ich nicht genau sagen können, wer ich war. Jetzt schien sich mein inneres Selbst wieder zusammenzufinden. Mit jeder Sekunde die verstrich.

»Also ist mein Name wirklich Freya?«, stieß ich aus, bevor ich es aufhalten konnte. Mein Vater nickte. Allein diese Worte in meinem Kopf waren mir noch fremd. Waren merkwürdig und komisch. Fühlten sich noch falsch an. So falsch, wie einen linken Schuh auf den rechten Fuß zu ziehen. »Ja, deine Mutter und ich gaben ihn dir. Uther wusste das natürlich. Nur ich hatte nicht erwartet, dass sie dich so nennen würden. Ich hatte nicht erwartet, dass sie dich dein ganzes Leben lang so genannt haben.« Alle um uns herum starrten uns an, doch das war mir vollkommen gleichgültig. Noch immer kam es mir vor wie ein Traum, aus dem ich jeden Moment erwachen würde. Ein Traum, der gleich enden würde. Doch er tat es nicht. Mein Vater stand immer noch vor mir, etwas versetzt hinter ihm Alex, dessen blondes Haar vom Wind zerzaust wurde. »Ich finde es ja schön, dass sich Vater, Tochter und Bruder wieder gefunden haben, aber wir sollten wirklich los. Die anderen werden wegen uns leider nicht langsamer fahren«, meinte Tarquin und wie auf Knopfdruck kam ich wieder im Hier und Jetzt an. Benommen nickte ich. Es war, als würde ich wieder in der Realität ankommen. Ich nahm die Vögel war, die herumflatterten und sangen. Ich nahm den salzigen Geruch des Meeres war und ich nahm das Geräusch der Wellen wahr, die gegen den Steg schlugen. Ich nahm den Wind wahr, der in der Ruine heulte und an meinen Haaren zerrte.

Broken Wings ✔Where stories live. Discover now