🔥 22. Kapitel

317 31 4
                                    

Der Wind zerzauste meine roten Haare. Peitschte sie umher und manchmal auch in mein Gesicht. Doch es störte mich nicht. Nicht mehr. Ich war nur froh, dass wir das alles irgendwie überstanden hatten. Dass kein Drache tot war. Dass Gwaine unverletzt war. Saphiras Wunde war auch nicht schlimm, wie ich festgestellt hatte. Nur ein Streifschuss, doch sie war durch das Blut, dass sie gesehen hatte, ohnmächtig geworden. Das war ihr schon einmal passiert. Saphira konnte ihr eigenes Blut nicht sehen. Als Gwaine langsam aber sicher nach unten flog, kam ich wieder aus meinen Gedanken heraus. Warum wir auf den Hafen zuflogen, verstand ich jetzt immer mehr, als ich dort die Menschen sah. Die Menschen aus unserem Schloss. Diener und Dienerinnen, Bewohner der Stadt. Sie alle liefen zu dem Schiff, was im Hafen lag, ruhig und abwartend. Als wäre es nur für diese Menschen bestimmt. Innerlich fragte ich mich, ob es nötig war, gleich von der großen Insel zu verschwinden, doch dann fiel mir auf, dass auch im Begriff war, diese Insel zu verlassen. Man würde uns finden. Hier auf der Insel. Auf dem Festland hatten wir eine größere Chance als hier. Schließlich landete Gwaine sanft auf dem Boden und ging etwas in die Knie, damit ich besser absteigen konnte. Schnell murmelte ich ein leises Danke, bevor ich von seinem Rücken rutschte. Seine Augen folgten jeder meiner Bewegungen, was mich für einen Moment lächeln ließ, bevor ich mich wieder an alles erinnerte. Das Lächeln verschwand von meinen Lippen, während ich Rhett zusah, wie er landete.

Sein Blick lag auf mir. Ich schenkte ihm ein ehrliches Lächeln, während ein Kloß meine Kehle zuschnürte. Sie waren gekommen. Mir war bewusst, dass sie für Gwaine hier waren, doch auch sie hatten dazu beigetragen, dass den Bewohnern nichts passiert war. Das die meisten mit ihren Kindern in Sicherheit waren. »Danke«, presste ich hervor. Er neigte den Kopf und schloss die Augen. Er verstand, dass dieses Danke sich auf so viel mehr bezog. »Ist Laia auch hier?«, fragte ich. Rhett schüttelte den Kopf. Erleichterung machte sich in mir breit. Dann fiel mir auf, dass Kylan nicht hier war. Und Garrett auch nicht. Ich beschloss, dass die beiden womöglich auf Laia achtgaben. Es landeten immer mehr Drachen. Auch Tarquin landete. Auf seinem Rücken trug er noch immer Saphira, die bleich im Gesicht war. Bevor ich sie von seinem Rücken hieven konnte, wachte sie auf und blinzelte. Sie sah sich um. Ihr Blick traf meinen und ich sah, wie ihre Schultern nach unten sanken. Als sie den Drachen sah, auf dem sie saß, riss sie Augen auf. Fragend sah sie mich an und mir wurde bewusst, dass sie Tarquin nie in Drachengestalt gesehen hatte und ihn vielleicht nicht an seinen Augen richtig erkannte. »Tarquin«, sagte ich bloß und sie spannte sich an.

Viel zu schnell rutschte sie von seinem Rücken, was den Drachen warnend schnauben ließ. Sofort war ich bei ihr und stützte sie, als ihr zierlicher Körper ins Wanken geriet. »Was ist passiert?«, fragte sie mich etwas benommen. Ich erklärte ihr, was womöglich mit ihr passiert war. Diesmal war sie so klug, nicht auf ihre Wunde zu blicken, wo immer noch etwas Blut rauskam. Doch dann wurde sie ernst und sah mich an. Vermutlich war mein Gesicht mit Ruß bedeckt. Zeichen des Rauches. »Was ist mit dir passiert? Wo bist du hingelaufen?«, fragte sie, während ich mit ihr zu einer Kiste lief, auf die sie sich setzen konnte. »Ich bin ins Schloss gerannt, weil ich die Königin verdächtigte.« Sie riss die Augen auf, als ich das sagte, nickte dann aber. »Ja, das würde passen.« Ich spürte das Gefühl des Verrats in mir. Das erdrückende Gefühl von der Person verraten worden zu sein, von der ich es nicht erwartet hatte. Von dem Mann, der mich mein ganzes Leben großgezogen hatte und mir das Gefühl gegeben hatte, er wäre ein guter Mann. Ein guter Vater. Es stellte sich heraus, dass das alles nur gelogen war. Vielleicht nicht alles, aber er hatte gewusst, dass Gwaine und ich zu Gefährten sind und wollte ihn dennoch töten. Ein kalter Schauer jagte meinen Rücken hinab.

»Es war nicht sie. Mein...«, noch immer wollte ich mein Vater sagen. Doch das war er nicht. Nicht mehr. Vielleicht hätte ich ihn noch irgendwie als meinen Vater gesehen, doch durch seine Aktion war er kein Vater für mich. Er war... ein Fremder für mich geworden. Ein Mann, den ich nicht mehr erkannte. Ein Mann, den ich nicht mehr kennen wollte. Ein Mann, in dem ich mich getäuscht hatte. »Es war der König selbst«, vollendete ich dann den Satz. Saphira schnappte nach Luft und schien die Welt nicht mehr zu verstehen. In dem Moment spürte ich das Knistern in der Luft. Das Knistern der Funken, dann kam Gwaine zu uns. Nur in einer Hose gekleidet. Das Leinenhemd hing offen an seinem Körper. So weit offen, dass ich einen Blick auf seine definierten Bauchmuskeln erhaschen konnte. Und auf einen Flaum an Haaren, der unter dem Bund seiner Hose verschwand. Mir wurde heiß, meine Wangen wurden heiß und ich hob den Blick zu seinen Augen. Darauf konzentriert, nicht mehr auf seinen Bauch zu sehen. »Wir sollten uns um ihren Arm kümmern«, sagte er, sah aber nur mich an. Sein intensiver Blick bohrte sich in meinen und ich hatte wieder einen Kloß im Hals. Ich wollte wütend auf ihn sein, doch die Angst, ihn zu verlieren steckte noch immer in meinen Knochen. Deswegen wollte ich meine Wut für kurze Zeit vergessen. Das Leben konnte so kurz sein, wie ich gerade festgestellt hatte. Ich fragte mich, ob ich es noch länger damit verbringen wollte, wütend auf ihn zu sein, wenn er doch eigentlich nur auf den richtigen Moment gewartet hatte.

Broken Wings ✔Where stories live. Discover now