🔥 28. Kapitel

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Beißende Hitze kam mir entgegen. Kein einziges Lüftchen wehte. Dieser Tag stand im Kontrast zu den letzten Tagen. Der Wind hatte zwar ein paar Gewitterwolken mit sich gebracht, die sich aber nicht über uns ergossen hatten. Nun gab es auch keine Bäume mehr, die uns schützen. Wir waren der heißen Sonne ausgeliefert. Die Kinder kamen kaum noch voran. Der Tag zerrte an ihnen. Wir waren seid fünf Stunden unterwegs. So lautete jedenfalls meine Schätzung. Kraftlos und müde schleppten sie sich mit ihren kurzen Beinen voran. Immer wieder setzten wir ein paar von ihnen auf Pferde. Nun ritt kaum noch jemand. Die Kinder saßen dafür auf den Pferden, mit jedem Kopfschutz, den wir hatten kriegen können. Dabei hatten wir an unserer Flucht nicht gedacht. An Kopfschutz. Seufzend wischte ich mir den Schweiß von der Stirn und wünschte mir zugleich ich könnte jeden erdenklichen Schweiß so von meinem Körper wischen. Gwaines Kleidung, die sonst viel zu groß war, klebte jetzt an meinem Körper. An meinem Rücken, an meinen Beinen, an meinen Armen. In meinem Nacken klebte es auch. Meine Haare hatten sich dort festgeklebt. Das Band, mit dem ich meine Haare immer zusammenband hatte ich einem kleinen Mädchen gegeben, was es nötiger gehabt hatte als ich. Das bereute ich nicht. Dennoch konnte ich nicht leugnen, dass auch ich langsam eine Pause brauchte. Diabolo lief neben mir, auf seinem Rücken zwei Kinder, die eingeschlafen waren.

Für Schlaf würde ich jetzt alles geben, aber wir mussten weiter laufen. Die anderen würden nachts keine Rast einlegen. Das hatten sie auch sicher heute Nacht nicht getan. Immer wieder sah jemand durch sein Fernrohr. Sie schienen näher zu kommen und der andere Wald war noch nicht einmal am Horizont zu sehen. Vor uns erstreckte sich nur ewige Weite. Ab und an waren ein paar Bäume zu sehen aber nicht genug, damit sie uns Schutz bieten konnten. Das einzig Positive war, dass neben uns ein Bach verlief. Zwar nur ein kleiner Bach, doch dieser würde uns Wasser spenden. Gwaine neben mir wischte sich ebenfalls ein paar Strähnen aus der Stirn. Schweißperlen glitzerten im Sonnenlicht auf seiner Stirn. Sein weißes Leinenhemd klebte ihm am Körper und gab Umrisse seiner Muskeln preis. Immer wieder blieb mein Blick darauf kleben, was er zu bemerken schien. »Soll ich mich vielleicht ausziehen und für dich bereitstehen, damit du mich zeichnen kannst?« Ein schiefes Grinsen schlich sich auf seine Lippen und zog den rechten Mundwinkel nach oben. Röte schoss mir in die Wangen, was man aber dank meiner bereits geröteten Wangen nicht sah. »Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich nicht zeichnen kann?«, reagierte ich kleinlaut. Ein feines Lächeln schlich sich auf seine Lippen.

»Ich glaube es ernst, wenn ich es sehe.« Er grinste mich nun an und ein warmes Funkeln trat in seine Augen. Ich seufzte und rollte spielerisch mit den Augen. Dabei genoss ich das Geplänkel mit ihm. Ich genoss es, so mit ihm zu reden. Spaßig. Frei. Ohne jeglichen Smalltalk. Doch mir wurde auch bewusst, dass wir das bald nicht mehr konnten. Bald würde uns die Realität einholen. Unsere Feinde. Bald würden wir kämpfen müssen. Bald würden wir uns ihnen gegenüberstellen müssen. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Mein Blick glitt über unsere Gruppe. So hatten wir eine Chance. Doch die Kinder... Irgendwie mussten wir es schaffen, sie aus dem Kampf rauszuhalten. Das war noch ein Problem. Ein Problem, welches mich zu verfolgen schien. Die Kinder sollten nicht verletzt werden. So viel stand für mich fest. Gerade als ich noch etwas zu Gwaine sagen wollte, rief unser Späher, der das Fernrohr in der Hand hielt: »Irgendwie sind sie an Pferde gekommen. Sie werden uns in ein paar Stunden erreicht haben.« Das Blut gefror mir in den Adern. Ich wünschte mir, dass ich die Zeit zurückdrehen könnte. Die letzten zwei Tage waren so schnell vergangen. Ich wünschte, dass ich mehr Zeit gehabt hätte. Wofür, wusste ich nicht. Jeder von uns schien zu begreifen, dass das Weitergehen nichts bringen würde. Wir mussten uns rüsten. Uns vorbereiten für den Kampf. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Erschwerte mir das Atmen. Gwaine drückte meine Hand. Eine Geste, die mich beruhigen sollte. Alle Blicke richteten sich auf Maxim.

Maxim, mit dem ich in den letzten zwei Tagen kaum gesprochen hatte. Nur bei unserer ersten Begegnung, seit dem hatte mich der Mut verlassen. Auch mit Alex hatte ich kaum gesprochen. Eher war ich ihm aus dem Weg gegangen. Sie waren wir noch immer fremd, auch wenn sie eigentlich meine Familie sein sollten. Doch sie waren mir fremd. Die Worte Bruder und Vater fühlten sich noch immer falsch an. Selbst nur in meinem Kopf. Mir fiel es schwer, ihnen gegenüberzutreten, da ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Wie ich mich verhalten sollte. Gwaine hatte mir immer wieder versichert, dass sie das verstehen würden, doch dennoch hatte ich mich nicht getraut. Hatte es nicht gewagt, mit ihnen zu sprechen. Sie all das zu fragen, was mir auf der Zunge lag. Stattdessen hatte ich mich irgendwie versteckt. Jetzt bereute ich dies. Beide könnten heute sterben. Maxim sah zu Stephan, der ihm kurz zunickte. Dann wandte er sich an uns. Sein Blick haftete sich auf mich. »Wir werden kämpfen. Wir werden jetzt aufhören wegzurennen. Alle brauchen noch eine Pause, dann rüsten wir uns für den Kampf.« Bei dem Wort Pause ließen sich viele ins Gras fallen, während andere zum Bach gingen. Und ich? Ich stand reglos neben Gwaine. Blinzelte. Wartete. Wusste nicht, was ich tun sollte. Gwaine ließ meine Hand los, als Alex auf mich zukam. Mit ihm hatte ich kaum gesprochen. Eigentlich gar nicht. Mir wurde bewusst, dass Gwaine uns Zeit allein schenken wollte, dennoch wusste ich nicht so ganz, was ich davon halten sollte.

Broken Wings ✔Where stories live. Discover now